Geschichte des Agathon, Teil 2 | Page 8

Christoph Martin Wieland
unzul?nglich. Eben diese Ursachen, welche seine Liebe zu Danae hervorgebracht hatten, sollten ihn auch für die Reizungen andrer Sch?nen empfindlich machen. Seiner Meinung nach machte die Abwechselung der Gegenst?nde das gr??este Glück der Liebe aus. Er behauptete diesen Satz durch eine sehr lebhafte Ausführung der besondern Vergnügungen, welche mit der Besiegung einer jeden besondern Klasse der Sch?nen verbunden sei. Die Unwissende und die Erfahrne, die Geistreiche und die Bl?de, die Sch?ne und die H??liche, die Kokette, die Spr?de, die Tugendhafte, die And?chtige--kurz jeder besondere Charakter besch?ftige den Geschmack, die Einbildung, und so gar die Sinnen (denn von dem Herzen war bei ihm die Rede nicht) auf eine eigene Weise--erfordre einen andern Plan, setze andre Schwierigkeiten entgegen, und mache auf eine andre Art glücklich. Das Ende dieser sch?nen Ausführung war, da? es unbegreiflich sei, wie man so viel Vergnügen in seiner Gewalt haben, und es sich nur darum versagen k?nne, um die einf?rmigen Freuden einer einzigen, mit romanhafter Treue in gerader Linie sich fortschleppenden Leidenschaft bis auf die Hefen zu ersch?pfen.
Agathon gab zu, da? die Abwechselung, wozu ihn Hippias aufmuntre, für einen mü?igen Wollüstling ganz angenehm sein m?ge, der aus dieser Art von Zeitvertreib das einzige Gesch?fte seines Lebens mache. Er behauptete aber, da? diese Art von Leuten niemalen erfahren haben mü?te, was die wahre Liebe sei. Er überlie? sich hierauf der ganzen Schw?rmerei seines Herzens, um dem Hippias eine Abschilderung von demjenigen zu machen, was er von dem ersten Anblick an bis auf diese Stunde für die sch?ne Danae empfunden; er beschrieb eine so wahre, so delikate, so vollkommene Liebe, breitete sich mit einer so begeisterten Entzückung über die Vollkommenheiten seiner Freundin, über die Sympathie ihrer Seelen, und die fast verg?tternde Wonne, welche er in ihrer Liebe genie?e, aus, da? man entweder die Bosheit eines Hippias oder die freundschaftliche Hartherzigkeit eines Mentors haben mu?te, um f?hig zu sein, ihn einem so beglückenden Irrtum zu entrei?en.
"Die Reizungen der sch?nen Danae sind zu bekannt", versetzte der Sophist, "und ihre Vorzüge in diesem Stücke werden sogar von ihrem eigenen Geschlecht so allgemein eingestanden, da? Lais selbst, welche den Ruhm hat, da? die Edelsten der Griechen und die Fürsten ausl?ndischer Nationen den Preis ihrer N?chte in die Wette steigern, l?cherlich sein würde, wenn sie sich einfallen lassen wollte, mit ihr um den Preis der Liebenswürdigkeit zu streiten. Aber da? sie jemals die Ehre haben würde, eine so ehrwürdige, so metaphysische, so über alles was sich denken l??t erhabene Liebe einzufl??en--da? der Macht ihrer Reizungen noch dieses Wunder aufbehalten sei, das einzige welches ihr noch abging--das h?tte sich in der Tat niemand tr?umen lassen k?nnen, ohne sich selbst über einen solchen Einfall zu belachen."
Hier ging unserm Helden, welcher die boshafte Vergleichung mit der Corinthischen Lais schon auf die befremdlichste Art ?rgerlich gefunden hatte, die Geduld g?nzlich aus. Er setzte den Sophisten mit aller Hitze eines in dem Gegenstande seiner Anbetung beleidigten Liebhabers wegen des zweideutigen Tons zu Rede, womit er sich anma?e, von einer Person wie Danae zu sprechen; und sein Unwille sowohl als seine Verwirrung stieg auf den ?u?ersten Grad, da ein Satyr-m??iges Gel?chter die ganze Antwort des Hippias war.
Es ist so leicht voraus zu sehen, was für einen Ausgang diese Szene nehmen mu?te, da? wir nach allem was von den Absichten des Sophisten bereits gesagt worden ist, den Leser seiner eignen Einbildung überlassen k?nnen. Ungeduldige Fragen auf der einen--Ausflüchte und schalkhafte Wendungen auf der andern Seite; bis sich Hippias auf vieles Zureden endlich das Geheimnis des wahren Standes der sch?nen Danae, und derjenigen Anekdoten, welche wir (wiewohl aus unschuldigem Absichten) unsern Lesern schon im dritten Kapitel des vierten Buches verraten haben, mit einer Gewalt, welcher seine vergebliche Freundschaft für Agathon nicht widerstehen konnte, abn?tigen lie?.
Wir haben schon bemerkt, wie viel es bei Erz?hlung einer Begebenheit auf die Absicht des Erz?hlers ankomme, und wie verschieden die Wendungen seien, welche sie durch die Verschiedenheit derselben erh?lt. Danae erz?hlte ihre Geschichte mit der unschuldigen Absicht zu gefallen. Sie sah natürlicher Weise ihre Aufführung, ihre Schwachheiten, ihre Fehltritte selbst in einem mildern, und (lasset uns die Wahrheit sagen) in einem wahrern Licht als die Welt; welche auf der einen Seite von allen den kleinen Umst?nden, die uns rechtfertigen oder wenigstens unsre Schuld vermindern k?nnten, nicht unterrichtet, und auf der andern Seite boshaft genug ist, um ihres gr??ern Vergnügens willen das Gem?lde unsrer Torheiten mit tausend Zügen zu überladen, um welche es zwar weniger wahr aber desto komischer wird. Unglücklicher Weise für sie erforderte die Absicht des Hippias, da? er diese schalkhafte Kunst, eine Begebenheit ins H??liche zu malen, so weit treiben mu?te, als es die Gesetze der Wahrscheinlichkeit nur immer erlauben konnten.
Unser Held glich w?hrend dieser Entdeckungen mehr einer Bild-S?ule oder einem Toten als sich selbst. Kalte Schauer und fliegende Glut fuhren wechselsweise durch seine Adern. Seine von den widerw?rtigsten Leidenschaften auf einmal bestürmte Brust atmete so
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