Huttens Letzte Tage | Page 3

Conrad Ferdinand Meyer
Tod gelacht.
XI Der Ritter ohne Furcht und Tadel
Als in Pavia ich studierte, ward?Mir dort gezeigt der tapfre Held Bayard.?Der "Ritter ohne Furcht", der nie geflohn,?Befehligte die welsche Garnison.
Nach l?ngst verschollnen Moden trug er sich,?Er und sein Knappe schritten feierlich.
Die abgekommne Cortesie erhob?Er hoch und seufzt': "Das junge Volk ist grob!"
Entgegen hielt den Spiegel zücht'ger Zeit?Er unsrer heut'gen Ungebundenheit.
Zu Grabe werde, gab er zu verstehn,?Mit ihm der letzte wahre Ritter gehn.
Lang, hager, würdevoll, galant mit Fraun,?Dabei ein bi?chen komisch anzuschaun,
Hob er den Zeigefinger, wann er schalt,?Als eine unvergleichliche Gestalt.
Man grü?te tief und raunte sich ins Ohr,?Der "Ritter ohne Tadel" sei ein Tor.
Doch, da? ich sein gespottet, reut mich schwer;?Denn, Hutten, bist du nicht ein Tor wie er?
Ins Abendgold hat er zurückgeschaut--?Dein Auge sp?ht, wo kaum der Morgen graut.
Dein Ohr vernimmt durch Nebel und durch Nacht?Den Siegesjubel einer künft'gen Schlacht.
Wie Mittagsglut hast du den Strahl verspürt,?Der kaum der Berge Spitzen noch berührt.
Bayard sah das Entschwundene versch?nt,?Bayard, den du mit manchem Witz verh?hnt!
Er war ein Narr der eignen Phantasie--?Die Zukunft aber, Hutten, kennst du die?
Wer wei?, erlebst du noch die neue Welt,?Ob sie dem fr?nk'schen Edelblut gef?llt!
Wer wei?, ob nicht das Ziel, drob du verscherzt?Der Erde Güter, ist's errreicht, dich schmerzt?
Bayard, der ohne Furcht und Tadel war,?Vergib! Reich mir die Hand! Wir sind ein Paar.
Wir sind ein fahrend Ritterpaar, Bayard,?Und taugen beide nicht zur Gegenwart.
XII Romfahrt
Erwerben wollt' ich fremder Muse Gunst,?Den edlen Kranz der alten Redekunst.?Latein gedrechselt hab' ich manches Jahr?Und ein Latein, das schlank und zierlich war.
Nun blieb mir die Rotunde noch zu sehn,?Als Pilger auf das Capitol zu gehn.
Am Wege traf ich manchen Lorbeerstrauch?Und Myrtenbusch und manchen Fladen auch.
Gew?lk und schneid'ger Wind und Tannenduft?Bekommt mir besser als die welsche Luft.
Die Trümmer sah ich alter R?merpracht?Zur Festung dienen einer Priestermacht.
Entartet und verheuchelt sah ich da?Den Kopf des Claudiers und der Claudia.
Ich sah ein Weib, das mit sich handeln lie?,?Die man die "allgemeine Kirche" hie?.
Ich fand von feiler Schreiberschar entweiht?Die ciceronische Beredsamkeit.
Ich sah, wie man in dieser Pfaffenstadt?Uns ohne gro?e Kunst zum Narren hat,
Sah unsrer V?ter Glauben in der Hand?Ungl?ub'ger Priester als ein G?ngelband.
Sag' ich es kurz und klassisch, was ich sah?Am Tiberstrom? Cloaca maxima!
Mich freute Tempel nicht, noch Monument.?Mein Volk verachtet sehn! Das würgt und brennt!
Mir den Geschmack zu bilden hofft' ich dort?Und bitter war der Mund mir immerfort.
Mir gor das Blut, die Galle regte sich,?Ich sprach: Jetzt, Hutten, schilt! sonst t?tet's dich.
Vor Petri neuem Tempel h?hnt' ich laut:?Der Simon hat's mit unserm Geld gebaut!
Was soll die übermüt'ge Pfarre da?Mit Zinne, Porticus und Statua?
Wir wissen es, wer hier zu Miete sa?:?Der unversch?mten H?lle frechster Spa?!
Der Stier im Wappen sagt: Hie hat gehaust?Der Borgia Lust, davor's dem Teufel graust!
Der zehnte Leo nun verkauft den Geist,?Der über seinem roten K?ppchen kreist!
Du malest, Raphael, zu seinem Glanz??Freund! Mal ihm einen dreisten Totentanz,
Damit der Unfehlbare nicht vergi?t,?Da? er, wie wir, ein armer Sünder ist.
Ich ging. Mit einem derben Kohlenstrich?Beschrieb des Vaticanes Mauer ich:
"In diesen tausend Kammern thront der Trug!?Ein Deutscher kam nach Rom und wurde klug."
XIII Die Abla?bude
Und, sieh, da w?lzte sich das Rad der Zeit,?Wir traten mit der welschen Macht in Streit.?Ich schrie: Ihr M?nner, geht mir an die Hand:?Des Papstes Abla?bude wird berannt!
Erkaufen Gold und Silber Seelenheil,?So steht es bald auf allen M?rkten feil.
Die Ware wird von Jung und Alt gesucht?Und nur der arme Schlucker bleibt verflucht.
Die Tasche wende jeder! Ist sie leer,?So trete keck in unser Lager er!
Das rat' ich dir, du heilsbedürft'ger Mann,?Der keinen Abla?zettel l?sen kann!
Wir greifen nach dem Himmel unverwehrt!?Uns wird die Seligkeit umsonst beschert!
Ich sprach ein rauhes Deutsch in Hast und Zorn,?Es dr?hnte wie vom Turm das W?chterhorn.
Antwort erscholl wie Sturm und Meergebraus:?"Herr Hutten, fasset an und r?umet aus!"
XIV Lügengeister
Der Zaubrer Faust erschien am Hof zu Mainz,?Er liebt der Kardin?le Purpur, scheint's.?Verhangen ward ein Saal und bla? erhellt?Für die Besuche der Gespensterwelt.
Der Kurfürst setzte sich. Ihm stand ich links.?Der bleiche Magier harrte seines Winks.
Natürlich ging die erste Frage da?Nach der erlauchten Bübin Helena.
Er rief der Leda Kind. Es zeigte sich?Ein blanker Fu? und tanzte wunderlich.
Das leere Gaukelspiel, das mich verdro?,?Entzückte den vernarrten Pfaffentro?.
Was schiert die Metze mich? Herr Nekromant,?Seid Ihr mit edlern Toten nicht bekannt?
--"Wen fordert Ihr?" Den Kaiser Constantin!?Er rief. Ein Purpurtragender erschien.
Ich frage Majest?t, ob ihr gedenkt,?Da? sie dem Papst die ew'ge Stadt geschenkt?
"Ja", nickte das Gespenst. Wie? Wo? Und wann??Ein M?rchen ist's, das Eigennutz ersann!
Es ist Betrug und das beweis' ich stramm?Mit scharfer Kunst, die nennt man Criticam.
Du bist ein Pfaffengeist! Zur H?lle fort!?Der Lügenkaiser schwand vor meinem Wort.
XV Das Hütlein
Es war in Brüssel vor dem St?ndehaus.?Die Sage ging: "Der Kaiser reitet aus!"?Noch hatt' ich nie das junge Haupt geschaut,?Dem wir des Reiches h?chstes Amt vertraut.
Ein edles Ro? ist unsre Zeit. Es stampft.?Es wiehert mutig. Seine Nüster dampft.
Ob er die Zügel klug und kühn ergreift??Ob er's bew?ltigt? Ob's ihn wirft und schleift?
Da wir Poeten abergl?ubisch sind,?Erdacht' ich ein Orakel mir geschwind:
Für diesen Kaiser gelte fort und
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