Emilia Galotti | Page 7

Gotthold Ephraim Lessing
reitest vorauf. Reite doch, reite! und kehre dich an nichts!
Pirro. Nimmermehr!
Angelo. Wie? ich glaube gar, du willst den Gewissenhaften spielen. Bursche! ich denke, du kennst mich.--Wo du plauderst! Wo sich ein einziger Umstand anders findet, als du mir ihn angegeben!--Pirro. Aber, Angelo, um des Himmels willen!--Angelo. Tu, was du nicht lassen kannst! (Geht ab.)
Pirro. Ha! La? dich den Teufel bei einem Haare fassen, und du bist sein auf ewig! Ich Ungl��cklicher!

Vierter Auftritt
Odoardo und Claudia Galotti. Pirro.
Odoardo. Sie bleibt mir zu lang aus--Claudia. Noch einen Augenblick, Odoardo! Es w��rde sie schmerzen, deines Anblicks so zu verfehlen.
Odoardo. Ich mu? auch bei dem Grafen noch einsprechen. Kaum kann ich's erwarten, diesen w��rdigen jungen Mann meinen Sohn zu nennen. Alles entz��ckt mich an ihm. Und vor allem der Entschlu?, in seinen v?terlichen T?lern sich selbst zu leben.
Claudia.--Das Herz bricht mir, wenn ich hieran gedenke.--So ganz sollen wir sie verlieren, diese einzige, geliebte Tochter?
Odoardo. Was nennst du, sie verlieren? Sie in den Armen der Liebe zu wissen? Vermenge dein Vergn��gen an ihr nicht mit ihrem Gl��cke.--Du m?chtest meinen alten Argwohn erneuern:--da? es mehr das Ger?usch und die Zerstreuung der Welt, mehr die N?he des Hofes war als die Notwendigkeit, unserer Tochter eine anst?ndige Erziehung zu geben, was dich bewog, hier in der Stadt mit ihr zu bleiben--fern von einem Manne und Vater, der euch so herzlich liebet.
Claudia. Wie ungerecht, Odoardo! Aber la? mich heute nur ein einziges Wort f��r diese Stadt, f��r diese N?he des Hofes sprechen, die deiner strengen Tugend so verha?t sind.--Hier, nur hier konnte die Liebe zusammenbringen, was f��reinander geschaffen war. Hier nur konnte der Graf Emilien finden; und fand sie.
Odoardo. Das r?um ich ein. Aber, gute Claudia, hattest du darum recht, weil dir der Ausgang recht gibt?--Gut, da? es mit dieser Stadterziehung so abgelaufen! La? uns nicht weise sein wollen, wo wir nichts als gl��cklich gewesen! Gut, da? es so damit abgelaufen!--Nun haben sie sich gefunden, die f��reinander bestimmt waren: nun la? sie ziehen, wohin Unschuld und Ruhe sie rufen.--Was sollte der Graf hier? Sich b��cken, schmeicheln und kriechen und die Marinellis auszustechen suchen? um endlich ein Gl��ck zu machen, dessen er nicht bedarf? um endlich einer Ehre gew��rdiget zu werden, die f��r ihn keine w?re?--Pirro!
Pirro. Hier bin ich.
Odoardo. Geh und f��hre mein Pferd vor das Haus des Grafen. Ich komme nach und will mich da wieder aufsetzen. (Pirro geht ab.)--Warum soll der Graf hier dienen, wenn er dort selbst befehlen kann?--Dazu bedenkest du nicht, Claudia, da? durch unsere Tochter er es vollends mit dem Prinzen verderbt. Der Prinz ha?t mich--Claudia. Vielleicht weniger, als du besorgest.
Odoardo. Besorgest! Ich besorg auch so was!
Claudia. Denn hab ich dir schon gesagt, da? der Prinz unsere Tochter gesehen hat?
Odoardo. Der Prinz? Und wo das?
Claudia. In der letzten Vegghia, bei dem Kanzler Grimaldi, die er mit seiner Gegenwart beehrte. Er bezeigte sich gegen sie so gn?dig--Odoardo. So gn?dig?
Claudia. Er unterhielt sich mit ihr so lange--Odoardo. Unterhielt sich mit ihr?
Claudia. Schien von ihrer Munterkeit und ihrem Witze so bezaubert--Odoardo. So bezaubert?--Claudia. Hat von ihrer Sch?nheit mit so vielen Lobeserhebungen gesprochen--Odoardo. Lobeserhebungen? Und das alles erz?hlst du mir in einem Tone der Entz��ckung? O Claudia! eitle, t?richte Mutter!
Claudia. Wieso?
Odoardo. Nun gut, nun gut! Auch das ist so abgelaufen.--Ha! wenn ich mir einbilde--Das gerade w?re der Ort, wo ich am t?dlichsten zu verwunden bin!--Ein Woll��stling, der bewundert, begehrt.--Claudia! Claudia! der blo?e Gedanke setzt mich in Wut.--Du h?ttest mir das sogleich sollen gemeldet haben.--Doch, ich m?chte dir heute nicht gern etwas Unangenehmes sagen. Und ich w��rde (indem sie ihn bei der Hand ergreift), wenn ich l?nger bliebe.--Drum la? mich! la? mich!--Gott befohlen, Claudia!--Kommt gl��cklich nach!

F��nfter Auftritt
Claudia Galotti. Welch ein Mann!--Oh, der rauhen Tugend!--wenn anders sie diesen Namen verdienet.--Alles scheint ihr verd?chtig, alles strafbar!--Oder, wenn das die Menschen kennen hei?t:--wer sollte sich w��nschen, sie zu kennen?--Wo bleibt aber auch Emilia?--Er ist des Vaters Feind: folglich--folglich, wenn er ein Auge f��r die Tochter hat, so ist es einzig, um ihn zu beschimpfen?

Sechster Auftritt
Emilia und Claudia Galotti.
Emilia (st��rzet in einer ?ngstlichen Verwirrung herein). Wohl mir! wohl mir!--Nun bin ich in Sicherheit. Oder ist er mir gar gefolgt? (Indem sie den Schleier zur��ckwirft und ihre Mutter erblicket.) Ist er, meine Mutter? ist er? Nein, dem Himmel sei Dank!
Claudia. Was ist dir, meine Tochter? was ist dir?
Emilia. Nichts, nichts--Claudia. Und blickest so wild um dich? Und zitterst an jedem Gliede?
Emilia. Was hab ich h?ren m��ssen? Und wo, wo hab ich es h?ren m��ssen?
Claudia. Ich habe dich in der Kirche geglaubt--Emilia. Eben da! Was ist dem Laster Kirch' und Altar?--Ach, meine Mutter! (Sich ihr in die Arme werfend.)
Claudia. Rede, meine Tochter!--Mach meiner Furcht ein Ende.--Was kann dir da, an heiliger St?tte, so Schlimmes begegnet sein?
Emilia. Nie h?tte meine Andacht inniger, br��nstiger sein sollen als heute: nie ist sie weniger gewesen, was sie sein sollte.
Claudia. Wir sind Menschen, Emilia. Die Gabe zu beten ist nicht immer in
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