Kabale und Liebe | Page 9

Friedrich von Schiller
sie das Herz nicht haben, andrer Meinung als ich zu sein?--Weg mit ihnen! Es ist verdrie?lich, ein Ro? zu reiten, das nicht auch in den Zügel bei?t. (Sie tritt zum Fenster.)
Sophie. Aber den Fürsten werden Sie doch ausnehmen, Lady? Den sch?nsten Mann--den feurigsten Liebhaber--den witzigsten Kopf in seinem ganzen Lande!
Lady (kommt zurück). Denn es ist sein Land--und nur ein Fürstenthum, Sophie, kann meinem Geschmack zur ertr?glichen Ausrede dienen--Du sagst, man beneide mich. Armes Ding! Beklagen soll man mich vielmehr! Unter Allen, die an den Brüsten der Majest?t trinken, kommt die Favoritin am schlechtesten weg, weil sie allein dem gro?en und reichen Mann auf dem Bettelstabe begegnet--Wahr ist's, er kann mit dem Talisman seiner Gr??e jeden Gelust meines Herzens, wie ein Feenschlo?, aus der Erde rufen.--Er setzt den Saft von zwei Indien auf die Tafel--ruft Paradiese aus Wildnissen--l??t die Quellen seines Landes in stolzen B?gen gen Himmel springen, oder das Mark seiner Unterthanen in einem Feuerwerk hinpuffen--Aber kann er auch seinem Herzen befehlen, gegen ein gro?es, feuriges Herz gro? und feurig zu schlagen? Kann er sein darbendes Gehirn auf ein einziges sch?nes Gefühl exequieren?--Mein Herz hungert bei all dem Vollauf der Sinne; und was helfen mich tausend be?re Empfindungen, wo ich nur Wallungen l?schen darf?
Sophie (blickt sie verwundernd an). Wie lang ist es denn aber, da? ich Ihnen diene, Milady?
Lady. Weil du erst heute mit mir bekannt wirst?--Es ist wahr, liebe Sophie--ich habe dem Fürsten meine Ehre verkauft; aber mein Herz habe ich frei behalten--ein Herz, meine Gute, das vielleicht eines Mannes noch werth ist--über welches der giftige Wind des Hofes nur wie der Hauch über den Spiegel ging--Trau' es mir zu, meine Liebe, da? ich es l?ngst gegen diesen armseligen Fürsten behauptet h?tte, wenn ich es nur von meinem Ehrgeiz erhalten k?nnte, einer Dame am Hof den Rang vor mir einzur?umen.
Sophie. Und dieses Herz unterwarf sich dem Ehrgeiz so gern?
Lady (lebhaft). Als wenn es sich nicht schon ger?cht h?tte?--Nicht jetzt noch r?chte?--Sophie! (Bedeutend, indem sie die Hand auf Sophiens Achsel fallen l??t.) Wir Frauenzimmer k?nnen nur zwischen Herrschen und Dienen w?hlen, aber die h?chste Wonne der Gewalt ist doch nur ein elender Behelf, wenn uns die gr??ere Wonne versagt wird, Sklavinnen eines Mannes zu sein, den wir lieben.
Sophie. Eine Wahrheit, Milady, die ich von Ihnen zuletzt h?ren wollte!
Lady. Und warum, meine Sophie? Sieht man es denn dieser kindischen Führung des Scepters nicht an, da? wir nur für das G?ngelband taugen? Sahst du es denn diesem launischen Flattersinn nicht an--diesen wilden Erg?tzungen nicht an, da? sie nur wildere Wünsche in meiner Brust überl?rmen sollten?
Sophie (tritt erstaunt zurück). Lady!
Lady (lebhafter). Befriedige diese! Gib mir den Mann, den ich jetzt denke--den ich anbete--sterben, Sophie, oder besitzen mu?. (Schmelzend.) La? mich aus seinem Mund es vernehmen, da? Thr?nen der Liebe sch?ner gl?nzen in unsern Augen, als die Brillanten in unserm Haar, (feurig) und ich werfe dem Fürsten sein Herz und sein Fürstenthum vor die Fü?e, fliehe mit diesem Mann, fliehe in die entlegenste Wüste der Welt-Sophie (blickt sie erschrocken an). Himmel! Was machen Sie? Wie wird Ihnen, Lady?
Lady (bestürzt). Du entf?rbst dich?--Hab' ich vielleicht etwas zu viel gesagt? O so la? mich deine Zunge mit meinem Zutrauen binden--h?re noch mehr--h?re Alles-Sophie (schaut sich ?ngstlich um). Ich fürchte, Milady--ich fürchte--ich brauch' es nicht mehr zu h?ren.
Lady. Die Verbindung mit dem Major--Du und die Welt stehen im Wahn, sie sei eine Hof-Kabale--Sophie--err?the nicht--sch?me dich meiner nicht--sie ist das Werk--meiner Liebe!
Sophie. Bei Gott! Was mir ahnete!
Lady. Sie lie?en sich beschwatzen, Sophie--der schwache Fürst--der hofschlaue Walter--der alberne Marschall--Jeder von ihnen wird darauf schw?ren, da? diese Heirath das unfehlbarste Mittel sei, mich dem Herzog zu retten, unser Band um so fester zu knüpfen!--Ja! es auf ewig zu trennen! auf ewig diese sch?ndlichen Ketten zu brechen! --Belogene Lügner! Von einem schwachen Weib überlistet! Ihr selbst führt mir jetzt meinen Geliebten zu! Das war es ja nur, was ich wollte--Hab' ich ihn einmal--hab' ich ihn--o dann auf immer gute Nacht, abscheuliche Herrlichkeit-

Zweite Scene.
Ein alter Kammerdiener des Fürsten, der ein Schmuckk?stchen tr?gt. Die Vorigen.
Kammerdiener. Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Milady zu Gnaden und schicken Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit. Sie kommen so eben erst aus Venedig.
Lady (hat das K?stchen ge?ffnet und f?hrt erschrocken zurück). Mensch! was bezahlt dein Herzog für diese Steine?
Kammerdiener (mit finsterm Gesicht). Sie kosten ihn keinen Heller!
Lady. Was? Bist du rasend? Nichts?--und (indem sie einen Schritt von ihm wegtritt) du wirfst mir ja einen Blick zu, als wenn du mich durchbohren wolltest--Nichts kosten ihn diese unerme?lich kostbaren Steine?
Kammerdiener. Gestern sind siebentausend Landskinder nach Amerika fort--die bezahlen Alles.
Lady (setzt den Schmuck pl?tzlich nieder und geht rasch durch den Saal, nach einer Pause zum Kammerdiener). Mann! Was ist dir? Ich glaube, du weinst?
Kammerdiener (wischt sich die Augen, mit schrecklicher Stimme, alle Glieder zitternd). Edelsteine, wie diese da--ich hab' auch ein paar S?hne drunter.
Lady (wendet sich bebend weg, seine Hand fassend).
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