sogleich bemerkte, dass es das Innere von
verschimmeltem Brot sei, das, den Jägern ungenießbar, mit gutem
Humor ausgeschnitten und zu Verzierung der Mauer ausgebreitet
worden.
Hier gab es nun sogleich Gelegenheit, von der, seitdem wir in
Feindesland eingetreten, immer wieder zur Sprache kommenden
Vergiftung zu reden; welche freilich ein kriegendes Heer mit
panischem Schrecken erfüllt, indem nicht allein jede vom Wirt
angebotene Speise, sondern auch das selbstgebackene Brot verdächtig
wird, dessen innerer, schnell sich entwickelnder Schimmel ganz
natürlichen Ursachen zuzuschreiben ist.
Es war den 1. September früh um acht Uhr, als das Bombardement
aufhörte, ob man gleich noch immerfort Kugeln hinüber und herüber
wechselte. Besonders hatten die belagerten einen
Vierundzwanzig-Pfünder gegen uns gekehrt, dessen sparsame Schüsse
sie mehr zum Scherz als Ernst verwendeten.
Auf der freien Höhe zur Seite der Weinberge, grad' im Angesicht dieses
gröbsten Geschützes, waren zwei Husaren zu Pferd aufgestellt, um
Stadt und Zwischenraum aufmerksam zu beobachten. Diese blieben die
Zeit ihrer Postierung über unangefochten. Weil aber bei der Ablösung
sich nicht allein die Zahl der Mannschaft vermehrte, sondern auch
manche Zuschauer grad' in diesem Augenblick herbeiliefen und ein
tüchtiger Klump Menschen zusammenkam, so hielten jene ihre Ladung
bereit. Ich stand in diesem Augenblick mit dem Rücken dem ungefähr
hundert Schritt entfernten Husaren- und Volkstrupp zugekehrt, mich
mit einem Freund besprechend, als auf einmal der grimmige,
pfeifend-schmetternde Ton hinter mir hersauste, so dass ich mich auf
dem Absatz herumdrehte, ohne sagen zu können, ob der Ton, die
bewegte Luft, eine innere psychische, sittliche Anregung dieses
Umkehren hervorgebracht. Ich sah die Kugel, weit hinter der
auseinander gestobenen Menge, noch durch einige Zäune
rikoschettieren. Mit großem Geschrei lief man ihr nach, als sie
aufgehört hatte, furchtbar zu sein; niemand war getroffen, und die
Glücklichen, die sich dieser runden Eisenmasse bemächtigt, trugen sie
im Triumph umher.
Gegen Mittag wurde die Stadt zum zweiten Mal aufgefordert und erbat
sich vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit. Diese nutzten auch wir, uns
etwas bequemer einzurichten, um zu proviantieren, die Gegend umher
zu bereiten, wobei ich denn nicht unterließ, mehrmals zu der
unterrichtenden Quelle zurückzukehren, wo ich meine Beobachtungen
ruhiger und besonnener anstellen konnte; denn das Wasser war rein
ausgefischt und hatte sich vollkommen klar und ruhig gesetzt, um das
Spiel der niedersinkenden Flämmchen nach Lust zu wiederholen, und
ich befand mich in der angenehmsten Gemütsstimmung. Einige
Unglücksfälle versetzten uns wieder bald in Kriegszustand.
Ein Offizier von der Artillerie suchte sein Pferd zu tränken, der
Wassermangel in der Gegend war allgemein; meine Quelle, an der er
vorbei ritt, lag nicht flach genug, er begab sich nach der nahe
fließenden Maas, wo er an einem abhängigen Ufer versank: das Pferd
hatte sich gerettet, ihn trug man tot vorbei.
Kurz darauf sah und hörte man eine starke Explosion im
österreichischen Lager, an dem Hügel, zu dem wir hinaufsehen konnten;
Knall und Dampf wiederholte sich einige Mal. Bei einer
Bombenfüllung war durch Unvorsichtigkeit Feuer entstanden, das
höchste Gefahr drohte; es teilte sich schon gefüllten Bomben mit, und
man hatte zu fürchten, der ganze Vorrat möcht ein die Luft gehen. Bald
aber war die Sorge gestillt durch rühmliche Tat kaiserlicher Soldaten,
welche, die bedrohende Gefahr verachtend, Pulver und gefüllte
Bomben aus dem Zeltraum eilig hinaustrugen.
So ging auch dieser Tag hin. Am andern Morgen ergab sich die Stadt
und ward in Besitz genommen; sogleich aber sollte uns ein
republikanischer Charakterzug begegnen. Der Kommandant
Beaurepaire, bedrängt von der bedrängten Bürgerschaft, die bei
fortdauerndem Bombardement ihre ganze Stadt verbrannt und zerstört
sah, konnte die Übergabe nicht länger verweigern; als er aber auf dem
Rathaus in voller Sitzung seine Zustimmung gegeben hatte, zog er ein
Pistole hervor und erschoss sich, um abermals ein Beispiel höchster
patriotischer Aufopferung darzustellen.
Nach dieser so schnellen Eroberung von Verdun zweifelte niemand
mehr, dass wir bald darüber hinausgelangen und in Chalons und
Epernay uns von den bisherigen Leiden an gutem Weine bestens
erholen sollten. Ich ließ daher ungesäumt die Jägerischen Karten,
welche den Weg nach Paris bezeichneten, zerschneiden und sorgfältig
aufziehen, auch auf die Rückseite weißes Papier kleben, wie ich es
schon bei der ersten getan, um kurze Tagesbemerkungen flüchtig
aufzuzeichnen.
Den 3. September.
Früh hatte sich eine Gesellschaft zusammengefunden, nach der Stadt zu
reiten, an die ich mich anschloss. Wir fanden gleich beim Eintritt große
frühere Anstalten, die auf einen längeren Widerstand hindeuteten: das
Straßenpflaster war in der Mitte durchaus aufgehoben und gegen die
Häuser angehäuft; das feuchte Wetter machte deshalb das
Umherwandeln nicht erfreulich. Wir besuchten aber sogleich die
namentlich gerühmten Läden, wo der beste Likör aller Art zu haben
war. Wir probierten ihn durch und versorgten uns mit mancherlei
Sorten. Unter andern war einer namens Baume humain, welcher,
weniger süß, aber stärker, ganz besonders erquickte. Auch die Drageen,
überzuckerte kleine Gewürzkörner in saubern, zylindrischen Deuten,
wurden nicht abgewiesen. Bei so vielem Guten gedachte man nun der
lieben Zurückgelassenen, denen dergleichen am friedlichen Ufer der
Ilm gar wohl behagen möchte.
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