Nathan der Weise | Page 2

Gotthold Ephraim Lessing
Nicht kann,--komm' ��ber Euch!
Nathan. Komm' ��ber mich!-- Wo aber ist sie denn? wo bleibt sie?--Daja, Wenn du mich hintergehst!--Wei? sie es denn, Da? ich gekommen bin?
Daja. Das frag ich Euch! Noch zittert ihr der Schreck durch jede Nerve. Noch malet Feuer ihre Phantasie Zu allem, was sie malt. Im Schlafe wacht, Im Wachen schl?ft ihr Geist: bald weniger Als Tier, bald mehr als Engel.
Nathan. Armes Kind! Was sind wir Menschen!
Daja. Diesen Morgen lag Sie lange mit verschlo?nem Aug', und war Wie tot. Schnell fuhr sie auf, und rief: "Horch! horch! Da kommen die Kamele meines Vaters! Horch! seine sanfte Stimme selbst!"--Indem Brach sich ihr Auge wieder: und ihr Haupt, Dem seines Armes St��tze sich entzog, St��rzt auf das Kissen.--Ich, zur Pfort' hinaus! Und sieh: da kommt Ihr wahrlich! kommt Ihr wahrlich!-- Was Wunder! ihre ganze Seele war Die Zeit her nur bei Euch--und ihm.--
Nathan. Bei ihm? Bei welchem Ihm?
Daja. Bei ihm, der aus dem Feuer Sie rettete.
Nathan. Wer war das? wer?--Wo ist er? Wer rettete mir meine Recha? wer?
Daja. Ein junger Tempelherr, den, wenig Tage Zuvor, man hier gefangen eingebracht, Und Saladin begnadigt hatte.
Nathan. Wie? Ein Tempelherr, dem Sultan Saladin Das Leben lie?? Durch ein geringres Wunder War Recha nicht zu retten? Gott!
Daja. Ohn' ihn, Der seinen unvermuteten Gewinst Frisch wieder wagte, war es aus mit ihr.
Nathan. Wo ist er, Daja, dieser edle Mann?-- Wo ist er? F��hre mich zu seinen F��?en. Ihr gabt ihm doch vors erste, was an Sch?tzen Ich euch gelassen hatte? gabt ihm alles? Verspracht ihm mehr? weit mehr?
Daja. Wie konnten wir?
Nathan. Nicht? nicht?
Daja. Er kam, und niemand wei? woher. Er ging, und niemand wei? wohin.--Ohn' alle Des Hauses Kundschaft, nur von seinem Ohr Geleitet, drang, mit vorgespreiztem Mantel, Er k��hn durch Flamm' und Rauch der Stimme nach, Die uns um Hilfe rief. Schon hielten wir Ihn f��r verloren, als aus Rauch und Flamme Mit eins er vor uns stand, im starken Arm Empor sie tragend. Kalt und unger��hrt Vom Jauchzen unsers Danks, setzt seine Beute Er nieder, dr?ngt sich unters Volk und ist Verschwunden!
Nathan. Nicht auf immer, will ich hoffen.
Daja. Nachher die ersten Tage sahen wir Ihn untern Palmen auf und nieder wandeln, Die dort des Auferstandnen Grab umschatten. Ich nahte mich ihm mit Entz��cken, dankte, Erhob, entbot, beschwor,--nur einmal noch Die fromme Kreatur zu sehen, die Nicht ruhen k?nne, bis sie ihren Dank Zu seinen F��?en ausgeweinet.
Nathan. Nun?
Daja. Umsonst! Er war zu unsrer Bitte taub; Und go? so bittern Spott auf mich besonders...
Nathan. Bis dadurch abgeschreckt...
Daja. Nichts weniger! Ich trat ihn je den Tag von neuem an; Lie? jeden Tag von neuem mich verh?hnen. Was litt ich nicht von ihm! Was h?tt' ich nicht Noch gern ertragen!--Aber lange schon Kommt er nicht mehr, die Palmen zu besuchen, Die unsers Auferstandnen Grab umschatten; Und niemand wei?, wo er geblieben ist. Ihr staunt? Ihr sinnt?
Nathan. Ich ��berdenke mir, Was das auf einen Geist, wie Rechas, wohl F��r Eindruck machen mu?. Sich so verschm?ht Von dem zu finden, den man hochzusch?tzen Sich so gezwungen f��hlt; so weggesto?en, Und doch so angezogen werden;--Traun, Da m��ssen Herz und Kopf sich lange zanken, Ob Menschenha?, ob Schwermut siegen soll. Oft siegt auch keines; und die Phantasie, Die in den Streit sich mengt, macht Schw?rmer, Bei welchen bald der Kopf das Herz, und bald Das Herz den Kopf mu? spielen.--Schlimmer Tausch!-- Das letztere, verkenn ich Recha nicht, Ist Rechas Fall: sie schw?rmt.
Daja. Allein so fromm, So liebensw��rdig!
Nathan. Ist doch auch geschw?rmt!
Daja. Vornehmlich eine--Grille, wenn Ihr wollt, Ist ihr sehr wert. Es sei ihr Tempelherr Kein irdischer und keines irdischen; Der Engel einer, deren Schutze sich Ihr kleines Herz, von Kindheit auf, so gern Vertrauet glaubte, sei aus seiner Wolke, In die er sonst verh��llt, auch noch im Feuer, Um sie geschwebt, mit eins als Tempelherr Hervorgetreten.--L?chelt nicht!--Wer wei?? La?t l?chelnd wenigstens ihr einen Wahn, In dem sich Jud' und Christ und Muselmann Vereinigen;--so einen s��?en Wahn!
Nathan. Auch mir so s��?!--Geh, wackre Daja, geh; Sieh, was sie macht; ob ich sie sprechen kann.-- Sodann such ich den wilden, launigen Schutzengel auf. Und wenn ihm noch beliebt, Hienieden unter uns zu wallen; noch Beliebt, so ungesittet Ritterschaft Zu treiben: find ich ihn gewi?; und bring Ihn her.
Daja. Ihr unternehmet viel.
Nathan. Macht dann Der s��?e Wahn der s��?ern Wahrheit Platz:-- Denn, Daja, glaube mir; dem Menschen ist Ein Mensch noch immer lieber, als ein Engel-- So wirst du doch auf mich, auf mich nicht z��rnen, Die Engelschw?rmerin geheilt zu sehn?
Daja. Ihr seid so gut, und seid zugleich so schlimm! Ich geh!--Doch h?rt! doch seht!--Da kommt sie selbst.

Zweiter Auftritt
Recha und die Vorigen.
Recha. So seid Ihr es doch ganz und gar, mein Vater? Ich glaubt', Ihr h?ttet Eure Stimme nur Vorausgeschickt. Wo bleibt Ihr? Was f��r Berge, F��r W��sten, was f��r Str?me trennen uns Denn noch? Ihr atmet Wand an Wand mit ihr, Und eilt nicht,
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 38
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.