Katharina von Bora - Geschichtliches Lebensbild | Page 4

D. Albrecht Thoma
erhielten; und auf ihre Einsegnung konnte sie nur 30 Groschen spenden, w?¤hrend neue Nonnen wohl 100 oder wenigstens 40 Groschen opferten. Bei ihrer Heirat konnte sie keine Mitgift in die Ehe bringen[19].
So ist also Katharina von Bora a€” wo es auch sei a€” in gar engen Verh?¤ltnissen aufgewachsen, und wenn man sich das junge M?¤dchen etwa als zartes Ritterfr?¤ulein am Burgfenster mit dem Stickrahmen oder als J?¤gerin auf stolzem Zelter vorstellen wollte, so g?¤be das ein gar falsches Bild. Wir haben sie uns vielmehr zu denken wie eine junge Bauerntochter auf dem Hofgut schaltend und waltend, der Mutter an die Hand gehend in der Wirtschaft, zugleich als die Aelteste, vielleicht als einziges T??chterlein, auch eine gewisse Selbst?¤ndigkeit und Herrschergabe entfaltend, wie sie sich sp?¤ter in der reifen Frau entwickelt zeigt.
Freilich ein wirkliches anschauliches Bild ihrer Kindheit zu entwerfen verm??gen wir nicht, dazu fehlen alle Anhaltspunkte, alle Formen und Farben. Wir m??gen dies bestimmte Bild aus der ersten Jugendzeit, in die wir uns bei einem Menschenleben so gerne versenken, bei Katharina schmerzlich vermissen, da sich die ganze Umgebung, der Hintergrund der Landschaft und selbst die notwendige Staffage von Vater und Mutter und alles, was auf ein junges Menschenkind einwirkt, bis auf die Namen verwischen und verschwinden, w?¤hrend zum Beispiel bei ihrem Gatten, dem Doktor Luther, Elternhaus, Vater, Mutter, Geschwister, Gespielen, Heimat und Schule so deutlich und plastisch sich herausheben, da?? sie ein gar lebendiges und farbenreiches Gem?¤lde geben. Aber man kann sich doch auch wieder ??ber diesen Mangel leicht tr??sten.
Denn wie es scheint, sind die Eltern beide fr??h gestorben. Sobald Katharina ins Licht der Geschichte tritt mit ihrer Heirat, ja schon bei ihrer Entweichung aus dem Kloster, ist jede Spur von ihnen verschwunden: die Eltern erscheinen nicht bei ihrer Hochzeit, wie die Eltern von Luther; sie werden um ihre Einwilligung nicht gefragt, worauf doch Luther sonst so gro??es Gewicht legt; ja sie kommen schon nicht in Betracht bei der Flucht aus dem Kloster, als es sich um eine Unterkunft handelt; und auch w?¤hrend der ganzen Klosterzeit kommt Vater und Mutter nicht zum Vorschein, wie es doch oftmals bei Klosterjungfrauen der Fall ist. Vielleicht ist gerade der Eltern fr??her Tod f??r Katharina die Veranlassung gewesen, so bald ins Kloster einzutreten.
Wie dem aber auch sei, die geistige Entwicklung des jungen Fr?¤uleins f?¤llt nicht in das Elternhaus. Denn sehr fr??h kam Katharina von daheim fort und ihre bewu??te Jugendzeit verbrachte sie fern von der Heimat im Jungfrauen-Stift.
So f?¤llt Katharinas Eintritt, obwohl sie 15 Jahre j??nger war, etwa in dieselbe Zeit, als der Erfurter Magister Martin Luther die Studien verlie?? und in das Kloster der Augustiner ging.

2. Kapitel
Im Kloster.
Wenn heutzutage ein armes M?¤dchen aus besseren St?¤nden versorgt werden soll, das nicht auf gro??e Mitgift und darum auf Verheiratung rechnen und somit dem nat??rlichen weiblichen Beruf, dem Familienleben, voraussichtlich entsagen mu??, so kommt es in eine Anstalt und bildet sich zur Lehrerin oder dergleichen aus. Im Mittelalter kam so ein armes Fr?¤ulein, dessen Ausstattung die schmalen Erbg??ter der Stammhalter und Schwestern noch mehr geschm?¤lert h?¤tte, zur Versorgung ins Kloster. Die alten Kl??ster (der Benediktiner, Cisterzienser, Bernhardiner) wurden so Versorgungsanstalten[20]. Es waren adelige Stifter, fromme Anstalten der Vorfahren, worin a€?ehrsamea€? (d.h. adelige) Jungfrauen Gott dienen und f??r die Seelen der Lebenden und Verstorbenen beten sollten[21]. Statt des jetzigen a€?geistigena€? Berufs zum Wirken in der Welt f??r lebendige Menschen diente damals der a€?geistlichea€? Beruf zur Verehrung Gottes und der Heiligen, zum ewigen Seelenheil der Lebenden, namentlich aber der toten Anverwandten im Fegefeuer. Statt der heutigen freien und doch nicht immer freiwilligen Entschlie??ung zu einem selbstgew?¤hlten Beruf, der freilich immer nur bedingungsweise und auf Zeit ergriffen wird, galt es damals die a€?ewigea€? unwiderrufliche a€?Vergel??bdunga€? auf Lebenszeit; statt der a€?Emanzipationa€?, welche einer au??er dem Familienleben stehenden Jungfrau heute mehr oder weniger wartet, harrte ihrer damals die a€?Klausura€?, die Einschlie??ung in die Klostermauern in einem streng geschlossenen Verband, dem a€?Ordena€?, unter dem straffen Bande der a€?Regela€?, der Klostersatzungen.
Nach Begabung und Neigung zu diesem geistlichen Beruf wurde da wenig gefragt, und es konnte auch keine R??cksicht darauf genommen werden[22]. Dazu war in diesen Zeiten die elterliche Autorit?¤t, namentlich ??ber T??chter, viel zu gro??, und der Familiensinn in solchen adeligen H?¤usern war ein zu stark ausgepr?¤gter, als da?? sich ein Glied in individueller Neigung gegen das Herkommen und die Familiensitte wie gegen die Forderungen der Existenzbedingungen seines Geschlechts aufgelehnt h?¤tte. Nach den kirchlichen Bestimmungen galt der Grundsatz: a€?Einen M??nch macht entweder die elterliche Vergel??bdung oder die eigene Einwilligunga€?[23], also in erster Linie die Bestimmung der Eltern! Diese hielten es eben f??r eine standesgem?¤??e Versorgung und zugleich f??r einen a€?guten seligen Standa€?, wie eine Nonne aus dieser Zeit erkl?¤rt[24].
Zudem wurden die T??chter in einem Alter in das Stift gethan, wo von einer Willensentscheidung gar keine Rede sein konnte[25]. Die M?¤dchen waren noch Kinder. Der Eintritt konnte schon im sechsten Lebensjahr geschehen; viele kamen auch
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