Fragen gab. Zuweilen sprang er auf, tat ein paar
hastige Schritte durchs Zimmer, blieb vor der Uhr auf dem Kaminsims
stehen und warf sich dann wieder in den Sessel, mit einem Seufzer, der
einen Stein hätte erweichen können, an dem alten Cerberus aber ohne
jeden Eindruck abglitt.
Je länger es dauerte, je mehr sank mir der Mut, je länger wurden auch
die Pausen in unsrer Konversation. Endlich schlug die Uhr zehn. Da
stand er auf, er konnte sich kaum auf den Knien halten. Es ist Zeit,
stammelte er. Der Graf erwartet mich. Oh Madame...
Die Stimme versagte ihm. Auch ich hatte mich erhoben, obwohl ich
mich nur mit Mühe aufrecht erhielt. Ich begleite Sie noch hinaus, sagte
ich, Herr Ebi wird mich einen Augenblick entschuldigen.
So ging ich ihm voran nach der Tür. Ah, Madame, j'ai la la mort au
coeur. Vous quitter, sans vous dire.--Oh si vous saviez--!
Je sais tout, mon ami, flüsterte ich, et croyez--moi, si vous
souffrez--moi aussi, j'ai le coeur si plein--je suis au désespoir!
Damit öffnete ich die Tür und dachte, draußen--wenn auch nur auf
kurze Minuten--würd' ich mich ihm an die Brust werfen und ihm sagen,
was ich um ihn gelitten. Als ich aber hinaustrat, sah ich eine andere
Feindin meines letzten schmerzlichen Glücks bei einer Lampe am
Pfeilertischchen sitzen, eine Näharbeit in den Händen--Mamsell
Zipora!
Ich habe nachher erfahren, meine Kammerjungfer hatte der tückischen
Person, ohne sich was dabei zu denken, erzählt, ich erwartete heute
abend den Vicomte, der Abschied zu nehmen komme. Das hatte die
sich zunutze gemacht, um es dem Ebi, den sie immer noch zu fangen
hoffte, schadenfroh beizubringen, die Frau, die er heimlich vergötterte,
sei auch nicht besser als alle anderen, um sich und ihre Tugend dadurch
in ein vorteilhaftes Licht zu setzen. Und der unselige Mensch hatte sich
von einer Eifersucht, die er sich selbst vielleicht nicht eingestand,
verleiten lassen, den Wächter zu machen und den Rivalen aus dem
Felde zu schlagen.
Sie war von der Erinnerung an diese schmerzlichste Stunde ihres
Lebens so erschüttert, daß sie lange nicht fortfahren konnte, sondern
immer sich mit dem Kölnischen Wasser die Stirn benetzte und mit
geschlossenen Augen dalag.
Endlich sagte sie: Wie ich den Weg in mein Zimmer zurückfand und
bis zu dem Sofa gehen konnte, ist mir ein Rätsel. Ich fühlte mich wie
vernichtet, was jetzt noch werden konnte, war mir unfaßbar, ich sank
auf das Polster nieder, drückte mein Tuch gegen die Augen, und brach
in krankhaftes Schluchzen aus.
Daß Ebi im Zimmer war, hatte ich völlig vergessen.
Da hörte ich plötzlich seine Stimme, in dem feierlich singenden Tone,
wie bei den Psalmenversen seines Trauerspieles: Madame Herz, ich
habe Sie immer verehrt, heute bewundere ich Sie. Der Sieg, den Sie
über sich selbst davongetragen, ist größer als der von Jephthas Tochter.
Sagen Sie nicht, daß ich Ihnen dabei geholfen hab'. Wenn Sie nur
gesagt hätten ein einzig Wort: Ebi, verlassen Sie mich,--so wahr Gott
lebt--ich wäre gegangen, so sehr es mich hätt' geschmerzt, aber Sie
wissen, ich bin ihrem Wort gehorsam, wie ein Hündlein seinem Herrn.
Daß Sie nicht gesagt haben das eine Wort, das macht Ihnen mehr Ehre
als einem König, der große Länder erobert, oder einem gewappneten
Mann, der allein ein ganzes Heer besiegt. Denn wie es im Prediger
Salomonis heißt: Lieblich und schön sein ist nichts, aber ein Weib, das
den Herrn fürchtet, das soll man loben, und in Jesus Sirach: Ein
schönes Weib, das fromm bleibt, ist wie die helle Lampe auf dem
heiligen Leuchter. Erlauben Sie, Madame Herz, daß ich den Saum
küsse an Ihrem Gewande.
Ich fühlte dunkel, wie er es tat, und hörte, wie er dann das Zimmer
verließ. Da brach es erst recht bei mir aus, und ich weinte und
weinte--bis eine Ohnmacht sich meines armen gefolterten Herzens
erbarmte.
Am folgenden Tage und auch den nächsten darauf konnte ich das Bett
nicht verlassen. Es war keine Krankheit, meinte der Arzt, aber eine
Erschöpfung all meiner Lebenskraft. Als ich wieder aufstehen konnte,
dauerte es noch Wochen, bis ich den Anblick von Menschen wieder
ertragen konnte. Ebi und Mamsell Zipora durften mir nicht vor Augen
kommen.
Dann erhielt ich von Konstantinopel aus seinen Ring und einen Brief
dabei, voll schmerzlichster Geständnisse. Ich zeigte beides meinem
Manne, ohne ein Wort dabei zu sagen, und er gab es mir ebenso
schweigend zurück. Ich wußte, daß er ein zu kluger Kenner des
weiblichen Herzens war, um es als eine Sünde anzusehen, wenn meines
gegen das liebenswürdigste, was die Erde trug, schwach gewesen war.
Daß ich einen ganz ähnlichen Ring machen ließ mit der Inschrift: "Pour
toujours", sagte ich Herz nicht. Er hätte die Devise, die zweideutig war
und ewige Liebe oder ewige Trennung bedeuten konnte, doch vielleicht
in dem ersten Sinne verstanden. Zugleich schrieb ich ein paar Zeilen,
die die Bitte enthielten, mir nicht wieder zu
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