Gotzen-Dammerung, by
Friedrich Wilhelm Nietzsche
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Title: Gotzen-Dammerung
Author: Friedrich Wilhelm Nietzsche
Release Date: January, 2005 [EBook #7203] [This file was first posted
on March 26, 2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: ISO Latin-1
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GOTZEN-DAMMERUNG ***
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Friedrich Nietzsche
Götzen-Dämmerung
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Sprüche und Pfeile Das Problem des Sokrates Die "Vernunft"
in der Philosophie Wie die "wahre Welt" endlich zur Fabel wurde
Moral als Widernatur Die vier grossen Irrthümer Die "Verbesserer" der
Menschheit Was den Deutschen abgeht Streifzüge eines
Unzeitgemässen Was ich den Alten verdanke Der Hammer redet
Götzen-Dämmerung
oder
Wie man mit dem Hammer philosophirt.
Vorwort.
Inmitten einer düstern und über die Maassen verantwortlichen Sache
seine Heiterkeit aufrecht erhalten ist nichts Kleines von - Kunststück:
und doch, was wäre nöthiger als Heiterkeit? Kein Ding geräth, an dem
nicht der Übermuth seinen Theil hat. Das Zuviel von Kraft erst ist der
Beweis der Kraft. - Eine Umwerthung aller Werthe, dies Fragezeichen
so schwarz, so ungeheuer, dass es Schatten auf Den wirft, der es setzt -
ein solches Schicksal von Aufgabe zwingt jeden Augenblick, in die
Sonne zu laufen, einen schweren, allzuschwer gewordnen Ernst von
sich zu schütteln. Jedes Mittel ist dazu recht, jeder "Fall" ein Glücksfall.
Vor Allem der Krieg. Der Krieg war immer die grosse Klugheit aller zu
innerlich, zu tief gewordnen Geister; selbst in der Verwundung liegt
noch Heilkraft. Ein Spruch, dessen Herkunft ich der gelehrten
Neugierde vorenthalte, war seit langem mein Wahlspruch:
increscunt animi, virescit volnere virtus.
Eine andere Genesung, unter Umständen mir noch erwünschter, ist
Götzen aushorchen... Es giebt mehr Götzen als Realitäten in der Welt:
das ist mein "böser Blick" für diese Welt, das ist auch mein "böses
Ohr"... Hier einmal mit dem Hammer Fragen stellen und, vielleicht, als
Antwort jenen berühmten hohlen Ton hören, der von geblähten
Eingeweiden redet - welches Entzücken für Einen, der Ohren noch
hinter den Ohren hat, - für mich alten Psychologen und Rattenfänger,
vor dem gerade Das, was still bleiben möchte, laut werden muss...
Auch diese Schrift - der Titel verräth es - ist vor Allem eine Erholung,
ein Sonnenfleck, ein Seitensprung in den Müssiggang eines
Psychologen. Vielleicht auch ein neuer Krieg? Und werden neue
Götzen ausgehorcht?... Diese kleine Schrift ist eine grosse
Kriegserklärung; und was das Aushorchen von Götzen anbetrifft, so
sind es dies Mal keine Zeitgötzen, sondern ewige Götzen, an die hier
mit dem Hammer wie mit einer Stimmgabel gerührt wird, - es giebt
überhaupt keine älteren, keine überzeugteren, keine aufgeblaseneren
Götzen... Auch keine hohleren... Das hindert nicht, dass sie die
geglaubtesten sind; auch sagt man, zumal im vornehmsten Falle,
durchaus nicht Götze...
Turin, am 30. September 1888, am Tage, da das Buch der Umwerthung
aller Werthe zu Ende kam.
FRIEDRICH NIETZSCHE.
Sprüche und Pfeile.
1.
Müssiggang ist aller Psychologie Anfang. Wie? wäre Psychologie ein -
Laster?
2.
Auch der Muthigste von uns hat nur selten den Muth zu dem, was er
eigentlich weiss...
3.
Um allein zu leben, muss man ein Thier oder ein Gott sein - sagt
Aristoteles. Fehlt der dritte Fall: man muss Beides sein - Philosoph...
4.
"Alle Wahrheit ist einfach." - Ist das nicht zwiefach eine Lüge? -
5.
Ich will, ein für alle Mal, Vieles nicht wissen. - Die Weisheit zieht auch
der Erkenntniss Grenzen.
6.
Man erholt sich in seiner wilden Natur am besten von seiner Unnatur,
von seiner Geistigkeit...
7.
Wie? ist der Mensch nur ein Fehlgriff Gottes? Oder Gott nur ein
Fehlgriff des Menschen? -
8.
Aus der Kriegsschule des Lebens. - Was mich nicht umbringt, macht
mich stärker.
9.
Hilf dir selber: dann hilft dir noch Jedermann. Princip der
Nächstenliebe.
10.
Dass man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! dass man sie
nicht hinterdrein im Stiche lässt! - Der Gewissensbiss ist unanständig.
11.
Kann ein Esel tragisch sein?