Mary, Erzaehlung | Page 2

Bjornstjerne Bjornson

vorausbestimmt. Der Wald war gross und ueppig und war
gluecklicherweise fruehzeitig unter hollaendische Pflege und
Sparsamkeit geraten, damals als hollaendische Kuffs die Waldbesitzer
in Norwegen aufsuchten. Hier bekamen sie ihre Holzladung und
versorgten die Norweger dafuer mit ihrer Kultur und deren
Erzeugnissen. Krogskog hatte besonderes Glueck dabei; denn vor nun
dreihundert Jahren geschah es, dass der Besitzer eines Kuffs, der in der
Bucht lag und lud, sich in des Bauern blondhaarige Tochter verliebte.
Das Ende vom Liede war, dass er die ganze Herrlichkeit kaufte. Ein

wundervoll gemaltes Bild von ihm und ihr haengt noch in der guten
Stube, der Eckstube nach der Bucht hinaus. Das Portraet zeigt einen
langen, hageren Mann mit ungewoehnlich leuchtenden Augen. Er war
dunkelhaarig und ein wenig krummnackig. Der Stamm muss kraeftig
gewesen sein, denn so sehen die Krogs noch heutigentags aus. Der erste
hollaendische Besitzer hiess nicht Krog; er wohnte auch nicht hier; aber
der Sohn, der den Hof uebernahm, war nach seinem Grossvater
muetterlicherseits Anders Krog getauft, und er nannte seinen Sohn nach
seinem eigenen Vater Hans. Fortan wechselten die beiden Namen
miteinander ab. Wenn noch mehr Soehne da waren, hiess einer Klas
und einer Juerges, woraus im Lauf der Zeit Klaus und Juergen wurde.
Die Mischehen mit den hollaendischen Verwandten setzten sich
naemlich fort, so dass die Familie zu gleichen Teilen hollaendisch und
norwegisch war; der Haushalt wurde lange Zeit ganz hollaendisch
gefuehrt.
Aber es war, als wenn sich die Rassen trotzdem nicht vermischten.
Wahrscheinlich weil das hollaendische Element nicht rein hollaendisch
war,--in diesem Falle haette es sich leichter mit dem norwegischen
Element verschmolzen,--sondern mit spanischem Blut durchsetzt war.
Das schwarze Haar, die leuchtenden Augen, der hagere Koerper
vererbten sich von Glied zu Glied bei den Maennern; das blonde
Element aber und die kraeftig gebaute Gestalt blieb den Frauen eigen;
in ihnen floss norwegisches Blut, vermengt mit hollaendischem. Selten
sah man ein andres Zugestaendnis der maennlichen Linie an die
weibliche oder umgekehrt, als dass helles und dunkles Haar sich in
rotem fanden, oder dass die leuchtenden Augen auch einmal auf ein
Frauenantlitz uebergingen.
Es war eine Eigentuemlichkeit der Familie, dass in allen Ehen mehr
Maedchen als Knaben geboren wurden. Die Krogs waren schoene
Menschen und durchgehend wohlhabend; infolgedessen war die
Familie weitverbreitet und angesehen. Man sagte ihnen nach, sie
hielten ihre Leute und ihre Habe gut zusammen.
Ihnen allen gemeinsam war ein weises Masshalten. In Norwegen ist es
ja allgemein, dass ein Vermoegen nicht durch drei Generationen
besteht. Wird es nicht in der zweiten vergeudet, dann sicherlich in der
dritten. Hier hielt es sich. Fuer den Hauptsitz der Familie waren die
Waelder heute eine ebensolche Quelle des Reichtums wie vor

dreihundert Jahren.
Erblich in der Familie war der Hang zum Wandern. In der Bibliothek
des Hofes waren mehr Reisebeschreibungen als Werke aus anderen
Gebieten, und es wurden ihrer bestaendig mehr. Schon die Kinder
hatten am Reisen Interesse, d.h. sie machten Plaene nach Buechern,
Bildern und Karten. Sie spielten reisen auf den Tischen. Sie wanderten
von der einen Stadt, die aus farbigen Papierhaeusern aufgebaut war, zu
den andern gleicher Art. Sie schoben Schiffe hin und her, die auch aus
buntem Papier waren und die Bohnen, Kaffee, Salz und Hoelzer
fuehrten. Draussen auf der Bucht ruderten, segelten und schwammen
sie von der Landungsbruecke zu den Inseln hinueber. Von Europa nach
Amerika, von Japan nach Ceylon. Oder sie zogen ueber die
Huegelruecken, d.h. ueber die Kordilleren zu den allerdenkwuerdigsten
Indianerstaedten.
Kaum waren sie erwachsen, so ging es auf die Wanderschaft; es fing
meistens mit einer Reise zu den hollaendischen Verwandten an. So
kam vor vielleicht zweihundert Jahren ein Mann dahin, der freilich
sofort mit einem hollaendischen Ostindienfahrer weiterreiste, aber nach
Amsterdam zurueckkehrte in dem Wunsch, Baumeister und Ingenieur
zu werden, was damals zusammengehoerte. Er zeichnete sich aus und
wurde spaeter als Lehrer in seinem Fach nach Kopenhagen berufen. Da
ging er zum Heer ueber und wurde schliesslich General im Geniekorps.
Durch Erbschaft und Arbeit hatte er sich ein Vermoegen erworben,
nahm den Abschied und siedelte sich in Krogskog an, das er einem
kinderlosen Bruder abkaufte. Er nannte sich Hans von Krogh. Er baute
das jetzige Hauptgebaeude aus Stein, eine wenig gebraeuchliche Bauart
in einer norwegischen Waldgemeinde. Der alte Ingenieur wollte seinen
Spass haben. Obwohl er nicht verheiratet war, baute er es geraeumig
"fuer die Kommenden." Alle Haeuser des Gehoefts baute er um; er
grub und pflanzte; er liess einen Gaertner aus Holland kommen, den
alten Siemens, von dessen strengem Wesen und heissem Streben nach
Reinlichkeit und Ordnung noch heute berichtet wird. Fuer ihn baute der
General das Treibhaus und die Gaertnerwohnung.
Der General wurde sehr alt. Nach ihm geschah nichts Besonderes, bis
der Juengere von zwei Bruedern nach Amerika ging und sich dicht am
Michigansee ansiedelte, wo damals noch Neuland war. Das wurde als
ein grosses Ereignis angesehen. Er hiess Anders Krog, und es ging ihm

gut da drueben.
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