Heidis Lehr - und Wanderjahre | Page 3

Johanna Spyri
Unterhaltung nicht bemerkt. Dete stand still und schaute sich ��berall um. Der Fu?weg machte einige Kr��mmungen, doch konnte man ihn fast bis zum D?rfli hinunter ��bersehen, es war aber niemand darauf sichtbar.
"Jetzt seh ich's", erkl?rte die Barbel; "siehst du dort?", und sie wies mit dem Zeigefinger weitab vom Bergpfad. "Es klettert die Abh?nge hinauf mit dem Gei?enpeter und seinen Gei?en. Warum der heut so sp?t hinauff?hrt mit seinen Tieren? Es ist aber gerad recht, er kann nun zu dem Kinde sehen, und du kannst mir umso besser erz?hlen."
"Mit dem Nach-ihm-Sehen muss sich der Peter nicht anstrengen", bemerkte die Dete; "es ist nicht dumm f��r seine f��nf Jahre, es tut seine Augen auf und sieht, was vorgeht, das hab ich schon bemerkt an ihm, und es wird ihm einmal zugut kommen, denn der Alte hat gar nichts mehr als seine zwei Gei?en und die Almh��tte."
"Hat er denn einmal mehr gehabt?", fragte die Barbel.
"Der? Ja, das denk ich, dass er einmal mehr gehabt hat", entgegnete eifrig die Dete; "eins der sch?nsten Bauerng��ter im Domleschg hat er gehabt. Er war der ?ltere Sohn und hatte nur noch einen Bruder, der war still und ordentlich. Aber der ?ltere wollte nichts tun, als den Herrn spielen und im Lande herumfahren und mit b?sem Volk zu tun haben, das niemand kannte. Den ganzen Hof hat er verspielt und verzecht, und wie es herauskam, da sind sein Vater und seine Mutter hintereinander gestorben vor lauter Gram, und der Bruder, der nun auch am Bettelstab war, ist vor Verdruss in die Welt hinaus, es wei? kein Mensch wohin, und der ?hi selber, als er nichts mehr hatte als einen b?sen Namen, ist auch verschwunden. Erst wusste niemand wohin, dann vernahm man, er sei unter das Milit?r gegangen nach Neapel, und dann h?rte man nichts mehr von ihm zw?lf oder f��nfzehn Jahre lang. Dann auf einmal erschien er wieder im Domleschg mit einem halb erwachsenen Buben und wollte diesen in der Verwandtschaft unterzubringen suchen. Aber es schlossen sich alle T��ren vor ihm, und keiner wollte mehr etwas von ihm wissen. Das erbitterte ihn sehr; er sagte, ins Domleschg setze er keinen Fu? mehr, und dann kam er hierher ins D?rfli und lebte da mit dem Buben. Die Frau muss eine B��ndnerin gewesen sein, die er dort unten getroffen und dann bald wieder verloren hatte. Er musste noch etwas Geld haben, denn er lie? den Buben, den Tobias, ein Handwerk erlernen, Zimmermann, und der war ein ordentlicher Mensch und wohlgelitten bei allen Leuten im D?rfli. Aber dem Alten traute keiner, man sagte auch, er sei von Neapel desertiert, es w?re ihm sonst schlimm gegangen, denn er habe einen erschlagen, nat��rlich nicht im Krieg, verstehst du, sondern beim Raufhandel. Wir anerkannten aber die Verwandtschaft, da meiner Mutter Gro?mutter mit seiner Gro?mutter Geschwisterkind gewesen war. So nannten wir ihn ?hi, und da wir fast mit allen Leuten im D?rfli wieder verwandt sind vom Vater her, so nannten ihn diese alle auch ?hi, und seit er dann auf die Alm hinaufgezogen war, hie? er eben nur noch der 'Alm-?hi'."
"Aber wie ist es dann mit dem Tobias gegangen?", fragte gespannt die Barbel.
"Wart nur, das kommt schon, ich kann nicht alles auf einmal sagen", erkl?rte Dete. "Also der Tobias war in der Lehre drau?en in Mels, und sowie er fertig war, kam er heim ins D?rfli und nahm meine Schwester zur Frau, die Adelheid, denn sie hatten sich schon immer gern gehabt, und auch wie sie nun verheiratet waren, konnten sie's sehr gut zusammen. Aber es ging nicht lange. Schon zwei Jahre nachher, wie er an einem Hausbau mithalf, fiel ein Balken auf ihn herunter und schlug ihn tot. Und wie man den Mann so entstellt nach Hause brachte, da fiel die Adelheid vor Schrecken und Leid in ein heftiges Fieber und konnte sich nicht mehr erholen, sie war sonst nicht sehr kr?ftig und hatte manchmal so eigene Zust?nde gehabt, dass man nicht recht wusste, schlief sie oder war sie wach. Nur ein paar Wochen, nachdem der Tobias tot war, begrub man auch die Adelheid. Da sprachen alle Leute weit und breit von dem traurigen Schicksal der beiden, und leise und laut sagten sie, das sei die Strafe, die der ?hi verdient habe f��r sein gottloses Leben, und ihm selbst wurde es gesagt und auch der Herr Pfarrer redete ihm ins Gewissen, er sollte doch jetzt Bu?e tun, aber er wurde nur immer grimmiger und verstockter und redete mit niemandem mehr, es ging ihm auch jeder aus dem Wege. Auf einmal hie? es, der ?hi sei auf die Alm hinaufgezogen und komme gar nicht mehr herunter, und seither ist er dort und lebt mit Gott und Menschen im Unfrieden. Das kleine Kind der Adelheid nahmen wir zu uns, die Mutter und ich; es war ein Jahr alt. Wie nun im letzten Sommer die Mutter starb
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 66
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.