an Buntheit zu übertreffen suchen, w?hrend im Inneren Tapeziergeschmack und Konvention uneingeschr?nkt herrschen.
In Wohlt?tigkeits- und Bildungsanstalten aller Art wurden wir eingeführt, und wie in der Frauenbewegung, so imponierte mir hier die Einheitlichkeit ihrer Organisation, deren gewaltige R?derwerke so selbstverst?ndlich ineinander griffen wie die jener Dampfturbinen, bei deren Anblick wir nicht wissen, ob wir die praktische Kunst ihrer Sch?pfer oder die fremdartig-neue Sch?nheit ihres Baus mehr bewundern sollen.
Der Kongre? selbst war eine Parade, wie fast alle Kongresse. Die Reden, die gehalten, die Berichte, die gegeben wurden, waren den Eingeweihten ihrem Inhalt nach aus Büchern und Broschüren bekannt. Der Austausch von Meinungen, der das wichtigste gewesen w?re, wurde an zweite Stelle gerückt, er h?tte die Ordnung und den Glanz der Heerschau am Ende trüben k?nnen. So w?re als Gewinn allein die Anknüpfung pers?nlicher Beziehungen übrig geblieben, aber auch er war bei n?herem Zusehen für mich nur gering: diese Frauen hatten mir nichts Neues zu sagen. Ihr A und O, das Frauenstimmrecht, war für mich in dem Augenblick erledigt gewesen, als ich die Selbstverst?ndlichkeit seiner Forderung erkannt hatte.
Bei einer internen Sitzung der Delegationen wurde ich zur Pr?sidentin für Frauenstimmrecht in Deutschland gew?hlt. Meine ablehnende Haltung wurde unter allgemeinem Erstaunen als eine Aufgabe des Prinzips betrachtet.
?Sie alle haben ihre ganze Kraft auf die L?sung dieser einen Frage konzentriert,? sagte ich in dem Versuch, mich verst?ndlich zu machen, ?ich bewundere Sie, aber ich kann Ihnen nicht folgen. Das Frauenstimmrecht ist heute für mich nicht mehr das Ziel, für das ich mein Leben einsetze, es ist nur ein Ziel, nur eine Etappe ...?
Man verstand mich nicht, von irgend einer Seite fiel sogar das scharfe Wort: ?... unbrauchbar für praktische Arbeit.?
Gleich nach der Schlu?sitzung des Kongresses wechselte ich mein Domizil. Freunde von Stratford -- ein liberaler Parlamentarier und seine sch?ne elegante Frau -- hatten mich in ihr Haus am Hydepark eingeladen. Alles trug dort den Anstrich ausgesuchtester Vornehmheit: vom Zeremoniell der Lebensweise, dem deutschen Hauslehrer und der franz?sischen Gouvernante bis zu dem würdevollen, glattrasierten Bedienten und dem niedlichen Kammerm?dchen. Hausherr und Hausfrau verstie?en mit keiner Miene und keiner Bewegung gegen die Regeln der guten Gesellschaft, und doch wurde ich den Eindruck nicht los, der uns gegenüber guten Kopien gro?er Meisterwerke oft bef?llt: wir erstaunen über die Technik und vermissen um so schmerzhafter den Geist. Da? Stratford sich hier heimisch fühlte, mit allen Fibern die parfümierte Luft dieser von tausend Nichtigkeiten überladenen Salons einatmete, machte ihn mir noch fremder. Und als ich ihn in der Ethischen Gesellschaft reden h?rte inmitten einer Korona von lauter typischen Vertretern der Geldaristokratie, denen seine Sittenpredigten dieselbe angenehme Emotion boten wie die Moral der biblischen Geschichten den Frommen in der Kirche, da mu?te ich mir seine Briefe, seine Schriften ins Ged?chtnis rufen, um noch Georgs Freund in ihm zu erkennen.
Er ging den Weg, den ich nach dem Wunsche meiner Familie gehen sollte, -- wie würde ich jemals imstande dazu sein?!
?Sie sind sehr ungerecht,? sagte er eines Tages, als ich ihm in meiner heftigen Art, die der Unruhe meines eigenen Innern entsprang, über seine T?tigkeit als ?Modeprediger? Vorwürfe machte. ?Sie kennen mich nur von der einen Seite.? Noch am selben Abend sollte ich die andere kennen lernen.
An der Ecke von zwei engen Stra?en, beim Scheine einer trübe flackernden Laterne sprach er über die Ethik des Sozialismus. Zuerst blieben nur ein paar neugierige Bummler stehen, aber je st?rker seine Stimme von den Mauern widerhallte, desto mehr Menschen sammelten sich um ihn. Müde, zerlumpte Gestalten krochen wie Nachtgespenster aus den Kellern hervor, Hoftüren ?ffneten sich, und umwogt von einer Wolke ekler Gerüche erschienen Frauen mit zerwühlten Zügen, halbwüchsige M?dchen, deren freches Grinsen allm?hlich zuckendem Schluchzen wich. Mit wüstem Geschrei stie?en sich trunkene Burschen aus der n?chsten Kneipe heraus, und nach und nach entzündeten sich Lichter des Verstehens in ihren eben noch bl?d glotzenden Augen. Die Stra?e wurde schwarz vor Menschen. Stratford sprach mit steigender Begeisterung. Um seinen roten Bart tanzten die Lichter der Laternen, seine Augen strahlten vom eigenen Feuer. Ich h?rte kaum, was er sagte, ich sah nur die Wirkung seiner Worte. Aus den vertiertesten Gesichtern brach ein Schein von Menschentum hervor, ein froher Zug von Hoffnung verwischte tiefe Kummerfalten.
Wir gingen schweigsam durch die Nacht nach Hause. Vor der Türe reichte ich ihm die Hand.
?Ich würde Sie nach dem, was ich eben erlebte, um Verzeihung bitten, meiner Vorwürfe wegen, wenn ich nicht grade dadurch wü?te, da? Sie doppelt schuldig sind. Ein Mann wie Sie geh?rt der Sache des Sozialismus, und keiner anderen ...?
?Vielleicht haben Sie recht,? antwortete er leise, ?w?ren nur nicht der Fesseln so viele, die uns an das andere Leben schmiedeten -- --?
?Wir werden sie beide zerbrechen müssen --?
* * * * *
Im Hause meiner Gastfreunde drehte sich das Interesse fast ausschlie?lich um Fragen der Politik. Was für andere Frauen der Gesellschaft der Flirt, die Kunst, die Toilette, das Theater war: Reizmittel für
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