List gewohnt,
Zur Falle
vor die Fuesse; zwischen uns
Sei Wahrheit!
Ich bin Orest! und
dieses schuld'ge Haupt
Senkt nach der Grube sich und sucht den Tod;
In jeglicher Gestalt sei er willkommen!
Wer du auch seist, so
wuensch' ich Rettung dir
Und meinem Freunde; mir wuensch' ich sie
nicht.
Du scheinst hier wider Willen zu verweilen;
Erfindet Rath
zur Flucht und lasst mich hier.
Es stuerze mein entseelter Leib vom
Fels,
Es rauche bis zum Meer hinab mein Blut,
Und bringe Fluch
dem Ufer der Barbaren!
Geht ihr, daheim im schoenen Griechenland
Ein neues Leben freundlich anzufangen.
(Er entfernt sich.)
Iphigenie.
So steigst du denn, Erfuellung, schoenste Tochter
Des
groessten Vaters, endlich zu mir nieder!
Wie ungeheuer steht dein
Bild vor mir!
Kaum reicht mein Blick dir an die Haende, die
Mit
Furcht und Segenskraenzen angefuellt
Die Schaetze des Olympus
niederbringen.
Wie man den Koenig an dem uebermass
Der Gaben
kennt: denn ihm muss wenig scheinen
Was Tausenden schon
Reichthum ist; so kennt
Man euch, ihr Goetter, an gesparten, lang
Und weise zubereiteten Geschenken.
Denn ihr allein wisst was uns
frommen kann,
Und schaut der Zukunft ausgedehntes Reich,
Wenn
jedes Abends Stern- und Nebelhuelle
Die Aussicht uns verdeckt.
Gelassen hoert
Ihr unser Flehn, das um Beschleunigung
Euch
kindisch bittet; aber eure Hand
Bricht unreif nie die goldnen
Himmelsfruechte;
Und wehe dem, der ungeduldig sie
Ertrotzend
saure Speise sich zum Tod
Geniesst. O lasst das lang erwartete,
Noch kaum gedachte Glueck nicht, wie den Schatten
Des
abgeschiednen Freundes, eitel mir
Und dreifach schmerzlicher
voruebergehn!
Orest (tritt wieder zu ihr).
Rufst du die Goetter an fuer dich und
Pylades,
So nenne meinen Namen nicht mit eurem.
Du rettest den
Verbrecher nicht, zu dem
Du dich gesellst, und theilest Fluch und
Noth.
Iphigenie.
Mein Schicksal ist an deines fest gebunden.
Orest.
Mit nichten! Lass allein und unbegleitet
Mich zu den Todten
gehn. Verhuelltest du
In deinen Schleier selbst den Schuldigen;
Du
birgst ihn nicht vor'm Blick der Immerwachen,
Und deine Gegenwart,
du Himmlische,
Draengt sie nur seitwaerts und verscheucht sie nicht.
Sie duerfen mit den ehrnen frechen Fuessen
Des heil'gen Waldes
Boden nicht betreten;
Doch hoer' ich aus der Ferne hier und da
Ihr
graessliches Gelaechter. Woelfe harren
So um den Baum, auf den ein
Reisender
Sich rettete. Da draussen ruhen sie
Gelagert; und verlass'
ich diesen Hain,
Dann steigen sie, die Schlangenhaeupter schuettelnd,
Von allen Seiten Staub erregend auf
Und treiben ihre Beute vor
sich her.
Iphigenie.
Kannst du, Orest, ein freundlich Wort vernehmen?
Orest.
Spar' es fuer einen Freund der Goetter auf.
Iphigenie.
Sie geben dir zu neuer Hoffnung Licht.
Orest.
Durch Rauch und Qualm seh' ich den matten Schein
Des
Todtenflusses mir zur Hoelle leuchten.
Iphigenie.
Hast du Elektren, Eine Schwester nur?
Orest.
Die Eine kannt' ich; doch die aelt'ste nahm
Ihr gut Geschick,
das uns so schrecklich schien,
Bei Zeiten aus dem Elend unsers
Hauses.
O lass dein Fragen, und geselle dich
Nicht auch zu den
Erinnyen; sie blasen
Mir schadenfroh die Asche von der Seele,
Und
leiden nicht, dass sich die letzten Kohlen
Von unsers Hauses
Schreckensbrande still
In mir verglimmen. Soll die Gluth denn ewig,
Vorsaetzlich angefacht, mit Hoellenschwefel
Genaehrt, mir auf der
Seele marternd brennen?
Iphigenie.
Ich bringe suesses Rauchwerk in die Flamme.
O lass den
reinen Hauch der Liebe dir
Die Gluth des Busens leise wehend
kuehlen.
Orest, mein Theurer, kannst du nicht vernehmen?
Hat das
Geleit der Schreckensgoetter so
Das Blut in deinen Adern
aufgetrocknet?
Schleicht, wie vom Haupt der graesslichen Gorgone,
Versteinernd dir ein Zauber durch die Glieder?
O wenn
vergoss'nen Mutterblutes Stimme
Zur Hoell' hinab mit dumpfen
Toenen ruft;
Soll nicht der reinen Schwester Segenswort
Huelfreiche Goetter von Olympus rufen?
Orest.
Es ruft! es ruft! So willst du mein Verderben!
Verbirgt in dir
sich eine Rachegoettin?
Wer bist du, deren Stimme mir entsetzlich
Das Innerste in seinen Tiefen wendet?
Iphigenie.
Es zeigt sich dir im tiefsten Herzen an:
Orest, ich bin's!
Sieh Iphigenien!
Ich lebe!
Orest.
Du!
Iphigenie.
Mein Bruder!
Orest.
Lass! Hinweg!
Ich rathe dir, beruehre nicht die Locken!
Wie von
Kreusa's Brautkleid zuendet sich
Ein unausloeschlich Feuer von mir
fort.
Lass mich! Wie Hercules will ich Unwuerd'ger
Den Tod voll
Schmach, in mich verschlossen, sterben.
Iphigenie.
Du wirst nicht untergehn! O dass ich nur
Ein ruhig Wort
von dir vernehmen koennte!
O loese meine Zweifel, lass des
Glueckes,
Des lang erflehten, mich auch sicher werden.
Es waelzet
sich ein Rad von Freud' und Schmerz
Durch meine Seele. Von dem
fremden Manne
Entfernet mich ein Schauer; doch es reisst
Mein
Innerstes gewaltig mich zum Bruder.
Orest.
Ist hier Lyaeens Tempel? und ergreift
Unbaendig-heil'ge
Wuth die Priesterin?
Iphigenie.
O hoere mich! O sieh mich an, wie mir
Nach einer
langen Zeit das Herz sich oeffnet,
Der Seligkeit, dem Liebsten, was
die Welt
Noch fuer mich tragen kann, das Haupt zu kuessen,
Mit
meinen Armen, die den leeren Winden
Nur ausgebreitet waren, dich
zu fassen!
O lass mich! Lass mich! Denn es quillet heller
Nicht
vom Parnass die ew'ge Quelle sprudelnd
Von Fels zu Fels in's goldne
Thal hinab,
Wie Freude mir vom Herzen wallend fliesst,
Und wie
ein selig Meer mich rings umfaengt.
Orest! Orest! Mein Bruder!
Orest.
Schoene Nymphe,
Ich traue dir und deinem Schmeicheln nicht.
Diana fordert strenge Dienerinnen
Und raechet das entweihte
Heiligthum.
Entferne deinen Arm von meiner Brust!
Und wenn du
einen Juengling rettend lieben,
Das schoene Glueck ihm zaertlich
bieten willst,
So wende meinem Freunde dein Gemueth,
Dem
wuerd'gern Manne zu. Er irrt umher
Auf jenem Felsenpfade; such' ihn
auf,
Weis' ihn zurecht und schone meiner.
Iphigenie.
Fasse
Dich, Bruder, und erkenne die Gefundne!
Schilt einer
Schwester reine Himmelsfreude
Nicht unbesonnene, strafbare Lust.
O nehmt den
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