Kritik der reinen Vernunft (2nd edition) | Page 3

Immanuel Kant
Erkenntnisse, die zum Vernunftgesch?fte geh?ren, den sicheren Gang einer Wissenschaft gehe oder nicht, das l??t sich bald aus dem Erfolg beurteilen. Wenn sie nach viel gemachten Anstalten und Zur��stungen, sobald es zum Zweck kommt, in Stecken ger?t, oder, um diesen zu erreichen, ?fters wieder zur��ckgehen und einen andern Weg einschlagen mu?; imgleichen wenn es nicht m?glich ist, die verschiedenen Mitarbeiter in der Art, wie die gemeinschaftliche Absicht erfolgt werden soll, einhellig zu machen: so kann man immer ��berzeugt sein, da? ein solches Studium bei weitem noch nicht den sicheren Gang einer Wissenschaft eingeschlagen, sondern ein blo?es Herumtappen sei, und es ist schon ein Verdienst um die Vernunft, diesen Weg wom?glich ausfindig zu machen, sollte auch manches als vergeblich aufgegeben werden m��ssen, was in dem ohne ��berlegung vorher genommenen Zwecke enthalten war.
Da? die Logik diesen sicheren Gang schon von den ?ltesten Zeiten her gegangen sei, l??t sich daraus ersehen, da? sie seit dem Aristoteles keinen Schritt r��ckw?rts hat tun d��rfen, wenn man ihr nicht etwa die Wegschaffung einiger entbehrlicher Subtilit?ten, oder deutlichere Bestimmung des Vorgetragenen als Verbesserungen anrechnen will, welches aber mehr zur Eleganz, als zur Sicherheit der Wissenschaft geh?rt. Merkw��rdig ist noch an ihr, da? sie auch bis jetzt keinen Schritt vorw?rts hat tun k?nnen, und also allem Ansehen nach geschlossen und vollendet zu sein scheint. Denn, wenn einige Neuere sie dadurch zu erweitern dachten, da? sie teils psychologische Kapitel von den verschiedenen Erkenntniskr?ften (der Einbildungskraft, dem Witze), teils metaphysische ��ber den Ursprung der Erkenntnis oder der verschiedenen Art der Gewi?heit nach Verschiedenheit der Objekte (dem Idealismus, Skeptizismus usw.), teils anthropologische von Vorurteilen (den Ursachen derselben und Gegenmitteln) hineinschoben, so r��hrt dieses von ihrer Unkunde der eigent��mlichen Natur dieser Wissenschaft her. Es ist nicht Vermehrung, sondern Verunstaltung der Wissenschaften, wenn man ihre Grenzen ineinander laufen l??t; die Grenze der Logik aber ist dadurch ganz genau bestimmt, da? sie eine Wissenschaft ist, welche nichts als die formalen Regeln alles Denkens (es mag a priori oder empirisch sein, einen Ursprung oder Objekt haben, welches es wolle, in unserem Gem��te zuf?llige oder nat��rliche Hindernisse antreffen) ausf��hrlich darlegt und strenge beweist.
Da? es der Logik so gut gelungen ist, diesen Vorteil hat sie blo? ihrer Eingeschr?nktheit zu verdanken, dadurch sie berechtigt, ja verbunden ist, von allen Objekten der Erkenntnis und ihrem Unterschiede zu abstrahieren, und in ihr also der Verstand es mit nichts weiter, als sich selbst und seiner Form, zu tun hat. Weit schwerer mu?te es nat��rlicherweise f��r die Vernunft sein, den sicheren Weg der Wissenschaft einzuschlagen, wenn sie nicht blo? mit sich selbst, sondern auch mit Objekten zu schaffen hat; daher jene auch als Prop?deutik gleichsam nur den Vorhof der Wissenschaften ausmacht, und wenn von Kenntnissen die Rede ist, man zwar eine Logik zur Beurteilung derselben voraussetzt, aber die Erwerbung derselben in eigentlich und objektiv so genannten Wissenschaften suchen mu?.
Sofern in diesen nun Vernunft sein soll, so mu? darin etwas a priori erkannt werden, und ihre Erkenntnis kann auf zweierlei Art auf ihren Gegenstand bezogen werden, entweder diesen und seinen Begriff (der anderweitig gegeben werden mu?) blo? zu bestimmen, oder ihn auch wirklich zu machen. Die erste ist theoretische, die andere praktische Erkenntnis der Vernunft. Von beiden mu? der reine Teil, soviel oder sowenig er auch enthalten mag, n?mlich derjenige, darin Vernunft g?nzlich a priori ihr Objekt bestimmt, vorher allein vorgetragen werden, und dasjenige, was aus anderen Quellen kommt, damit nicht vermengt werden, denn es gibt ��ble Wirtschaft, wenn man blindlings ausgibt, was einkommt, ohne nachher, wenn jene in Stecken ger?t, unterscheiden zu k?nnen, welcher Teil der Einnahme den Aufwand tragen k?nne, und von welcher man denselben beschneiden mu?.
Mathematik und Physik sind die beiden theoretischen Erkenntnisse der Vernunft, welche ihre Objekte a priori bestimmen sollen, die erstere ganz rein, die zweite wenigstens zum Teil rein, dann aber auch nach Ma?gabe anderer Erkenntnisquellen als der der Vernunft.
Die Mathematik ist von den fr��hesten Zeiten her, wohin die Geschichte der menschlichen Vernunft reicht, in dem bewundernsw��rdigen Volke der Griechen den sicheren Weg einer Wissenschaft gegangen. Allein man darf nicht denken, da? es ihr so leicht geworden, wie der Logik, wo die Vernunft es nur mit sich selbst zu tun hat, jenen k?niglichen Weg zu treffen, oder vielmehr sich selbst zu bahnen; vielmehr glaube ich, da? es lange mit ihr (vornehmlich noch unter den ?gyptern) beim Herumtappen geblieben ist, und diese Um?nderung einer Revolution zuzuschreiben sei, die der gl��ckliche Einfall eines einzigen Mannes in einem Versuche zustande brachte, von welchem an die Bahn, die man nehmen mu?te, nicht mehr zu verfehlen war, und der sichere Gang einer Wissenschaft f��r alle Zeiten und in unendliche Weiten eingeschlagen und vorgezeichnet war. Die Geschichte dieser Revolution der Denkart, welche viel wichtiger war, als die Entdeckung des Weges um das ber��hmte Vorgebirge, und des Gl��cklichen, der sie zustande brachte, ist uns nicht aufbehalten. Doch beweist die Sage, welche Diogenes der Laertier
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