Herrn Mahlhubers Reiseabenteuer | Page 6

Friedrich Gerstäcker
gelegt, und wenn auch nicht mehr ganz junge, doch regelm??ige, fast h��bsche Z��ge hatte, und sagte mit einem etwas bedenklichen Kopfsch��tteln (der andere Passagier schlief gerade oder hielt wenigstens die Augen geschlossen, und er konnte eine solche Bemerkung vielleicht wagen): ?Ja, das Reisen ist mit vielen Unannehmlichkeiten verbunden.?
?Ih nun, das wei? ich gerade nicht?, erwiderte die sch?ne Nachbarin, ihr Tuch wieder von der Backe nehmend, sobald das Fenster befestigt war, ?ich freue mich immer d'rauf, wenn ich einmal wieder hinauskomme; nur der Postwagen kommt Einem so langweilig vor, weil man die Eisenbahn jetzt gewohnt ist.?
?Ja!? sagte Herr Mahlhuber. Er war noch nie auf einer Eisenbahn gefahren.
?Mir ist Reisen ein Vergn��gen?, sagte die Dame.
Herr Mahlhuber st?hnte, denn das erinnerte ihn an den traurigen und ernsten Grund, der ihn aus seiner Heimat vertrieben, und er erwiderte leise und kopfsch��ttelnd:
?Ach ich wollte ich k?nnte das auch von mir behaupten, aber eine Sache h?rt auf ein Vergn��gen zu sein, sobald sie uns einmal vom Arzte anbefohlen wird.?
?Sind Sie krank?? fragte die Dame theilnehmend.
?Krank?? wiederholte Mahlhuber und athmete leicht auf, denn das Gespr?ch betrat ein Gebiet, auf dem er sich zu Hause f��hlte, ?krank? -- ja und nein; krank kann man eigentlich nicht sagen, -- haben Sie schon von gro?en Lebern geh?rt??
?Gro?en Lebern? Gewi? -- die strasburger sollen die besten sein, aber meine Schw?gerin hat eine solche Fertigkeit darin erlangt, da? man sie gar nicht mehr von strasburgern unterscheiden kann.?
?Nein, die meine ich nicht?, sagte der Commerzienrath verlegen und blickte mistrauisch nach dem Fremden hin��ber, der zwar die Augen noch immer geschlossen hielt, aber um dessen Mundwinkel er doch glaubte ein leichtes boshaftes Zucken zu bemerken, ?ich selber leide daran -- meine Leber ist drei Zoll zu gro?.?
?Drei Zoll? Segne meine Seele!? sagte die Frau, ?aber woher wissen Sie das so genau??
?Ah, die Wissenschaft hat darin jetzt bedeutende Fortschritte gemacht?, fuhr der Commerzienrath rasch fort, ?eine solche speckige Entartung der Leber soll in unsern Zeiten auch gar nicht selten vorkommen und durch das Ansto?en derselben an Rippen, Zwerchfell und Magen kann man ziemlich genau berechnen, welchen Umfang sie erreicht.?
Die Dame r��ckte etwas ?ngstlich auf ihrem Sitz, und der Commerzienrath fuhr fort:
?In Verbindung mit diesem Leiden steht nun, obgleich mein Arzt das immer noch bestreiten will, eine nicht unbedeutende Operation, der ich mich vor einiger Zeit zu unterwerfen hatte.?
?Eine Operation? -- aber ich bitte Sie --?
?Nun es war gerade nicht lebensgef?hrlich?, setzte der Erz?hlende rasch hinzu, da er zu f��rchten glaubte, da? seine sch?ne Zuh?rerin deshalb vielleicht Besorgnisse zeigte, ?aber jeder Schnitt in den menschlichen K?rper ist gewisserma?en von einer Gefahr begleitet, da man nie wissen kann, welche Folgen daraus entstehen, welche edeln Gef??e verletzt werden.?
?Ach h?ren Sie -- wenn es Ihnen recht w?re --?
?Es war nur eine Balggeschwulst auf dem behaarten Theile des Kopfes?, setzte der kleine Mann hinzu, nahm die Reisem��tze ab und bog den Kopf gegen die Dame hinunter, ?eine Balggeschwulst etwa von der Gr??e eines Taubeneis, sehen Sie hier -- leicht beweglich unter den Fingern und eigentlich ohne besondere Schmerzen. Das Eigenth��mliche war aber, da? sie doch, wenn man lange daran dr��ckte, wehthat; die Geschwulst blieb sich dabei ganz gleich, ob die Zunge belegt war oder nicht, wenn ich aber eine Weile gedr��ckt hatte, lief mir sonderbarerweise das Wasser im Munde zusammen und ich bekam dann einen h?chst pikanten fauligen Geschmack.?
?Aber ich bitte Sie um Gottes Willen, h?ren Sie auf!? rief jetzt die Dame entsetzt, ?ich werde ohnm?chtig, wenn Sie noch zwei Minuten mit solchen furchtbaren Sachen fortfahren. Was gehen mich denn Ihre Geschw��lste an??
?Aber sie ist ja operirt?, rief der Commerzienrath, der zu glauben schien, da? sie ihn noch nicht recht verstanden habe, ?und eben das Zun?hen da --?
?Ich schreie um H��lfe, wenn Sie nicht aufh?ren?, unterbrach ihn die Dame und wurde wirklich todtenbleich dabei. ?Herr, ich habe Ihnen ja schon gesagt, da? ich die ekelhaften Beschreibungen nicht mitanh?ren kann. Behalten Sie Ihre Lebern und Geschw��lste f��r sich oder ich setze mich hinaus zum Conducteur auf den Bock. -- Jesus Maria, meine Nerven!?
?Darf ich Ihnen vielleicht ein wenig Eau de Cologne anbieten?? sagte der Commerzienrath sch��chtern, der solche Einwendungen gegen seine Leiden gar nicht vermuthet hatte, indem er in die Tasche griff nach seinem kleinen Flacon zu suchen, ?das thut Ihnen vielleicht gut.?
?Ich danke Ihnen, ja?, sagte die Dame und streckte die Hand aus das Dargebotene in Empfang zu nehmen; Herr Mahlhuber hatte es aber selber noch nicht, und die rechte Rocktasche stak ihm so voll von verschiedenen Gegenst?nden: eingewickelte Semmeln, Brillenfutteral, Schnupftabacksdose und dann das verw��nschte Pistol, das er heute Abend fest beschlo? unten in seinen Koffer zu legen, er konnte das kleine Fl?schchen gar nicht finden und begann, da die Dame den Arm noch ausgestreckt hielt, die verschiedenen Gegenst?nde immer ?ngstlicher auszukramen und neben sich hinzulegen.
?Ich begreife gar nicht?, murmelte er dabei vor sich hin, ?wo die -- Dorothee
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