Geschichte des Agathon, Teil 2 | Page 9

Christoph Martin Wieland
langsam, da? er in Ohnmacht gefallen w?re, wenn nicht Eine davon pl?tzlich die Oberhand behalten, und durch den heftigsten Ausbruch dem gepre?ten Herzen Luft gemacht h?tte. Das Licht, worin ihm Hippias seine G?ttin zeigte, machte mit demjenigen, worin er sie zu sehen gewohnt war, einen so beleidigenden Kontrast; der Gedanke, sich so sehr betrogen zu haben, war so unertr?glich, da? es ihm unm?glich fallen mu?te, dem Sophisten Glauben beizumessen. Der ganze Sturm, der seine Seele schwellte, brach also ��ber den Verr?ter aus. Er nannte ihn einen falschen Freund, einen Verleumder, einen Nichtsw��rdigen--rief alle r?chende Gottheiten gegen ihn auf--schwur, wofern er die Beschuldigungen, womit er die Tugend der sch?nen Danae zu beschmitzen sich erfrechete, nicht bis zur unbetr��glichsten Evidenz erweisen werde, ihn als ein das Sonnenlicht befleckendes Ungeheuer zu vertilgen, und seinen verfluchten Rumpf unbegraben den V?geln des Himmels preis zu geben.
Der Sophist sah diesem Sturm mit der Gelassenheit eines Menschen zu, der die Natur der Leidenschaften kennt; so ruhig, wie einer der vom sichern Ufer dem wilden Aufruhr der Wellen zusieht, dem er gl��cklich entgangen ist. Ein mitleidiger Blick, dem ein schalkhaftes L?cheln seinen zweideutigen Wert vollends benahm, war alles, was er dem Zorn des aufgebrachten Liebhabers entgegensetzte. Agathon stutzte dar��ber. Ein schrecklicher Zweifel warf ihn auf einmal auf die entgegengesetzte Seite. "Rede, Grausamer", rief er aus, "rede! Beweise deine hassensw��rdigen Anklagen so klar als Sonnenschein; oder bekenne, da? du ein verr?trischer Elender bist, und vergeh vor Scham!"--"Bist du bei Sinnen, Callias", antwortete der Sophist mit dieser verruchten Gelassenheit, welche in solchen Umst?nden der triumphierenden Bosheit eigen ist--"komm erst zu dir selbst; sobald du f?hig sein wirst, Vernunft anzuh?ren, will ich reden."
Agathon schwieg; denn was kann derjenige sagen, der nicht wei? was er denken soll?
"Wahrhaftig", fuhr der Sophist fort, "ich begreife nicht, was f��r eine Ursache du zu haben glaubst, den rasenden Ajax mit mir zu spielen. Wer redet von Beschuldigungen? Wer klagt die sch?ne Danae an? Ist sie vielleicht weniger liebensw��rdig, weil du weder der erste bist der sie gesehen, noch der erste, der sie empfindlich gefunden hat? Was f��r Launen das sind! Glaube mir, jeder andrer als du h?tte nichts weiter n?tig gehabt als sie zu sehen, um meine Nachrichten glaubw��rdig zu finden; Ihr blo?er Anblick ist ein Beweis. Aber du forderst einen st?rkern; du sollst ihn haben, Callias. Was sagtest du, wenn ich selbst einer von denen gewesen w?re, welche sich r��hmen k?nnen, die sch?ne Danae empfindlich gesehen zu haben?"--"Du?" rief Agathon mit einem ungl?ubigen Erstaunen, welches eben nicht schmeichelhaft f��r die Eitelkeit des Sophisten war. "Ja, Callias; ich"; erwiderte jener; "ich, wie du mich hier siehest, zehn oder zw?lf Jahre abgerechnet, um welche ich damals geschickter sein mochte, den Beifall einer sch?nen Dame zu erhalten. Du glaubest vielleicht ich scherze; aber ich bin ��berzeugt, da? deine G?ttin selbst zu edel denkt, um dir wenn du sie mit guter Art fragen wirst, eine Wahrheit verhalten zu wollen, von welcher ganz Smyrna zeugen k?nnte."
Hier fuhr der barbarische Mensch fort, ohne das geringste Mitleiden mit dem Zustande, worein er den armen Agathon durch seine Prahlereien setzte, die Gl��ckseligkeiten, welche er in den Armen der sch?nen Danae (der Himmel wei? mit welchem Grunde) genossen zu haben vorgab, von St��ck zu St��ck mit einem Ton von Wahrheit, und mit einer Munterkeit zu beschreiben, welche seinen Zuh?rer beinahe zur Verzweiflung brachte. "Es ist vorbei", fiel er endlich dem Sophisten mit einer so heftigen Bewegung in die Rede, da? er in diesem Augenblick mehr als ein Mensch zu sein schien--"Es ist vorbei! O Tugend, du bist gerochen!--Hippias, du hast mich unter der l?chelnden Maske der Freundschaft mit einem giftigen Dolch durchbohret--aber ich danke dir--deine Bosheit leistet mir einen wichtigern Dienst als alles was deine Freundschaft f��r mich h?tte tun k?nnen. Sie er?ffnet mir die Augen--zeigt mir auf einmal in den Gegenst?nden meiner Hochachtung und meines Zutrauens, in dem Abgott meines Herzens und in meinem vermeinten Freunde, die zwei ver?chtlichsten Gegenst?nde, womit jemals meine Augen sich besudelt haben. G?tter! die Buhlerin eines Hippias! Kann etwas unter diesem untersten Grade der Entehrung sein?" Mit dieser Apostrophe warf er den verachtungsvollesten Blick, der jemals aus einem Menschlichen Auge geblitzt hat, auf den betroffenen Sophisten, und begab sich hinweg.

DRITTES KAPITEL
Folgen des Vorhergehenden
Die menschliche Seele ist vielleicht keines heftigern Schmerzens f?hig, als derjenige ist, wenn wir uns gen?tiget sehen, den Gegenstand unsrer z?rtlichsten Gesinnungen zu verachten. Alles was man davon sagen kann ist zu schwach, die Pein auszudr��cken, die durch eine so gewaltsame Zerrei?ung in einem gef��hlvollen Herzen verursacht wird. Wir wollen also lieber gestehen, da? wir uns unverm?gend finden, den Tumult der Leidenschaften, welche in den ersten Stunden nach einer so grausamen Unterredung in dem Gem��te Agathons w��teten, abzuschildern, als durch eine frostige Beschreibung zu gleicher Zeit unsre Vermessenheit und unser Unverm?gen zu verraten.
Das erste was er tat, sobald er seiner selbst wieder m?chtiger wurde, war, da?
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