Egmont | Page 4

Johann Wolfgang von Goethe
bei ihm diente
und nichts von ihm lernte!--Nicht zu vergessen, meine Herren! Ein
König nährt seine Leute; und so, auf des Königs Rechnung, Wein her!
Jetter. Es ist unter uns ausgemacht, daß jeder--
Buyck. Ich bin fremd und König, und achte eure Gesetze und
Herkommen nicht.
Jetter. Du bist ja ärger als der Spanier; der hat sie uns doch bisher
lassen müssen.
Ruysum. Was?
Soest (laut). Er will uns gastieren; er will nicht haben, daß wir

zusammenlegen und der König nur das Doppelte zahlt.
Ruysum. Laßt ihn! doch ohne Präjudiz! Das ist auch seines Herrn Art,
splendid zu sein und es laufen zu lassen, wo es gedeiht. (Sie bringen
Wein.)
Alle. Ihro Majestät Wohl! Hoch!
Jetter (zu Buyck). Versteht sich, Eure Majestät.
Buyck. Danke von Herzen, wenn's doch so sein soll.
Soest. Wohl! Denn unserer spanischen Majestät Gesundheit trinkt nicht
leicht ein Niederländer von Herzen.
Ruysum. Wer?
Soest (laut). Philipps des Zweiten, Königs in Spanien.
Ruysum. Unser allergnädigster König und Herr! Gott geb' ihm langes
Leben.
Soest. Hattet Ihr seinen Herrn Vater, Karl den Fünften, nicht lieber?
Ruysum. Gott tröst' ihn! Das war ein Herr! Er hatte die Hand über dem
ganzen Erdboden, und war euch alles in allem; und wenn er euch
begegnete, so grüßt' er euch, wie ein Nachbar den andern; und wenn ihr
erschrocken wart, wußt' er mit so guter Manier--Ja, versteht mich--Er
ging aus, ritt aus, wie's ihm einkam, gar mit wenig Leuten. Haben wir
doch alle geweint, wie er seinem Sohn das Regiment hier abtrat--sagt'
ich, versteht mich--der ist schon anders, der ist majestätischer.
Jetter. Er ließ sich nicht sehen, da er hier war, als in Prunk und
königlichem Staate. Er spricht wenig, sagen die Leute.
Soest. Es ist kein Herr für uns Niederländer. Unsre Fürsten müssen froh
und frei sein wie wir, leben und leben lassen. Wir wollen nicht
verachtet noch gedruckt sein, so gutherzige Narren wir auch sind.
Jetter. Der König, denk' ich, wäre wohl ein gnädiger Herr, wenn er nur
bessere Ratgeber hätte.
Soest. Nein, nein! Er hat kein Gemüt gegen uns Niederländer, sein
Herz ist dem Volke nicht geneigt, er liebt uns nicht; wie können wir ihn
wieder lieben? Warum ist alle Welt dem Grafen Egmont so hold?
Warum trügen wir ihn alle auf den Händen? Weil man ihm ansieht, daß
er uns wohl will; weil ihm die Fröhlichkeit, das freie Leben, die gute
Meinung aus den Augen sieht; weil er nichts besitzt, das er dem
Dürftigen nicht mitteilte, auch dem, der's nicht bedarf. Laßt den Grafen
Egmont leben! Buyck, an Euch ist's, die erste Gesundheit zu bringen!
Bringt Eures Herrn Gesundheit aus.

Buyck. Von ganzer Seele denn: Graf Egmont hoch!
Ruysum. Überwinder bei St. Quintin!
Buyck. Dem Helden von Gravelingen!
Alle. Hoch!
Ruysum. St. Quintin war meine letzte Schlacht. Ich konnte kaum mehr
fort, kaum die schwere Büchse mehr schleppen. Hab' ich doch den
Franzosen noch eins auf den Pelz gebrennt, und da kriegt' ich zum
Abschied noch einen Streifschuß ans rechte Bein.
Buyck. Gravelingen! Freunde! da ging's frisch! Den Sieg haben wir
allein. Brannten und sengten die welschen Hunde nicht durch ganz
Flandern? Aber ich mein', wir trafen sie! Ihre alten handfesten Kerle
hielten lange wider, und wir drängten und schossen und hieben, daß sie
die Mäuler verzerrten und ihre Linien zuckten. Da ward Egmont das
Pferd unter dem Leibe niedergeschossen, und wir stritten lange hinüber
herüber, Mann für Mann, Pferd gegen Pferd, Haufe mit Haufe, auf dem
breiten flachen Sand an der See hin. Auf einmal kam's, wie vom
Himmel herunter, von der Mündung des Flusses, bav! bau! immer mit
Kanonen in die Franzosen drein. Es waren Engländer, die unter dem
Admiral Malin von ungefähr von Dünkirchen her vorbeifuhren. Zwar
viel halfen sie uns nicht; sie konnten nur mit den kleinsten Schiffen
herbei, und das nicht nah genug; schossen auch wohl unter uns--Es that
doch gut! Es brach die Welschen und hob unsern Mut. Da ging's! Rick!
rack! herüber, hinüber! Alles tot geschlagen, alles ins Wasser gesprengt.
Und die Kerle ersoffen, wie sie das Wasser schmeckten; und was wir
Holländer waren, gerad hinten drein. Uns, die wir beidlebig sind, ward
erst wohl im Wasser, wie den Fröschen; und immer die Feinde im Fluß
zusammengehauen, weggeschossen wie die Enten. Was nun noch
durchbrach, schlugen euch auf der Flucht die Bauerweiber mit Hacken
und Mistgabeln tot. Mußte doch die welsche Majestät gleich das
Pfötchen reichen und Friede machen. Und den Frieden seid ihr uns
schuldig, dem großen Egmont schuldig.
Alle. Hoch! dem großen Egmont hoch! und abermal hoch! und abermal
hoch!
Jetter. Hätte man uns den statt der Margarete von Parma zum Regenten
gesetzt!
Soest. Nicht so! Wahr bleibt wahr! Ich lasse mir Margareten nicht
schelten. Nun ist's an mir. Es lebe unsre gnäd'ge Frau!

Alle. Sie lebe!
Soest. Wahrlich, treffliche Weiber sind in dem Hause. Die Regentin
lebe!
Jetter. Klug ist sie,
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