Leben und Tod des Königs Johann | Page 4

William Shakespeare
ritterlicher Magen angefüllt ist, nun dann saug' ich an meinen
Zähnen, und catechisire meinen Spizbart aus fremden Ländern-- (Mein

werther Herr), (so fang ich auf meinen Ellenbogen gestüzt an,) (darf ich
euch bitten)--das ist nun die Frage; und dann kommt gleich die Antwort
wie ein ABC-Buch: (O mein Herr,) sagt die Antwort, (ich bin gänzlich
zu euerm Befehl, zu euern Diensten, ganz der Eurige, mein Herr--Nein,
mein Herr,)sagt die Frage, (ich, mein werthester Herr, bin der
Eurige;)und so, eh die Antwort recht gehört hat was die Frage will,
wartet sie euch schon mit einem Dialogus von Complimenten auf,
spricht dann von Alpen und Apenninen, von den Pyrenäen und dem
Flusse Po, und weiß das Gespräch so lange hinaus zu ziehen, bis es
vom Abend-Essen abgebrochen wird. Das ist polite Gesellschaft, die
sich für einen emporstrebenden Geist, wie der meinige, schikt! Denn
der ist nur ein Bastard der Zeit, der die Kunst nicht versteht sich beliebt
zu machen, und nicht nur in seiner äusserlichen Gestalt, in seinem
Aufzug und in seinen Manieren, dem Geschmak seiner Zeit
schmeichelt; sondern auch aus einer innerlichen Quelle den süssen,
süssen, süssen Gift, der den Gaumen der Leute so reizend küzelt, von
sich zu geben weiß. Eine Kunst, die ich zwar nicht ausüben will, um
andre zu betrügen, aber die ich zu lernen gedenke, damit ich von
andern nicht betrogen werde. Sie soll die Stuffen meiner Erhöhung mit
Blumen bestreuen. Aber wer kommt hier so eilfertig, in Reit-Kleidern?
Was für ein weiblicher Courier ist diß? Hat sie keinen Mann, der die
Müh nehmen mag, ein Horn vor ihr her zu blasen? Himmel, es ist
meine Mutter! Nun, meine werthe Lady, was bringt euch so eilfertig
nach Hofe?
{ed.-* Es ist bekannt, daß damals alle Welt auf Abentheuer ausgieng,
und gereißte Leute in größtem Ansehn stuhnden, und, wie bey unsern
Nachbarn die (Beaux-Esprits), das Recht hatten, sich bey grossen
Herren zu Gaste zu laden.}

Vierte Scene. (Lady Faulconbridge, und Jacob Gurney treten auf.)
Lady. Wo ist der Sclave, dein Bruder; wo ist er, der sich erfrecht meine
Ehre öffentlich anzutasten?
Philipp. Mein Bruder Robert, des alten Sir Roberts Sohn, Colbrand, der
Riese, der nemliche gewaltige Mann; ist es Sir Robert's Sohn, den ihr
sucht?
Lady. Sir Roberts Sohn? Ja, du unehrerbietiger Junge, Sir Roberts Sohn;
warum spottest du über Sir Roberten?

Philipp. Jacob Gurney, willt du so gut seyn, und uns ein wenig allein
lassen?
Gurney. Von Herzen gerne, mein lieber Philipp.
Philipp. Philipp!--Verschone mich, Jacob; es sind kurzweilige Dinge
heraus gekommen; hernach ein mehrers davon.
(Jacob geht ab.)
Gnädige Frau, ich war nie des alten Sir Roberts Sohn; Sir Robert hätte
seinen Theil an mir an einem Charfreytag essen können, ohne daß er
seine Fasten gebrochen hätte. Sir Robert war ein ganz wakrer Mann;
aber, meiner Treu, bekennt die Wahrheit! Hätt' er mich machen können?
Das konnte Sir Robert nicht; wir kennen seine Arbeit. Sagt mir also,
liebe Mutter, wem bin ich für diese Figur verpflichtet? Sir Robert
konnte nimmermehr so ein Bein machen helfen?
Lady. Hast du dich auch mit deinem Bruder wider mich verschworen?
Du, der um deines eignen Vortheils willen meine Ehre vertheidigen
sollte? Was soll dieses Gespötte bedeuten, du höchst unbesonnener
Bube?
Philipp. Ritter, Ritter, liebe Mutter--und Basilisco* ähnlich. Wie? ich
bin zum Ritter geschlagen; ich hab es auf meiner Schulter. Aber Mutter,
ich bin nicht Sir Roberts Sohn; ich hab auf Sir Robert und meine Güter
Verzicht gethan; ehliche Geburt, Name, alles ist hin; laß mich also,
liebe Mutter, laß mich meinen Vater kennen; irgend ein wakrer Mann,
hoff ich; wer war es, Mutter?
{ed.-* Eine Anspielung auf den Beynamen (Coeur de Lion), den König
Richard führte. (Cor Leonis), ein Fixstern von der ersten Grösse im
Löwen, wird auch Basilisco genennt. Warbürton.}
Lady. Hast du dem Namen Faulconbridge entsagt?
Philipp. So herzlich, als ich dem Teufel entsage.
Lady. König Richard, (Coeur de Lion), war dein Vater; durch
langwieriges und heftiges Zusezen ward ich endlich verführt, in meines
Ehmanns Bette Plaz für ihn zu machen. Der Himmel vergebe mir
meine Übertretung! Aber du bist die Frucht meiner schweren Sünde, zu
der ich so stark gereizt wurde, daß ich nicht länger wiederstehen
konnte.
Philipp. Nun, bey diesem Tageslicht, wenn ich wieder gezeugt werden
sollte, Madame, wollt' ich mir keinen bessern Vater wünschen. Einige
Sünden tragen ihre Lossprechung auf Erden mit sich; Euer Fehler

entsprang nicht aus eurer Thorheit; ihr mußtet nothgedrungen euer Herz
als einen Tribut für gebietende Liebe, demjenigen ausliefern, gegen
dessen Wuth und unbezwingbare Stärke der unerschrokne Löwe selbst
keinen Kampf wagen durfte, noch sein königliches Herz vor Richards
Hand schüzen konnte. Wer einem Löwen mit Gewalt das Herz aus dem
Leibe reissen kan, mag leicht ein weibliches Herz gewinnen. Ja, meine
Mutter, von ganzem Herzen dank ich dir für meinen Vater. Wenn
jemand lebt, der sich erfrecht zu sagen, daß du nicht
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