Ehstnische Märchen | Page 4

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sprach die Bitte aus, da? der Jüngling nicht mehr zurückkommen m?chte. Der Rabe versprach, den Auftrag auszurichten, wenn er Jemand f?nde, der seiner Sprache kundig w?re und flog sogleich davon.
Die Mutter lie? die jüngste Tochter nicht mehr am Spinnrocken Platz nehmen, sondern hielt sie an, das gesponnene Garn abzuwickeln. Diese Arbeit w?re dem M?dchen leichter gewesen als die frühere, aber das ewige Fluchen und Zanken der Mutter lie? ihr vom Morgen bis zum Abend keine Ruhe. Versuchte die Jungfrau, sich zu entschuldigen, so wurde die Sache noch ?rger. Wenn einem Weibe einmal die Galle überl?uft, und der Zorn ihre Kinnladen ge?ffnet hat, so vermag keine Gewalt sie wieder zu schlie?en.
Gegen Abend rief der Rabe vom Fichtenwipfel her kraa, kraa! und das gequ?lte M?dchen eilte hinaus, um den Bescheid zu h?ren. Der Rabe hatte glücklicherweise in des K?nigs Garten eines Windzauberers[6] Sohn gefunden, der die Vogelsprache vollkommen verstand. Ihm meldete der schwarze Vogel die von der Jungfrau ihm anvertraute Botschaft, und bat ihn, die Sache dem K?nigssohn mitzutheilen. Als der G?rtnerbursche dem K?nigssohn alles erz?hlt hatte, wurde diesem das Herz schwer, doch pflog er mit seinen Freunden heimlich Rath über die Befreiung der Jungfrau. ?Sage dem Raben,? so unterwies er dann des Windzauberer's Sohn -- ?da? er eilig zurückfliege und der Jungfrau melde: sei wach in der neunten Nacht, dann erscheint ein Retter, der das Küchlein den Klauen des Habichts entrei?en wird.? Zum Lohn für die Bestellung erhielt der Rabe ein Stück Fleisch, um seine Flügel zu kr?ftigen, und dann wurde er wieder zurück geschickt. Die Jungfrau dankte dem schwarzen Vogel für seine Besorgung, verbarg aber das Geh?rte in ihrem Herzen, damit die andern nichts davon erführen. Aber je n?her der neunte Tag kam, desto schwerer wurde ihr das Herz, wenn sie bedachte, da? ein unvorhergesehenes Unglück alles zu Schanden machen k?nnte.
In der neunten Nacht, als die alte Mutter und die Schwestern sich zur Ruhe gelegt hatten, schlich die jüngste Schwester auf den Zehen aus dem Hause, und setzte sich unter einen Baum auf den Rasen, um des Br?utigams zu harren. Hoffnung und Furcht erfüllten zugleich ihr Herz. Schon kr?hte der Hahn zum zweiten Mal, aber vom Walde her war weder ein Ger?usch von Tritten noch ein Rufen zu h?ren. Zwischen dem zweiten und dritten Hahnenschrei drang von weitem ein Ger?usch wie leises Pferdegetrappel an ihr Ohr. Sie lie? sich durch dies Ger?usch leiten und ging den Kommenden entgegen, damit deren Ann?herung die im Hause Schlafenden nicht wecken m?chte. Bald erblickte sie die Kriegerschaar, an deren Spitze der K?nigssohn selbst als Führer ritt, denn er hatte, als er von hier fortgegangen war, an den B?umen heimliche Zeichen gemacht, durch die er den rechten Weg erkannte. Als er die Jungfrau gewahr wurde, sprang er vom Pferde, half ihr in den Sattel, setzte sich selbst vor sie hin, damit sie sich an ihn lehne und dann ging es schleunig heimw?rts. Der Mond gab zwischen den B?umen so viel Licht, da? der bezeichnete Pfad ihnen nicht verloren ging. Das Frühroth hatte überall der V?gel Zungen gel?st und ihr Gezwitscher geweckt. H?tte die Jungfrau auf sie zu achten und aus ihrer Zwiesprach Belehrung zu sch?pfen gewu?t, es h?tte den Beiden mehr genügt als die honigsü?e Schmeichelrede, welche aus des K?nigssohnes Munde flo? und das Einzige war, was in ihr Ohr drang. Sie h?rte und sah nichts Anderes als den Br?utigam, der sie bat, alle eitle Furcht aufzugeben und dreist auf den Schutz der Krieger zu bauen. Als sie in's Freie kamen, stand die Sonne schon ziemlich hoch.
Zum Glück hatte die alte Mutter am Morgen früh der Tochter Flucht nicht gleich bemerkt; erst etwas sp?ter, als sie die Garnwinde nicht abgewickelt fand, fragte sie, wohin die jüngste Schwester gegangen sei. Darauf wu?te Niemand Antwort zu geben. Aus mancherlei Zeichen ersah jetzt die Mutter, da? die Tochter entflohen war; sofort fa?te sie den tückischen Vorsatz, der flüchtigen die Strafe auf dem Fu?e nachzusenden. Sie holte vom Boden herunter eine Handvoll aus neunerlei Arten gemischter Hexenkr?uter, schüttete Salz, das besprochen war, dazu und band Alles in ein L?ppchen, da? es ein Quast wurde; dann hauchte sie Flüche und Verwünschungen darauf und lie? nun das Hexenkn?uel mit dem Winde davon ziehen, w?hrend sie sang:
?Wirbelwind! verleihe Flügel! Windesmutter! deinen Fittig! Treibet dieses Kn?ulchen vorw?rts, Da? es windesschnell dahin saust, Da? es todverbreitend hinf?hrt, Seuchenbringend weiter fliege!?
Zwischen Mittmorgen und Mittag gelangte der K?nigssohn mit der Kriegerschaar an das Ufer eines breiten Flusses, über welchen eine schmale Brücke geschlagen war, so da? die M?nner nur einzeln herüber konnten. Der K?nigssohn ritt eben mitten auf der Brücke, als mit dem Winde das Hexenkn?uel daher fuhr und wie eine Bremse auf das Pferd traf. Das Pferd schnaubte vor Schreck, stellte sich pl?tzlich hoch auf die Hinterbeine, und eh' noch jemand zu Hülfe kommen konnte, glitt die Jungfrau vom Sattel herab j?hlings in den Flu?.
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