ihm die Erkenntnis seiner Lebensaufgabe und, je nach der Entscheidung, die Kraft zu ihrer Erf��llung. An diesem Punkt begann denn auch mein Leiden.
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Der j��dische Gott war Schemen f��r mich, sowohl in seiner alttestamentarischen Gestalt, unvers?hnlicher Z��rner und Z��chtiger, als auch in der opportunistisch abgekl?rten der modernen Synagoge. Erschreckend sein Bild in den K?pfen der Strenggl?ubigen, nichtssagend in den Andeutungen der Halbrenegaten und Verlegenheitsbekenner.
Wenn meine kindlich-philosophischen Spekulationen den Gottesbegriff zu fassen versuchten, einsames Denken und sp?ter Gespr?che mit einem Freund, entstand ein pantheistisches Wesen ohne Gesicht, ohne Charakter, ohne Tiefe, Resultat von Zeitphrasen, beschworen allein durch das Verlangen nach einer tragenden Idee. In dem Ma?, wie diese Idee sich als unbefriedigend erwies, sei es durch ihre Mittelm??igkeit, sei es durch ihre geahnte Verbrauchtheit, geriet ich in einen nicht minder billigen und fl��ssigen Atheismus, der der Epoche noch gem??er war, dieser Zeit heilloser Verflachung und Verd��nnung, die mit verstandener wie mit mi?verstandener Wissenschaft Idolatrie trieb und ihre ganze Gedankensph?re durch Bildung verf?lschte.
Es war keine leitende Hand f��r mich da, kein F��hrer, kein Lehrer. Ich verlor mich in mannigfacher Hinsicht, auch indem ich nach Halt und Gewicht dort suchte, wo der wahrhafte Mensch ihrer entraten kann. Ich hatte mich in einer sowohl entseelten wie auch entsinnlichten Ordnung zurechtzufinden. Ein derartiger Zustand der Welt bedingt entweder die Zweckhaftigkeit bis in den kalten Rausch der Hirne hinein, oder die Phantasie ger?t in ��berschwellende Bewegung, und das Gem��t verliert den Mittelpunkt. W?re ich nicht als fragender Mensch in sehr fr��hen Jahren nachhaltig eingesch��chtert worden, so h?tte ich Br��cken und ��berg?nge finden k?nnen. Konventionen w?ren wichtig gewesen, leichte und respektierte Formen. Die Mutter war zu bald aus dem Kreis geschwunden, den Vater beraubten Tagesplage und Existenzangst immer mehr des Aufblicks. Er ertrug kaum die auf ihn gerichteten Augen seiner Kinder, denn der Umstand, da? die unabl?ssige Plage ihm, ihm allein, wie er w?hnte, keinen Erfolg brachte, erf��llte ihn mit Scham, und er sah immer aus wie vom b?sen Gewissen gequ?lt. Es war uns geradezu verboten zu fragen, und ��bertretung wurde zuweilen streng geahndet. Daher auch wuchs inneres Unkraut ohne Schranke bei mir. Ich erinnere mich, da? ich in krankhafter Weise an Gespensterfurcht litt, an Menschenfurcht, an Dingfurcht, an Traumfurcht, da? in allem, was mich umgab, eine dunkle Bezauberungsmacht wirkte, stets unheilvoll, stets dem Verh?ngnis zugekehrt, stets darin best?rkt. Ich war oft in einem alten Hause Gast bei einem alten Ehepaare; der Mann war ein Gelehrter; im Zimmer stand ein B��cherschrank, hinter dessen Glast��re die Werke Spinozas in zahlreichen Ausgaben eigent��mliche Verlockung auf mich aus��bten. Als ich eines Tages die Frau bat, mir einen Band zu geben, sagte sie mit sibyllenhafter D��sterkeit, wer diese B��cher lese, werde wahnsinnig. Lange noch behielt der Name Spinoza in meinem Ged?chtnis den Klang und Sinn dieser Worte. So ?hnlich war es auch mit allem Frohen, Spielm??igen, Festlichen, das zu mir wollte, zu dem ich wollte. Es wurde abgedr?ngt, verd?chtigt, verfinstert. Lust durfte nicht sein.
Wir hatten in der Zeit nach dem Tode der Mutter eine treue Magd, die mich gern hatte. Des Abends kauerte sie gew?hnlich vor der Herdstelle und erz?hlte uns Geschichten. Ich entsinne mich, da? sie einmal, als ich ihr besonders ergriffen gelauscht hatte, mich in den Arm nahm und sagte: ?Aus dir k?nnt' ein guter Christ werden, du hast ein christliches Herz!? Ich entsinne mich auch, da? mir dieses Wort Schrecken erregte. Erstens, weil es eine stumme Verurteilung des Judeseins enthielt und damit Nahrung f��r bereits vorhandene Gr��beleien wurde, zweitens, weil der Begriff Christ damals noch ein unheimlicher f��r mich war, halb atavistisch, halb lebensbang Brennpunkt feindlicher Elemente.
In demselben Gef��hl befangen ging ich an Kirchen vorbei, an Bildern des Gekreuzigten, an Kirchh?fen und christlichen Priestern. Uneingestandenen Anziehungen strebten ungewu?te Bluterfahrungen entgegen. Dazu kam das erhorchte Wort eines Erwachsenen, Wort der Klage, der Kritik, der Verfemung, Ausdruck wiederkehrender typischer Erlebnisse, warnend und signalgebend in Redensarten wie im t?glichen Geschehen. Von der andern Seite wieder gen��gte ein pr��fender Blick, ein Achselzucken, ein geringsch?tziges L?cheln, abwartende Geste und Haltung sogar, um Vorsicht zu gebieten und an Un��berbr��ckbares zu mahnen.
Worin aber das Un��berbr��ckbare bestand, konnte ich nicht ergr��nden. Auch als ich sp?ter das Wesentliche daran erfa?te, wies ich es f��r meine Person f��rs erste zur��ck. In der Kindheit waren ich und meine Geschwister so verwirkt in das Alltagsleben der christlichen Handwerker- und Kleinb��rgerwelt, da? wir dort unsere Gespielen hatten, unsere G?nner, Zuflucht in Stunden der Verlassenheit; in Wohnungen der Goldschl?ger, der Schreiner, der Schuster, der B?cker gingen wir aus und ein, am Christfestabend durften wir zur Bescherung kommen und wurden mitbeschenkt. Aber Wachsamkeit und Fremdheit blieben. Ich war Gast, und sie feierten Feste, an denen ich keinen Teil hatte.
Nun war aber das Bestreben meiner Natur gerade darauf gerichtet, nicht Gast zu sein, nicht als Gast betrachtet zu werden. Als gerufener nicht, als aus Mitleid und Gutm��tigkeit geduldeter noch weniger, als einer, der aufgenommen wird,

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