Kritik der reinen Vernunft (2nd edition) | Page 5

Immanuel Kant
unserer Wi?begierde nicht blo? verl??t, sondern durch Vorspiegelungen hinh?lt und am Ende betr��gt! Oder ist er bisher nur verfehlt; welche Anzeige k?nnen wir benutzen, um bei erneuertem Nachsuchen zu hoffen, da? wir gl��cklicher sein werden, als andere vor uns gewesen sind?
Ich sollte meinen, die Beispiele der Mathematik und Naturwissenschaft, die durch eine auf einmal zustande gebrachte Revolution das geworden sind, was sie jetzt sind, w?re merkw��rdig genug, um dem wesentlichen St��cke der Um?nderung der Denkart, die ihnen so vorteilhaft geworden ist, nachzusinnen, und ihnen, soviel ihre Analogie, als Vernunfterkenntnisse, mit der Metaphysik verstattet, hierin wenigstens zum Versuche nachzuahmen. Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis m��sse sich nach den Gegenst?nden richten, aber alle Versuche ��ber sie a priori etwas durch Begriffe auszumachen, wodurch unsere Erkenntnis erweitert w��rde, gingen unter dieser Voraussetzung zunichte. Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser fortkommen, da? wir annehmen, die Gegenst?nde m��ssen sich nach unserem Erkenntnis richten, welches so schon besser mit der verlangten M?glichkeit einer Erkenntnis derselben a priori zusammenstimmt, die ��ber Gegenst?nde, ehe sie und gegeben werden, etwas festsetzen soll. Es ist hiermit ebenso, als mit den ersten Gedanken des Kopernikus bewandt, der, nachdem es mit der Erkl?rung der Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternenheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen m?chte, wenn er den Zuschauer sich drehen, und dagegen die Sterne in Ruhe lie?. In der Metaphysik kann man nun, was die Anschauung der Gegenst?nde betrifft, es auf ?hnliche Weise versuchen. Wenn die Anschauung sich nach der Beschaffenheit der Gegenst?nde richten m��?te, so sehe ich nicht ein, wie man a priori von ihr etwas wissen k?nne; richtet sich aber der Gegenstand (als Objekt der Sinne) nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsverm?gens, so kann ich mir diese M?glichkeit ganz wohl vorstellen. Weil ich aber bei diesen Anschauungen, wenn sie Erkenntnisse werden sollen, nicht stehen bleiben kann, sondern sie als Vorstellungen auf irgend etwas als Gegenstand beziehen und diesen durch jene bestimmen mu?, so kann ich entweder annehmen, die Begriffe, wodurch ich diese Bestimmung zustande bringe, richten sich auch nach dem Gegenstande, und dann bin ich wiederum in derselben Verlegenheit, wegen der Art, wie ich a priori hiervon etwas wissen k?nne; oder ich nehme an, die Gegenst?nde oder, welches einerlei ist, die Erfahrung, in welcher sie allein (als gegebene Gegenst?nde) erkannt werden, richte sich nach diesen Begriffen, so sehe ich sofort eine leichtere Auskunft, weil Erfahrung selbst eine Erkenntnisart ist, die Verstand erfordert, dessen Regel ich in mir, noch ehe mir Gegenst?nde gegeben werden, mithin a priori voraussetzen mu?, welche in Begriffen a priori ausgedr��ckt wird, nach denen sich also alle Gegenst?nde der Erfahrung notwendig richten und mit ihnen ��bereinstimmen m��ssen. Was Gegenst?nde betrifft, sofern sie blo? durch Vernunft und zwar notwendig gedacht, die aber (so wenigstens, wie die Vernunft sie denkt) gar nicht in der Erfahrung gegeben werden k?nnen, so werden die Versuche sie zu denken (denn denken m��ssen sie sich doch lassen), hernach einen herrlichen Probierstein desjenigen abgeben, was wir als die ver?nderte Methode der Denkungsart annehmen, da? wir n?mlich von den Dingen nur das a priori erkennen, was wir selbst in sie legen.*
* Diese dem Naturforscher nachgeahmte Methode besteht also darin: die Elemente der reinen Vernunft in dem zu suchen, was sich durch ein Experiment best?tigen oder widerlegen l??t. Nun l??t sich zur Pr��fung der S?tze der reinen Vernunft, vornehmlich wenn sie ��ber alle Grenze m?glicher Erfahrung hinaus gewagt werden, kein Experiment mit ihren Objekten machen (wie in der Naturwissenschaft): also wird es nur mit Begriffen und Grunds?tzen, die wir a priori annehmen, tunlich sein, indem man sie n?mlich so einrichtet, da? dieselben Gegenst?nde einerseits als Gegenst?nde der Sinne und des Verstandes f��r die Erfahrung, andererseits aber doch als Gegenst?nde, die man blo? denkt, allenfalls f��r die isolierte und ��ber Erfahrungsgrenze hinausstrebende Vernunft, mithin von zwei verschiedenen Seiten betrachtet werden k?nnen. Findet es sich nun, da?, wenn man die Dinge aus jenem doppelten Gesichtspunkte betrachtet, Einstimmung mit dem Prinzip der reinen Vernunft stattfinde, bei einerlei Gesichtspunkte aber ein unvermeidlicher Widerstreit der Vernunft mit sich selbst entspringe, so entscheidet das Experiment f��r die Richtigkeit jener Unterscheidung.
Dieser Versuch gelingt nach Wunsch, und verspricht der Metaphysik in ihrem ersten Teile, da sie sich n?mlich mit Begriffen a priori besch?ftigt, davon die korrespondierenden Gegenst?nde in der Erfahrung jenen angemessen gegeben werden k?nnen, den sicheren Gang einer Wissenschaft. Denn man kann nach dieser Ver?nderung der Denkart die M?glichkeit einer Erkenntnis a priori ganz wohl erkl?ren, und, was noch mehr ist, die Gesetze, welche a priori der Natur, als dem Inbegriffe der Gegenst?nde der Erfahrung, zum Grunde liegen, mit ihren genugtuenden Beweisen versehen, welches beides nach der bisherigen Verfahrungsart unm?glich war. Aber es ergibt sich aus dieser Deduktion unseres Verm?gens a priori zu erkennen, im ersten Teile der Metaphysik ein befremdliches
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