daß das fromme Gebet,
welches meine Seele in meiner Einsamkeit stillen Kammer zu dir
empor sendet, auch Gnade und Erhörung vor dir findet, aber auch dies
weiß ich, daß der Geist des wahren Gebets, der nicht persönliches Wohl,
sondern das Wohl und Heil aller sucht, der nicht bloß das Glück und
die Wohlfahrt der Erde, sondern auch das Nahen des himmlischen
Reiches erfleht, der nichts begehrt, nichts fordert, sondern nur im
Glauben und in der Erkenntnis sein Höchstes findet und sein treues
Bekenntnis dieses Glaubens vor aller Welt ablegen möchte;--ich weiß,
daß dieser Geist des wahren Gebets mir fehlen würde, so dessen
Flamme, die zuerst in der Mitte der Gottesgemeinde angefacht wurde,
nicht auch in ihr stets Nahrung fände. Was ich glaube, und um was ich
bete, und wonach mein Herz sich sehnt, soll ja nicht in meinem Innern
verborgen bleiben, es soll ja auch als ein freudiges Zeugnis auf meinen
Lippen hervortreten und vor der Welt, so wie vor anderen
Glaubensbrüdern von mir als meines Lebens Schild und als ein
köstlicher Schatz gepriesen werden. Ach, sind ja leider so viele, welche
in Leichtsinn hinleben, so daß sie die Bande lösen, die sie mit der
Gemeinde innigst verbinden sollten, und welche jedes Kennzeichen
auslöschen, das sie an ihren väterlichen Glauben erinnern könnte; aber
desto mehr will ich die Stätte aufsuchen, wo Israeliten sich sammeln,
um dich in jüdischer Weise zu verehren. Schon dies, daß mein Gang
nach dem Bethause gerichtet ist, schon dies soll ein Zeugnis sein, das
ich vor der Welt ablege, daß ich zu dieser heiligen Gemeinschaft
gehöre, und daß ich über den Spott und Hohn erhaben bin, womit jene,
die sich die Weisen der Welt nennen, auf diejenigen sehen, die dich, o
Ewiger, nach ihrer Väter Weise verehren. Und wie sehr wird nicht
meine Andacht, meine fromme Sehnsucht durch den Gedanken erhöht:
Ich stehe nicht allein mit meinem Gebet vor dir, stehe nicht allein mit
der Glaubensschar, die sich da versammelt, sondern stehe mit dieser als
ein Glied der ganzen Gemeinde Israels da; denn wunderbar hast du, o
Herr, es so gefügt, daß meine Glaubensgenossen fast überall, in heißer
wie in kalter Zone, da, wo ihnen die Sonne der Freiheit zulächelt, wie
dort, wo sie unter Druck seufzen, daß sie fast überall sich doch vor dir
zur selbigen Zeit und Stunde sammeln und dieselben bedeutungsvollen,
Vertrauen und Demut atmenden Worte ihren Lippen entströmen lassen,
so daß ein Laut in gemeinsamer Andacht und Seelenerhebung zu
deinem Thron von dem ganzen jüdischen Volke emporsteigt. Nein,
nicht allein stehe ich da; denn unzählige der hingeschwundenen
Geschlechter erheben sich gleichsam vor meinem andächtigen Blick
von ihren Ruhestätten, sowohl die, welche in unterirdischen Höhlen, als
die, welche unter klarem Himmelszelte auf ihren Wanderungen
dieselben Gebete gebetet, ja mit diesen auf den Lippen ihr Leben
aushauchten, indem sie den Märtyrertod erlitten;--mit allen diesen fühle
ich mich vereint, indem ich die Worte ausspreche, die prophetische
Zungen verkündigt, die heilige, von deinem Geist beseelte Sänger
gesungen, und die so viele Zeitalter hindurch uns unter so
mannigfaltigen Versuchungen und Prüfungen die Reinheit unserer
heiligen Lehre, sowie die Einfalt und Eintracht im Glauben in unsrer
Mitte bewahrt haben.--O, so leite du denn meine Schritte, wenn ich in
dein Haus wandere, so stärke du meinen Geist, daß er dort von solchen
Vorsätzen erfüllt werde, solche Eindrücke empfange und bewahre, daß
nie das innige Verlangen, dein Haus aufzusuchen, von mir weiche, und
auch nicht die Überzeugung und Gewißheit mir verloren gehe, daß du
an solch gemeinsamer Anbetung Wohlgefallen habest. Stärke du mich,
o Gott, auf daß mein Glaube dem gleiche, der den Vater der Gläubigen
beseelte, als er sein Opfer dir brachte, und gib mir Kraft, daß ich, wie er
die Raubvögel,[1] die trüben Zweifel, die verkehrten Einwendungen
verscheuche, wenn sie meine Andacht mir rauben wollen; laß darum
mein Auge dort in deinem Hause nur auf das achten, was mich erheben
und zur Andacht stimmen kann. Laß mich erkennen, daß du uns nach
unserm Herzen und unsern Gesinnungen richtest, auf daß Frömmigkeit
mich leite, Andacht mich entflamme, und meine Schritte dir
wohlgefallen, wenn ich in zahlreicher Versammlung dich anbete;[2] ja
sende mir, Vater im Himmel, dein Licht und deine Wahrheit, daß sie
mich führen und leiten nach deinem heiligen Berge und zu deiner
Wohnung.[3]
Amen!
[Fußnote 1: Buch Mosis 15.]
[Fußnote 2: Ps. 26, 12.]
[Fußnote 3: Ps. 43.]
Nach dem Eintritt ins Gotteshaus.
2. Wie überwältigt werde ich von Gefühlen des Dankes und der
Ehrfurcht, indem ich an dieser Stätte weile, Gefühle des Dankes, daß
du, o Gott, es dem Sohne des Staubes gestattest, sich zu dir zu erheben,
daß du in deiner Liebe ihn selbst dazu aufgefordert »dein Antlitz zu
suchen«, daß du uns eine Stätte gegeben hast, wo du deine Herrlichkeit
unter uns thronen lassen willst.--O Unendlicher, welche Ehrfurcht
durchbebet mich, daß ich, ein Kind des Staubes,
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