Zunge gelöst, aber die frühere Gestalt habe ich nicht
wieder erhalten.« Der Kriegshauptmann sagte, als die Katze
ausgesprochen hatte: »Du brauchst kein besseres Ende zu nehmen, als
die Alte!« und ließ sie in's Feuer werfen.
Die beiden Königstöchter aber bekamen bald, wie ihre jüngste
Schwester, Königssöhne zu Männern, und das von ihnen in der
Waldhütte gesponnene Goldgarn war ihnen reiche Mitgift. Ihr
Geburtsort und ihre Eltern blieben unbekannt. Man erzählt sich, daß
das alte Weib noch manches Fuder Goldgarn unter der Erde vergraben
hatte, aber Niemand konnte die Stelle angeben.
[Fußnote 1: Die Goldspinnerinnen erinnern an die Pflegetöchter der
Hölle, die dort gefangen gehalten werden, arbeiten und auch spinnen
müssen, s. Kalewipoëg (myth. Heldensagen vom Kalew-Sohn) =XIII.=
521 ff. =XIV.= 470 ff. L.]
[Fußnote 2: Donnerstag und Sonnabend galten den Ehsten in
vorchristlicher Zeit für heilig. Im Kalewipoëg, Gesang =XIII=, V. 423
kocht der Höllenkessel am Donnerstag stärkende Zauberspeise. Nach
Rußwurm, Sagen aus Hapsal und der Umgegend, Reval 1856, S. 20,
erhalten die Unterirdischen (vgl. Märchen 17), was am Sonnabend oder
am Donnerstag Abend ohne Licht gearbeitet wird. Vgl. Kreutzwald zu
Boecler, der Ehsten abergläubische Gebräuche &c. (St. Petersburg
1854) S. 97-104. Wenn der oberste Gott der Ehsten, Taara, sich
sachlich und lautlich an den germanischen Thor anschließt, so ist aus
der jetzigen ehstnischen Bezeichnung des Thortags, Donnerstags, jede
Erinnerung an Taara-Thor getilgt; der Donnerstag heißt ehstnisch
einfach =nelja-päew=, d. i. der vierte Tag. (Montag der erste, Dienstag
der zweite, Mittwoch der dritte oder auch Mittwoch, Freitag = Reede,
corrumpirt aus plattd. Frêdag, Sonnabend = Badetag, Sonntag =
heiliger Tag, Feiertag.) L.]
[Fußnote 3: Der Sinn ist: Sie durften nicht für sich arbeiten, um den
Kasten zu füllen, aus welchem die Braut am Hochzeitstage Geschenke
vertheilt. Vgl. Boecler, der Ehsten abergl. Gebräuche, ed. Kreutzwald,
=p.= 37. Neus, Ehstn. Volkslieder, S. 284. L.]
[Fußnote 4: Nicht zu verwechseln mit dem Kalew-Sohn
(=Kalewipoëg=), dem Herkules des ehstnischen Festlandes. Auf der
Insel Oesel heißt dieser Töll od. Töllus. Vgl. Rußwurm, Eibofolke oder
die Schweden an den Küsten Ehstland's und auf Runö. Reval 1855. Th.
2, S. 273. Neus in den Beiträgen zur Kunde Ehst-, Liv- und Kurlands,
ed. Ed. Pabst. Reval 1866. Bd. =I=, Heft =I=, =p.= 111. L.]
[Fußnote 5: wörtlich: fiel in das Ohr das Echo. Das Echo wird bildlich
»Schielauge« genannt. S. Kreutzwald zu Boecler, S. 146.]
[Fußnote 6: Vgl. die folgende Anm. und die Nota S. 25 zu 2. »die im
Mondschein badenden Jungfrauen.« L.]
[Fußnote 7: Die alte Anschauung der Ehsten unterscheidet feindliche
und günstige Winde und schreibt beiden den weitgreifendsten Einfluß
zu. Die unaufhörlichen Windströmungen, welche an dem ehstnischen
Küstenstrich ihr Spiel treiben und von der größten Bedeutung für das
Naturleben sind, erklären dies vollkommen. In unserer Stelle ist die
Krankheit nicht »von Gott, sondern vom Winde gekommen« und soll
auch wieder (homöopathisch) durch den Wind vertrieben werden.
Vergl. Kreutzwald zu Boecler, ehstn. Aberglaube, S. 105 ff. u.
Kreutzwald u. Neus, Myth. u. mag. Lieder der Ehsten, S. 13. L.]
[Fußnote 8: Ahti oder Ahto (sprich Achti, Achto) ist in der finnischen
Mythologie der über alles Wasser herrschende Gott: ein alter
ehrwürdiger Mann mit einem Grasbart und einem Schaumgewand. Er
wird, characteristisch genug, als begehrlich nach fremdem Gut
geschildert. Im ehstnischen Epos vom Kalewi-Poëg Ges. =XVI.=, V.
72 ist von Ahti's Sohn und seinen (Wasser) Gruben die Rede. L.]
[Fußnote 9: Loch am Giebel des Hauses (zum Hinauslassen des
Rauches). L.]
2. Die im Mondschein badenden Jungfrauen.
Es lebte einmal ein Jüngling, der nirgends Ruhe hatte, sondern sich
abmühte, alle verborgenen Dinge zu erforschen, die andern Leuten
unbekannt geblieben waren. Als er die Vogelsprache und andere
geheime Weisheit genugsam erlernt hatte, hörte er zufällig, daß unter
der Decke der Nacht sich Manches zutragen solle, was den Augen
Sterblicher zu schauen verwehrt sei. Jetzt sehnte er sich darnach, solche
Heimlichkeiten der Nacht zu ergründen, und mochte sich nicht eher
zufrieden geben, als bis ihm diese verborgene Kunde geworden wäre.
Wohl ging er eine Zeit lang von einem Zauberer zum andern, und lag
ihnen an, ihm zu seinem Zwecke die Augen zu schärfen, aber keiner
konnte helfen. Da kam er durch einen glücklichen Zufall endlich mit
einem Mana-Zauberer[10] aus Finnland zusammen, der über diese
verborgenen Dinge Auskunft zu geben wußte. Als er diesem seinen
Wunsch kund gethan hatte, sagte der Zauberer warnend: »Söhnlein!
jage nicht allerlei leerer Weisheit nach, welche dir kein Glück bringen
kann, wohl aber Unglück. Manches ist den Augen der Menschen
verhüllt, weil es dem Frieden des Herzens ein Ende machen müßte,
wenn es erkannt würde. Wer alle geheimen Dinge schauen lernt, der
findet keine Freude mehr an dem, was ihm die Alltagswelt vor Augen
bringt. Dies bedenke, ehe du später bereuest. --Dennoch will ich, falls
du meiner Abmahnung nicht achtest und dein Unglück wünschest, dich
unterweisen, wie du die unter der Decke der Nacht geschehenden
Dinge
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