Im Schatten der Titanen

Lily Braun
Im Schatten der Titanen, by Lily
Braun

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Title: Im Schatten der Titanen Erinnerungen an Baronin Jenny von
Gustedt
Author: Lily Braun

Release Date: October 28, 2006 [eBook #19653]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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SCHATTEN DER TITANEN***
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IM SCHATTEN DER TITANEN
Erinnerungen an Baronin Jenny von Gustedt
von
LILY BRAUN

77.-84. Tausend Deutsche Verlags-Anstalt/Stuttgart 1918
Mit vier Porträts und zwei Faksimile-Reproduktionen
Alle Rechte vorbehalten Druck der Deutschen Verlags-Anstalt in
Stuttgart

Inhalt
Seite
Einleitung 7
Aus Bonapartes Stamm 15
Jerome Napoleon 17 Diana von Pappenheim 46 Briefe von Jerome
Napoleon und Gräfin Pauline Schönfeld an Jenny von Pappenheim 57
Unter Goethes Augen 77
Jennys Kindheit 79 Goethe 89 Freundschaft und Liebe 106
Der Leidensweg der Mutter 237
Im stillen Winkel 239 Im Strome der Welt 315
Ausleben 343

Wieder daheim 345 Dem Ende entgegen 378
Anmerkungen 421
Register 427

Einleitung
Im Jahre 1890 starb Jenny von Gustedt, deren Leben diese Blätter
schildern sollen. Sie war die letzte Zeugin einer großen Zeit, ihre
Gestalt war geweiht und verklärt durch Goethes Freundschaft. Unter
dem Titel "Aus Goethes Freundeskreise" gab ich ein Jahr nach ihrem
Tode ihre Erinnerungen und hinterlassenen Papiere heraus. Sie sind
auch diesmal die Grundlage des vorliegenden Buches. Aber es ist nicht
dasselbe wie damals. Es ist äußerlich und innerlich ein anderes
geworden. Das gilt nicht nur in bezug auf die Anordnung des Stoffes,
sondern auch in bezug auf den Inhalt, der sich um vieles bereichert und
manchen für die Öffentlichkeit uninteressanten Ballast verloren hat.
Auch die Gestalt, die im Mittelpunkt des Buches steht, Jenny von
Gustedt, meine geliebte Großmutter, erscheint verändert. Ihr Bild, das
die junge Enkelin noch nicht zu erkennen vermochte, weil sie jenes
Sehen noch nicht gelernt hatte, das sich nur auf den vielverschlungenen
Pfaden eigenen Lebens lernen läßt, dessen Wiedergabe daher mißlingen
mußte, weil all die mannigfaltigen Farbentöne ihr fehlten, die nur durch
persönliche Erfahrungen zu gewinnen sind, tritt jetzt lebendiger hervor.
Wie die Menschheit stets erst nach und nach zu ihren großen Führern
heranreift und ihnen in Geist und Herzen Altäre baut, lange nachdem
sie ihre Standbilder auf ihren Gräbern in Erz und Marmor errichtet hat,
so werden die Toten jedes einzelnen Menschenlebens ihm auch erst mit
der Reihe der Jahre vertraut und wahrhaft lebendig.
Wohl war meine Großmutter mir von klein auf Schutzgeist und
Leitstern des Lebens, bei ihr fand ich Verständnis für alles, was mich
bewegte; fremd war mir die eigene Mutter im Vergleich zu ihr. "Wie
mein das Kind ist, könnt ihr nicht glauben," schrieb sie, als ich kaum
fünf Jahre alt war. Aber erst jetzt, nachdem sie lange in der Erde ruht,

nachdem ich Weib und Mutter geworden bin, nachdem die "Krallen des
Lebens", von denen sie die Narben trug, sich auch mir ins Fleisch
geschlagen haben, verstehe ich sie ganz. Ich weiß nun aber auch, was
ich ihr schuldig bin: Wahrheit. Nicht nur die Wahrheit, die ich erst im
Laufe der Jahre erkannte, sondern auch die, die ich, unter dem Einfluß
konventioneller Familienmoralbegriffe, bei der ersten Ausgabe des
Buches zu verhüllen gezwungen war.
Von Kindheit an verwob sich mir das Bild meiner Großmutter mit dem
jener Titanen, die an der Schwelle des neunzehnten Jahrhunderts die
Welt beherrscht hatten: Goethes und Napoleons. Wenn andere Kinder,
der Ahne zu Füßen sitzend, den alten trauten Märchen lauschen, die sie
erzählt, so ward ich nicht müde, den Lebensmärchen ihrer Jugend
zuzuhören. Von Weimars Glanzzeit sprach sie mir, von vielen kleinen
Dingen und Erlebnissen, die groß wurden, weil das Licht des
Goethenamens sie umgab, von den Menschen der Zeit, die wie ein
anderes Geschlecht von da an in meiner Erinnerung lebten, von dem
Großen, Herrlichen selbst, dessen Haus ihr eine Heimat war und Zeit
ihres Lebens ihres Geistes Heimat geblieben ist. Als ich älter wurde,
war sie es, die mir Goethes Lebenswerk erschloß; aus dem alten blauen
Band der "Iphigenie", den er ihr geschenkt hatte, tönten zuerst seine
Worte an mein Ohr. Schauer der Ehrfurcht ließen mein Herz erzittern,
wie sie dann der Fünfzehnjährigen den schmalen Goldreif an den
Finger steckte, der stets ihr liebstes Angebinde aus des Dichters Hand
gewesen war. Wenige Jahre später, während einer langen
Genesungszeit nach schwerer Krankheit, wo ein junges Ding, wie sie
sagte, so leicht auf törichte Gedanken kommt, sandte sie mir ihre
schriftlichen Aufzeichnungen, für die sie bei ihren Kindern ein
Interesse nicht voraussetzen konnte. Sie schrieb dazu:
Lablacken, 22./11.
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