er das Bild selbst anredet: "Durstest du denn best?ndig nach dem Blute deiner Kinder? Ist denn immer ein neuer Jason, immer eine neue Kreusa da, die dich unaufh?rlich erbittern?--Zum Henker mit dir auch im Gem?lde!" setzt er voller Verdru? hinzu.
{1. Philippus (Anthol. lib. IV. cap. 9. ep. 10).
Aiei gar diyaV brejewn jonon; h tiV Ihswn DeuteroV, h Glaukh tiV pali soi projasiV; Erre kai en khrv paidoktone--}
Von dem rasenden Ajax des Timomachus l??t sich aus der Nachricht des Philostrats urteilen 2). Ajax erschien nicht, wie er unter den Herden wütet, und Rinder und B?cke für Menschen fesselt und mordet. Sondern der Meister zeigte ihn, wie er nach diesen wahnwitzigen Heldentaten ermattet dasitzt, und den Anschlag fasset, sich selbst umzubringen. Und das ist wirklich der rasende Ajax; nicht weil er eben itzt raset, sondern weil man siehet, da? er geraset hat; weil man die Gr??e seiner Raserei am lebhaftesten aus der verzweiflungsvollen Scham abnimmt, die er nun selbst darüber empfindet. Man siehet den Sturm in den Trümmern und Leichen, die er an das Land geworfen.
{2. Vita Apoll. lib. II. cap. 22.}
IV.
Ich übersehe die angeführten Ursachen, warum der Meister des Laokoon in dem Ausdrucke des k?rperlichen Schmerzes Ma? halten müssen, und finde, da? sie allesamt von der eigenen Beschaffenheit der Kunst, und von derselben notwendigen Schranken und Bedürfnissen hergenommen sind. Schwerlich dürfte sich also wohl irgendeine derselben auf die Poesie anwenden lassen.
Ohne hier zu untersuchen, wie weit es dem Dichter gelingen kann, k?rperliche Sch?nheit zu schildern: so ist so viel unstreitig, da?, da das ganze unerme?liche Reich der Vollkommenheit seiner Nachahmung offen stehet, diese sichtbare Hülle, unter welcher Vollkommenheit zu Sch?nheit wird, nur eines von den geringsten Mitteln sein kann, durch die er uns für seine Personen zu interessieren wei?. Oft vernachl?ssiget er dieses Mittel g?nzlich; versichert, da? wenn sein Held einmal unsere Gewogenheit gewonnen, uns dessen edlere Eigenschaften entweder so besch?ftigen, da? wir an die k?rperliche Gestalt gar nicht denken, oder, wenn wir daran denken, uns so bestechen, da? wir ihm von selbst wo nicht eine sch?ne, doch eine gleichgültige erteilen. Am wenigsten wird er bei jedem einzeln Zuge, der nicht ausdrücklich für das Gesicht bestimmt ist, seine Rücksicht dennoch auf diesen Sinn nehmen dürfen. Wenn Virgils Laokoon schreiet, wem f?llt es dabei ein, da? ein gro?es Maul zum Schreien n?tig ist, und da? dieses gro?e Maul h??lich l??t? Genug, da? clamores horrendos ad sidera tollit ein erhabner Zug für das Geh?r ist, mag er doch für das Gesicht sein, was er will. Wer hier ein sch?nes Bild verlangt, auf den hat der Dichter seinen ganzen Eindruck verfehlt.
Nichts n?tiget hiern?chst den Dichter sein Gem?lde in einen einzigen Augenblick zu konzentrieren. Er nimmt jede seiner Handlungen, wenn er will, bei ihrem Ursprunge auf, und führet sie durch alle m?gliche Ab?nderungen bis zu ihrer Endschaft. Jede dieser Ab?nderungen, die dem Künstler ein ganzes besonderes Stück kosten würde, kostet ihm einen einzigen Zug; und würde dieser Zug, für sich betrachtet, die Einbildung des Zuh?rers beleidigen, so war er entweder durch das Vorhergehende so vorbereitet, oder wird durch das Folgende so gemildert und vergütet, da? er seinen einzeln Eindruck verlieret, und in der Verbindung die trefflichste Wirkung von der Welt tut. W?re es also auch wirklich einem Manne unanst?ndig, in der Heftigkeit des Schmerzes zu schreien; was kann diese kleine überhingehende Unanst?ndigkeit demjenigen bei uns für Nachteil bringen, dessen andere Tugenden uns schon für ihn eingenommen haben? Virgils Laokoon schreiet, aber dieser schreiende Laokoon ist eben derjenige, den wir bereits als den vorsichtigsten Patrioten, als den w?rmsten Vater kennen und lieben. Wir beziehen sein Schreien nicht auf seinen Charakter, sondern lediglich auf sein unertr?gliches Leiden. Dieses allein h?ren wir in seinem Schreien; und der Dichter konnte es uns durch dieses Schreien allein sinnlich machen.
Wer tadelt ihn also noch? Wer mu? nicht vielmehr bekennen: wenn der Künstler wohl tat, da? er den Laokoon nicht schreien lie?, so tat der Dichter ebenso wohl, da? er ihn schreien lie??
Aber Virgil ist hier blo? ein erz?hlender Dichter. Wird in seiner Rechtfertigung auch der dramatische Dichter mitbegriffen sein? Einen andern Eindruck macht die Erz?hlung von jemands Geschrei; einen andern dieses Geschrei selbst. Das Drama, welches für die lebendige Malerei des Schauspielers bestimmt ist, dürfte vielleicht eben deswegen sich an die Gesetze der materiellen Malerei strenger halten müssen. In ihm glauben wir nicht blo? einen schreienden Philoktet zu sehen und zu h?ren; wir h?ren und sehen wirklich schreien. Je n?her der Schauspieler der Natur k?mmt, desto empfindlicher müssen unsere Augen und Ohren beleidiget werden; denn es ist unwidersprechlich, da? sie es in der Natur werden, wenn wir so laute und heftige ?u?erungen des Schmerzes vernehmen. Zudem ist der k?rperliche Schmerz überhaupt des Mitleidens nicht f?hig, welches andere übel erwecken. Unsere Einbildung kann zu wenig in ihm unterscheiden, als da? die blo?e Erblickung desselben etwas von einem gleichm??igen Gefühl in uns hervorzubringen

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