Neue Testament.
Durch das Lesen deutscher Dichter bem?chtigte sich seiner, wie er in sp?tern Jahren gestand, "eine unbeschreibliche Reim- und Versewuth." In dem Kreise seiner Jugendfreunde fanden seine poetischen Versuche gro?en Beifall. Um so mehr fand sich seine jugendliche Eitelkeit gekr?nkt, als einer seiner Mitsch��ler durch h?chst mittelm??ige Verse ihm seinen Dichterruhm streitig zu machen suchte. Dar��ber entr��stet, stockte seine poetische Fruchtbarkeit ziemlich lange, bis ihn sein erwachtes Selbstgef��hl und eine von seinen Lehrern mit Beifall aufgenommene Probearbeit ��ber seine Anlagen und F?higkeiten beruhigte.
Reiche Nahrung f��r seine Wi?begierde fand Goethe in dem Orbus pictus, in Merians Kupferbibel, in der Acerra philologica und ?hnlichen Werken, die damals die Stelle einer noch nicht vorhandenen Kinderbibliothek vertraten. Ovids Metamorphosen machten ihn mit der Mythologie bekannt. Seine Phantasie ward dadurch vielfach angeregt zu allerlei poetischen Entw��rfen. Eine wohlth?tige Wirkung auf sein Gem��th verdankte er den moralischen Schilderungen in Fenelon's Telemach. Unterhaltung und Belehrung sch?pfte er ais Robinson Crusoe und aus der Insel Felsenburg. Aus dem romantischen Gebiet ward er wieder in die Wirklichkeit zur��ckgef��hrt durch die anziehenden Schilderungen in Anton's Reise um die Welt. Ein Zufall verhalf ihm in dem Laden eines Antiquars zum Besitz einer Reihe mannigfacher Schriften. Darunter befanden sich der Eulenspiegel, die vier Haimonskinder, die sch?ne Magelone, der Kaiser Octavian, Fortunatus und ?hnliche Volksb��cher.
Dieser anmuthigen Lect��re mu?te Goethe, als sie kaum begonnen, wieder entsagen. Er ward von den Blattern befallen, und brachte unter einem heftigen Fieber mehrere Tage beinahe blind zu. Die Aeu?erung einer seiner Tanten: "Ach, Wolfgang, wie h??lich bist Du geworden?" kr?nkte ihn um so mehr, da die Blattern auf seinem Gesicht durchaus keine Spur zur��ckgelassen hatten. Auch von den Masern blieb er nicht verschont, und hatte dadurch Gelegenheit, sich im Stoicismus zu ��ben. Einigen Trost gew?hrte es ihm, da? er auf seinem Krankenlager an seinem j��ngern Bruder Jacob, der in der Bl��the seiner Jahre starb, einen Leidensgef?hrten hatte.
Seines Vaters Strenge n?thigte ihn, durch verdoppelte Unterrichtsstunden das w?hrend der Krankheit Vers?umte wieder nachzuholen. Die Wohnung seiner Gro?eltern und ein daran sto?ender Garten in der Friedberger Stra?e bot ihm dann und wann einen Zufluchtsort, sich seinen Lectionen zu entziehen. Besonders angenehm war ihm auch der Aufenthalt in dem Laden seiner Tante, Maria Melber, der Gattin eines Gew��rzh?ndlers, die ihn mit allerlei Naschwerk beschenkte. Ihre Schwester war mit dem Pfarrer und Consistorialrath Stark verheiratet, in dessen Bibliothek ein anderer geistiger Genu? sich ihm darbot. In der B��chersammlung jenes gelehrten Mannes fand Goethe eine prosaische Uebersetzung des Homer. Dieser Dichter und bald nachher Virgil machten einen tiefen und bleibenden Eindruck auf das poetisch gestimmte Gem��th des Knaben.
Weniger befriedigte sein Herz die trockene Moral, die ihm der bisher ertheilte Religionsunterricht gepredigt hatte. Er ward irre an den christlichen Dogmen. Entzweit mit seinen religi?sen Begriffen, kam ihm der sonderbare Gedanke, nach dem Beispiel der Separatisten, Herrnhuter und anderer Secten, mit dem h?chsten Wesen, das er aus seinem Walten in der Natur l?ngst erkannt, sich in eine Art von unmittelbarer Verbindung zu setzen, und demselben nach alttestamentlicher Weise einen Altar zu errichten. Dazu benutzte er ein rothlakirtes, mit goldnen Blumen verziertes Musikpult, auf welchem er mehrere R?ucherkerzen anz��ndete. Das Andachtsopfer stieg empor, mi?lang jedoch bei der Wiederholung durch einen ungl��cklichen Zufall so g?nzlich, da? die damit verbundene Feuersgefahr ihn warnte, in solcher Weise wieder dem h?chsten Wesen sich zu n?hern.
Aus den friedlichen und ruhigen Zust?nden, in denen Goethe seine Kindheit verlebt hatte, ward er aufgeschreckt durch den Ausbruch des siebenj?hrigen Krieges im Jahr 1756. Er war damals acht Jahre alt. Was er von Friedrich II und seiner Pers?nlichkeit erz?hlen geh?rt, begeisterte ihn. Er schrieb sich die Kriegslieder ab, durch welche Gleim unter der Maske eines preu?ischen Grenadiers die Heldenthaten des gro?en K?nigs verherrlichte. Seinen Lieblingshelden verkleinern zu h?ren, war ihm ein unertr?gliches Gef��hl. Als sich nach einigen Jahren durch die Theilnahme Frankreichs der Kriegsschauplatz bis in die N?he Frankfurts zu ziehen drohte, hatte die? f��r Goethe die Folge, da? er weniger, als bisher, das elterliche Haus verlassen durfte.
Unter mannichfachen Besch?ftigungen griff er wieder nach den Figuren des Puppenspiels, das er von seiner Gro?mutter zum Geschenk erhalten hatte. Mit H��lfe einiger Jugendgespielen ward das fr��here Drama, f��r welches die Puppen hinreichten, mehrmals vorgestellt. Die Garderobe und die Decorationen nach und nach zu ver?ndern, war eine Lieblingsbesch?ftigung des Knaben. Sein Versuch, gr??ere St��cke ufzuf��hren [aufzuf��hren], scheiterte jedoch an dem beschr?nkten Schauplatz. Unter diesen Umst?nden leistete ihm ein Bedienter seines Vaters wesentliche Dienste, indem er ihm Panzer und R��stungen verfertigen half. Goethe und seine Gespielen erg?tzten sich eine Zeitlang an den gegenseitigen Parteiungen und Gefechten, die mitunter in ernsthafte H?ndel ausarteten, bei denen es ohne derbe Schl?ge nicht abging.
Durch einen andern Zeitvertreib, durch das Talent, M?hrchen zu erz?hlen, die er meist selbst erfunden, empfahl sich Goethe seinen Jugendfreunden. Eins dieser M?hrchen, "der neue Paris" betitelt, hat sich in Goethe's gesammelten Werken erhalten. Er bediente sich dabei des Kunstgriffs, in
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