Miss Sara Sampson

Gotthold Ephraim Lessing
Miss Sara Sampson, by Gotthold
Ephraim Lessing

The Project Gutenberg EBook of Miss Sara Sampson, by Gotthold
Ephraim Lessing #6 in our series by Gotthold Ephraim Lessing
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Title: Miss Sara Sampson
Author: Gotthold Ephraim Lessing

Release Date: October, 2005 [EBook #9157] [Yes, we are more than
one year ahead of schedule] [This file was first posted on September 9,
2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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SAMPSON ***

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Miß Sara Sampson
Gotthold Ephraim Lessing
Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Personen:
Sir William Sampson Miß Sara, dessen Tochter Mellefont Marwood,

Mellefonts alte Geliebte Arabella, ein junges Kind, der Marwood
Tochter Waitwell, ein alter Diener des Sampson Norton, Bedienter des
Mellefont Betty, Mädchen der Sara Hannah, Mädchen der Marwood
Der Gastwirt und einige Nebenpersonen

Erster Aufzug

Erster Auftritt
Der Schauplatz ist ein Saal im Gasthofe.
Sir William Sampson und Waitwell treten in Reisekleidern herein.
Sir William. Hier meine Tochter? Hier in diesem elenden Wirtshause?
Waitwell. Ohne Zweifel hat Mellefont mit Fleiß das allerelendeste im
ganzen Städtchen zu seinem Aufenthalte gewählt. Böse Leute suchen
immer das Dunkle, weil sie böse Leute sind. Aber was hilft es ihnen,
wenn sie sich auch vor der ganzen Welt verbergen könnten? Das
Gewissen ist doch mehr als eine ganze uns verklagende Welt.--Ach, Sie
weinen schon wieder, schon wieder, Sir!--Sir!
Sir William. Laß mich weinen, alter ehrlicher Diener. Oder verdient sie
etwa meine Tränen nicht?
Waitwell. Ach! sie verdient sie, und wenn es blutige Tränen wären.
Sir William. Nun so laß mich.
Waitwell. Das beste, schönste, unschuldigste Kind, das unter der Sonne
gelebt hat, das muß so verführt werden! Ach Sarchen! Sarchen! Ich
habe dich aufwachsen sehen; hundertmal habe ich dich als ein Kind auf
diesen Armen gehabt; auf diesen meinen Armen habe ich dein Lächeln,
dein Lallen bewundert. Aus jeder kindischen Miene strahlte die
Morgenröte eines Verstandes, einer Leutseligkeit, einer--

Sir William. O schweig! Zerfleischt nicht das Gegenwärtige mein Herz
schon genug? Willst du meine Martern durch die Erinnerung an
vergangne Glückseligkeiten noch höllischer machen? Ändre deine
Sprache, wenn du mir einen Dienst tun willst. Tadle mich; mache mir
aus meiner Zärtlichkeit ein Verbrechen; vergrößre das Vergehen
meiner Tochter; erfülle mich, wenn du kannst, mit Abscheu gegen sie;
entflamme aufs neue meine Rache gegen ihren verfluchten Verführer;
sage, daß Sara nie tugendhaft gewesen, weil sie so leicht aufgehört hat,
es zu sein; sage, daß sie mich nie geliebt, weil sie mich heimlich
verlassen hat.
Waitwell. Sagte ich das, so würde ich eine Lüge sagen, eine
unverschämte, böse Lüge. Sie könnte mir auf dem Todbette wieder
einfallen, und ich alter Bösewicht müßte in Verzweiflung sterben.--
Nein, Sarchen hat ihren Vater geliebt, und gewiß! gewiß! sie liebt ihn
noch. Wenn Sie nur davon überzeugt sein wollen, Sir, so sehe ich sie
heute noch wieder in Ihren Armen.
Sir William. Ja, Waitwell, nur davon verlange ich überzeugt zu sein.
Ich kann sie länger nicht entbehren; sie ist die Stütze meines Alters,
und wenn sie nicht den traurigen Rest meines Lebens versüßen hilft,
wer soll es denn tun? Wenn sie mich noch liebt, so ist ihr Fehler
vergessen. Es war der Fehler eines zärtlichen Mädchens, und ihre
Flucht war die Wirkung ihrer Reue. Solche Vergehungen sind besser
als erzwungene Tugenden--Doch ich fühle es, Waitwell, ich fühle es;
wenn diese Vergehungen auch wahre Verbrechen, wenn es auch
vorsätzliche Laster wären: ach! ich würde ihr doch vergeben. Ich würde
doch lieber von einer lasterhaften Tochter als von keiner geliebt sein
wollen.
Waitwell. Trocknen Sie Ihre Tränen ab, lieber Sir! Ich höre jemanden
kommen. Es wird der Wirt sein, uns zu empfangen.

Zweiter
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