Da nun zugleich das Land abfällt, so kömmt man fort mit
unglaublicher Schnelle, die gegen den böhmischen Schneckengang
recht absticht. Beiliegendes Blättchen benennt die verschiedenen
Stationen. Genug, ich war den andern Morgen um zehn Uhr in
Regensburg und hatte also diese vierundzwanzig und eine halbe Meile
in einunddreißig Stunden zurückgelegt. Da es anfing, Tag zu werden,
befand ich mich zwischen Schwanendorf und Regenstauf, und nun
bemerkte ich die Veränderung des Ackerbodens ins Bessere. Es war
nicht mehr Verwitterung des Gebirgs, sondern aufgeschwemmtes,
gemischtes Erdreich. Den Regenfluß herauf hatte in uralten Zeiten
Ebbe und Flut aus dem Donautal in alle die Täler gewirkt, die
gegenwärtig ihre Wasser dorthin ergießen, und so sind diese
natürlichen Polder entstanden, worauf der Ackerbau gegründet ist.
Diese Bemerkung gilt in der Nachbarschaft aller größern und kleinern
Flüsse, und mit diesem Leitfaden kann der Beobachter einen schnellen
Aufschluß über jeden der Kultur geeigneten Boden erlangen.
Donau bei Regensburg. Zeichnung von Goethe
Regensburg liegt gar schön. Die Gegend mußte eine Stadt herlocken;
auch haben sich die geistlichen Herren wohl bedacht. Alles Feld um die
Stadt gehört ihnen, in der Stadt steht Kirche gegen Kirche und Stift
gegen Stift. Die Donau erinnert mich an den alten Main. Bei Frankfurt
haben Fluß und Brücke ein besseres Ansehn, hier aber nimmt sich das
gegenüberliegende Stadt am Hof recht artig aus. Ich verfügte mich
gleich in das Jesuitenkollegium, wo das jährliche Schauspiel durch
Schüler gegeben ward, sah das Ende der Oper und den Anfang des
Trauerspiels. Sie machten es nicht schlimmer als eine angehende
Liebhabertruppe und waren recht schön, fast zu prächtig gekleidet.
Auch diese öffentliche Darstellung hat mich von der Klugheit der
Jesuiten aufs neue überzeugt. Sie verschmähten nichts, was irgend
wirken konnte, und wußten es mit Liebe und Aufmerksamkeit zu
behandeln. Hier ist nicht Klugheit, wie man sie sich in Abstracto denkt,
es ist eine Freude an der Sache dabei, ein Mit--und Selbstgenuß, wie er
aus dem Gebrauche des Lebens entspringt. Wie diese große geistliche
Gesellschaft Orgelbauer, Bildschnitzer und Vergulder unter sich hat, so
sind gewiß auch einige, die sich des Theaters mit Kenntnis und
Neigung annehmen, und wie durch gefälligen Prunk sich ihre Kirchen
auszeichnen, so bemächtigen sich die einsichtigen Männer hier der
weltlichen Sinnlichkeit durch ein anständiges Theater.
Heute schreibe ich unter dem neunundvierzigsten Grade. Er läßt sich
gut an. Der Morgen war kühl, und man klagt auch hier über Nässe und
Kälte des Sommers; aber es entwickelte sich ein herrlicher gelinder Tag.
Die milde Luft, die ein großer Fluß mitbringt, ist ganz etwas Eigenes.
Das Obst ist nicht sonderlich. Gute Birnen hab' ich gespeist; aber ich
sehne mich nach Trauben und Feigen.
Der Jesuiten Tun und Wesen hält meine Betrachtungen fest. Kirchen,
Türme, Gebäude haben etwas Großes und Vollständiges in der Anlage,
das allen Menschen insgeheim Ehrfurcht einflößt. Als Dekoration ist
nun Gold, Silber, Metall, geschliffene Steine in solcher Pracht und
Reichtum gehäuft, der die Bettler aller Stände blenden muß. Hier und
da fehlt es auch nicht an etwas Abgeschmacktem, damit die Menschheit
versöhnt und angezogen werde. Es ist dieses überhaupt der Genius des
katholischen äußeren Gottesdienstes; noch nie habe ich es aber mit so
viel Verstand, Geschick und Konsequenz ausgeführt gesehen als bei
den Jesuiten. Alles trifft darin überein, daß sie nicht wie andere
Ordensgeistliche eine alte abgestumpfte Andacht fortsetzten, sondern
sie dem Geist der Zeit zuliebe durch Prunk und Pracht wieder
aufstutzten.
Ein sonderbar Gestein wird hier zu Werkstücken verarbeitet, dem
Scheine nach eine Art Totliegendes, das jedoch für älter, für
ursprünglich, ja für porphyrartig gehalten werden muß. Es ist grünlich
mit Quarz gemischt, löcherig, und es finden sich große Flecke des
festesten Jaspis darin, in welchem sich wieder kleine runde Flecken von
Breccienart zeigen. Ein Stück war gar zu instruktiv und appetitlich, der
Stein aber zu fest, und ich habe geschworen, mich auf dieser Reise
nicht mit Steinen zu schleppen.
München, den 6. September.
Den fünften September halb ein Uhr Mittag reiste ich von Regensburg
ab. Bei Abach ist eine schöne Gegend, wo die Donau sich an
Kalkfelsen bricht, bis gegen Saale. Es ist der Kalk wie der bei Osteroda
am Harz, dicht, aber im ganzen löcherig. Um sechs Uhr morgens war
ich in München, und nachdem ich mich zwölf Stunden umgesehen, will
ich nur weniges bemerken. In der Bildergalerie fand ich mich nicht
einheimisch; ich muß meine Augen erst wieder an Gemälde gewöhnen.
Es sind treffliche Sachen. Die Skizzen von Rubens von der
Luxemburger Galerie haben mir große Freude gemacht.
Hier steht auch das vornehme Spielwerk, die Trajanische Säule in
Modell. Der Grund Lapislazuli, die Figuren verguldet. Es ist immer ein
schön Stück Arbeit, und man betrachtet es gern.
Im Antikensaale konnte ich recht bemerken, daß meine Augen auf
diese Gegenstände nicht geübt sind, deswegen wollte ich nicht
verweilen und Zeit verderben. Vieles sprach mich gar nicht an, ohne
daß ich sagen könnte warum. Ein Drusus
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