Faust | Page 4

Johann Wolfgang von Goethe
ein unerkl?rter Schmerz?Dir alle Lebensregung hemmt??Statt der lebendigen Natur,?Da Gott die Menschen schuf hinein,?Umgiebt in Rauch und Moder nur?Dich Thiergeripp' und Todtenbein.
Flieh! auf! hinaus ins weite Land!?Und die? geheimni?volle Buch,?Von Nostradamus eigner Hand,?Ist dir es nicht Geleit genug??Erkennest dann der Sterne Lauf,?Und wenn Natur dich unterweist,?Dann geht die Seelenkraft dir auf,?Wie spricht ein Geist zum andern Geist.?Umsonst, da? trocknes Sinnen hier?Die heil'gen Zeichen dir erkl?rt,?Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir,?Antwortet mir, wenn ihr mich h?rt!
(Er schl?gt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.)
Ha! welche Wonne flie?t in diesem Blick?Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!?Ich fühle junges, heil'ges Lebensglück?Neuglühend mir durch Nerv' und Adern rinnen.?War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb??Die mir das innre Toben stillen,?Das arme Herz mit Freude füllen,?Und mit geheimni?vollem Trieb,?Die Kr?fte der Natur rings um mich her enthüllen.?Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!?Ich schau' in diesen reinen Zügen?Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.?Jetzt erst erkenn' ich was der Weise spricht:??Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;??Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt!??Auf bade, Schüler, unverdrossen,??Die ird'sche Brust im Morgenroth!?
(Er beschaut das Zeichen.)
Wie alles sich zum Ganzen webt,?Eins in dem andern wirkt und lebt!?Wie Himmelskr?fte auf und nieder steigen?Und sich die goldnen Eimer reichen!?Mit segenduftenden Schwingen?Vom Himmel durch die Erde dringen,?Harmonisch all' das All durchklingen!
Welch Schauspiel! aber ach! ein Schauspiel nur!?Wo fa?' ich dich, unendliche Natur??Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens,?An denen Himmel und Erde h?ngt,?Dahin die welke Brust sich dr?ngt --?Ihr quellt, ihr tr?nkt, und schmacht' ich so vergebens?
(Er schl?gt unwillig das Buch um, und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.)
Wie anders wirkt die? Zeichen auf mich ein!?Du, Geist der Erde, bist mir n?her;?Schon fühl' ich meine Kr?fte h?her,?Schon glüh' ich wie von neuem Wein,?Ich fühle Muth, mich in die Welt zu wagen,?Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,?Mit Stürmen mich herumzuschlagen,?Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen,?Es w?lkt sich über mir --?Der Mond verbirgt sein Licht --?Die Lampe schwindet!?Es dampft! -- Es zucken rothe Strahlen?Mir um das Haupt -- Es weht?Ein Schauer vom Gew?lb' herab?Und fa?t mich an!?Ich fühl's, du schwebst um mich, erflehter Geist.?Enthülle dich!?Ha! wie's in meinem Herzen rei?t!?Zu neuen Gefühlen?All' meine Sinnen sich erwühlen!?Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben!?Du mu?t! du mu?t! und kostet' es mein Leben!
(Er fa?t das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimni?voll aus. Es zuckt eine r?thliche Flamme, _der Geist_ erscheint in der Flamme.)
_Geist._
Wer ruft mir?
_Faust_ abgewendet.
Schreckliches Gesicht!
_Geist._
Du hast mich m?chtig angezogen,?An meiner Sph?re lang' gesogen,?Und nun --
_Faust._
Weh! ich ertrag' dich nicht!
_Geist._
Du flehst erathmend mich zu schauen,?Meine Stimme zu h?ren, mein Antlitz zu sehn,?Mich neigt dein m?chtig Seelenflehn,?Da bin ich! -- Welch erb?rmlich Grauen?Fa?t Uebermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf??Wo ist die Brust? die eine Welt in sich erschuf,?Und trug und hegte; die mit Freudebeben?Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben.?Wo bist du, Faust? de? Stimme mir erklang,?Der sich an mich mit allen Kr?ften drang??Bist _Du_ es? der, von meinem Hauch umwittert,?In allen Lebenstiefen zittert,?Ein furchtsam weggekrümmter Wurm!
_Faust._
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen??Ich bin's, bin Faust, bin deines gleichen!
_Geist._
In Lebensfluthen, im Thatensturm?Wall' ich auf und ab,?Webe hin und her!?Geburt und Grab,?Ein ewiges Meer,?Ein wechselnd Weben,?Ein glühend Leben,?So schaff' ich am sausenden Webstuhl der Zeit,?Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
_Faust._
Der du die weite Welt umschweifst,?Gesch?ftiger Geist, wie nah fühl' ich mich dir!
_Geist._
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,?Nicht mir!
(Verschwindet.)
_Faust_ zusammenstürzend.
Nicht dir!?Wem denn??Ich Ebenbild der Gottheit!?Und nicht einmal dir!
(Es klopft.)
O Tod! ich kenn's -- das ist mein Famulus --?Es wird mein sch?nstes Glück zu nichte!?Da? diese Fülle der Gesichte?Der trockne Schleicher st?ren mu?!
(_Wagner_ im Schlafrocke und der Nachtmütze, eine Lampe?in der Hand. Faust wendet sich unwillig.)
_Wagner._
Verzeiht! ich h?r' euch declamiren;?Ihr las't gewi? ein griechisch Trauerspiel??In dieser Kunst m?cht' ich 'was profitiren,?Denn heut zu Tage wirkt das viel.?Ich hab' es ?fters rühmen h?ren,?Ein Kom?diant k?nnt' einen Pfarrer lehren.
_Faust._
Ja, wenn der Pfarrer ein Kom?diant ist;?Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag.
_Wagner._
Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist,?Und sieht die Welt kaum einen Feyertag,?Kaum durch ein Fernglas, nur von weiten,?Wie soll man sie durch Ueberredung leiten?
_Faust._
Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen,?Wenn es nicht aus der Seele dringt,?Und mit urkr?ftigem Behagen?Die Herzen aller H?rer zwingt.?Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,?Braut ein Ragout von andrer Schmaus,?Und blas't die kümmerlichen Flammen?Aus eurem Aschenh?ufchen 'raus!?Bewund'rung von Kindern und Affen,?Wenn euch darnach der Gaumen steht;?Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,?Wenn es euch nicht von Herzen geht.
_Wagner._
Allein der Vortrag macht des Redners Glück;?Ich fühl' es wohl, noch bin ich weit zurück.
_Faust._
Such' Er den redlichen Gewinn!?Sey er kein schellenlauter Thor!?Es tr?gt Verstand und rechter Sinn?Mit wenig Kunst sich selber vor;?Und wenn's euch Ernst ist was zu sagen,?Ist's n?thig Worten nachzujagen??Ja, eure Reden, die so blinkend sind,?In denen ihr der Menschheit Schnitzel kr?uselt,?Sind unerquicklich wie der Nebelwind,?Der herbstlich durch die dürren Bl?tter s?uselt!
_Wagner._
Ach Gott! die Kunst ist lang;?Und kurz ist unser Leben.?Mir wird, bey
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 35
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.