Volks die Fenster der Kunsthandlung, besonders aber dasjenige, in dem das Madonnenbild sich befand. Hieronymus warf nur einen kurzen Blick dorthin; dann drückte er die Klinke der mit Plakaten und Kunstzeitschriften verhangenen Glastür. ?Gott will es!? sagte er und trat in den Laden.
Ein junges M?dchen, das irgendwo an einem Pult in einem gro?en Buche geschrieben hatte, ein hübsches, brünettes Wesen mit Haarbandeaux und zu gro?en Fü?en, trat auf ihn zu und fragte freundlich, was ihm zu Diensten stehe.
?Ich danke Ihnen?, sagte Hieronymus leise und blickte ihr, Querfalten in seiner kantigen Stirn, ernst in die Augen. ?Nicht Sie will ich sprechen, sondern den Inhaber des Gesch?ftes, Herrn Blüthenzweig.?
Ein wenig z?gernd zog sie sich von ihm zurück und nahm ihre Besch?ftigung wieder auf. Er stand inmitten des Ladens.
Alles, was drau?en in einzelnen Beispielen zur Schau gestellt war, es war hier drinnen zwanzigfach zu H?uf getürmt und üppig ausgebreitet: eine Fülle von Farbe, Linie und Form, von Stil, Witz, Wohlgeschmack und Sch?nheit. Hieronymus blickte langsam nach beiden Seiten, und dann zog er die Falten seines schwarzen Mantels fester um sich zusammen.
Es waren mehrere Leute im Laden anwesend. An einem der breiten Tische, die sich quer durch den Raum zogen, sa? ein Herr in gelbem Anzug und mit schwarzem Ziegenbart und betrachtete eine Mappe mit franz?sischen Zeichnungen, über die er manchmal ein meckerndes Lachen vernehmen lie?. Ein junger Mensch mit einem Aspekt von Schlechtbezahltheit und Pflanzenkost bediente ihn, indem er neue Mappen zur Ansicht herbeischleppte. Dem meckernden Herrn schr?g gegenüber prüfte eine vornehme alte Dame moderne Kunststickereien, gro?e Fabelblumen in blassen T?nen, die auf langen, steifen Stielen senkrecht nebeneinander standen. Auch um sie bemühte sich ein Angestellter des Gesch?fts. An einem zweiten Tische sa?, die Reisemütze auf dem Kopfe und die Holzpfeife im Munde, nachl?ssig ein Engl?nder. Durabel gekleidet, glatt rasiert, kalt und unbestimmten Alters, w?hlte er unter Bronzen, die Herr Blüthenzweig ihm pers?nlich herzutrug. Die ziere Gestalt eines nackten kleinen M?dchens, welche, unreif und zart gegliedert, ihre H?ndchen in koketter Keuschheit auf der Brust kreuzte, hielt er am Kopfe erfa?t und musterte sie eingehend, indem er sie langsam um sich selbst drehte.
Herr Blüthenzweig, ein Mann mit kurzem braunen Vollbart und blanken Augen von ebenderselben Farbe, bewegte sich h?ndereibend um ihn herum, indem er das kleine M?dchen mit allen Vokabeln pries, deren er habhaft werden konnte.
?Hundertfünfzig Mark, Sir?, sagte er auf englisch; ?Münchener Kunst, Sir. Sehr lieblich in der Tat. Voller Reiz, wissen Sie. Es ist die Grazie selbst, Sir. Wirklich ?u?erst hübsch, niedlich und bewunderungswürdig.? Hierauf fiel ihm noch etwas ein und er sagte: ?H?chst anziehend und verlockend.? Dann fing er wieder von vorne an.
Seine Nase lag ein wenig platt auf der Oberlippe, so da? er best?ndig in einem leicht fauchenden Ger?usch in seinen Schnurrbart schnüffelte. Manchmal n?herte er sich dabei dem K?ufer in gebückter Haltung, als ber?che er ihn. Als Hieronymus eintrat, untersuchte Herr Blüthenzweig ihn flüchtig in eben dieser Weise, widmete sich aber alsbald wieder dem Engl?nder.
Die vornehme Dame hatte ihre Wahl getroffen und verlie? den Laden. Ein neuer Herr trat ein. Herr Blüthenzweig beroch ihn kurz, als wollte er so den Grad seiner Kauff?higkeit erkunden, und überlie? es der jungen Buchhalterin, ihn zu bedienen. Der Herr erstand nur eine Fayencebüste Piero's, Sohn des pr?chtigen Medici, und entfernte sich wieder. Auch der Engl?nder begann nun aufzubrechen. Er hatte sich das kleine M?dchen zu eigen gemacht und ging unter den Verbeugungen Herrn Blüthenzweigs. Dann wandte sich der Kunsth?ndler zu Hieronymus und stellte sich vor ihn hin.
?Sie wünschen...? fragte er ohne viel Demut.
Hieronymus hielt seinen Mantel von innen mit beiden H?nden zusammen und blickte Herrn Blüthenzweig fast ohne mit der Wimper zu zucken ins Gesicht. Er trennte langsam seine dicken Lippen und sagte:
?Ich komme zu Ihnen wegen des Bildes in jenem Fenster dort, der gro?en Photographie, der Madonna.?--Seine Stimme war belegt und modulationslos.
?Jawohl, ganz recht?, sagte Herr Blüthenzweig lebhaft und begann, sich die H?nde zu reiben: ?Siebenzig Mark im Rahmen, mein Herr. Es ist unver?nderlich ... eine erstklassige Reproduktion. H?chst anziehend und reizvoll.?
Hieronymus schwieg. Er neigte seinen Kopf in der Kapuze und sank ein wenig in sich zusammen, w?hrend der Kunsth?ndler sprach; dann richtete er sich wieder auf und sagte:
?Ich bemerke Ihnen im voraus, da? ich nicht in der Lage, noch überhaupt willens bin, irgend etwas zu kaufen. Es tut mir leid, Ihre Erwartungen entt?uschen zu müssen. Ich habe Mitleid mit Ihnen, wenn Ihnen das Schmerz bereitet. Aber erstens bin ich arm, und zweitens liebe ich die Dinge nicht, die Sie feilhalten. Nein, kaufen kann ich nichts.?
?Nicht ... also nicht?, sagte Herr Blüthenzweig und schnüffelte stark. ?Nun, darf ich fragen...?
?Wie ich Sie zu kennen glaube?, fuhr Hieronymus fort, ?so verachten Sie mich darum, da? ich nicht imstande bin, Ihnen etwas abzukaufen...?
?Hm ...? sagte Herr Blüthenzweig. ?Nicht doch! Nur ...?
?Dennoch bitte ich Sie, mir Geh?r zu schenken und meinen Worten Gewicht beizulegen.?
?Gewicht beizulegen. Hm.
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