Egmont | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
und mäßig in allem, was sie thut; hielte sie's nur
nicht so steif und fest mit den Pfaffen. Sie ist doch auch mit schuld, daß
wir die vierzehn neuen Bischofsmützen im Lande haben. Wozu die nur
sollen? Nicht wahr, daß man Fremde in die guten Stellen einschieben
kann, wo sonst Äbte aus den Kapiteln gewählt wurden? Und wir sollen
glauben, es sei um der Religion willen. Ja, es hat sich. An drei
Bischöfen hatten wir genug: da ging's ehrlich und ordentlich zu. Nun
muß doch auch jeder thun, als ob er nötig wäre; und da setzt's allen
Augenblick Verdruß und Händel. Und je mehr ihr das Ding rüttelt und
schüttelt, desto trüber wird's. (Sie trinken.)
Soest. Das war nun des Königs Wille; sie kann nichts davon, noch dazu
thun.
Jetter. Da sollen wir nun die neuen Psalmen nicht singen. Sie sind
wahrlich gar schön in Reimen gesetzt, und haben recht erbauliche
Weisen. Die sollen wir nicht singen; aber Schelmenlieder, soviel wir
wollen. Und warum? Es seien Ketzereien drin, sagen sie, und Sachen,
Gott weiß. Ich hab' ihrer doch auch gesungen; es ist jetzt was Neues,
ich hab' nichts drin gesehen.
Buyck. Ich wollte sie fragen! In unsrer Provinz singen wir, was wir
wollen. Das macht, daß Graf Egmont unser Statthalter ist; der fragt
nach so etwas nicht.--In Gent, Ypern, durch ganz Flandern singt sie,
wer Belieben hat. (Laut.) Es ist ja wohl nichts unschuldiger, als ein
geistlich Lied? Nicht wahr, Vater?
Ruysum. Ei wohl! Es ist ja ein Gottesdienst, eine Erbauung.
Jetter. Sie sagen aber, es sei nicht auf die rechte Art, nicht auf ihre Art;
und gefährlich ist's doch immer, da läßt man's lieber sein. Die
Inquisitionsdiener schleichen herum und passen auf; mancher ehrliche
Mann ist schon unglücklich geworden! Der Gewissenszwang fehlte
noch! Da ich nicht thun darf, was ich möchte, können sie mich doch
denken und singen lassen, was ich will.
Soest. Die Inquisition kommt nicht auf. Wir sind nicht gemacht, wie
die Spanier, unser Gewissen tyrannisieren zu lassen. Und der Adel muß
auch beizeiten suchen, ihr die Flügel zu beschneiden.
Jetter. Es ist sehr fatal. Wenn's den lieben Leuten einfällt, in mein Haus

zu stürmen, und ich sitz' an meiner Arbeit und summe just einen
französischen Psalm und denke nichts dabei, weder Gutes noch Böses;
ich summe ihn aber, weil er mir in der Kehle ist; gleich bin ich ein
Ketzer und werde eingesteckt. Oder ich gehe über Land, und bleibe bei
einem Haufen Volks stehen, das einem neuen Prediger zuhört, einem
von denen, die aus Deutschland gekommen sind; auf der Stelle heiß' ich
ein Rebell und komme in Gefahr, meinen Kopf zu verlieren. Habt ihr je
einen predigen hören?
Soest. Wackre Leute. Neulich hört' ich einen auf dem Felde vor tausend
und tausend Menschen sprechen. Das war ein ander Geköch, als wenn
unsre auf der Kanzel herumtrommeln und die Leute mit lateinischen
Brocken erwürgen. Der sprach von der Leber weg; sagte, wie sie uns
bisher hätten bei der Nase herumgeführt, uns in der Dummheit erhalten,
und wie wir mehr Erleuchtung haben könnten.--Und das bewies er euch
alles aus der Bibel.
Jetter. Da mag doch auch was dran sein. Ich sagt's immer selbst, und
grübelte so über die Sache nach. Mir ist's lang im Kopf
herumgegangen.
Buyck. Es läuft ihnen auch alles Volk nach.
Soest. Das glaub' ich, wo man was Gutes hören kann und was Neues.
Jetter. Und was ist's denn nun? Man kann ja einen jeden predigen
lassen nach seiner Weise.
Buyck. Frisch, ihr Herren! Über dem Schwätzen vergeßt ihr den Wein
und Oranien.
Jetter. Den nicht zu vergessen! Das ist ein rechter Wall: wenn man nur
an ihn denkt, meint man gleich, man könne sich hinter ihn verstecken,
und der Teufel brächte einen nicht hervor. Hoch! Wilhelm von Oranien,
hoch!
Alle. Hoch! hoch!
Soest. Nun, Alter, bring' auch deine Gesundheit.
Ruysum. Alte Soldaten! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!
Buyck. Bravo, Alter! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!
Jetter. Krieg! Krieg! Wißt ihr auch, was ihr ruft? Daß es euch leicht
vom Munde geht, ist wohl natürlich; wie lumpig aber unser einem
dabei zu Mute ist, kann ich nicht sagen. Das ganze Jahr das Getrommel
zu hören, und nichts zu hören, als wie da ein Haufen gezogen kommt
und dort ein andrer, wie sie über einen Hügel kamen und bei einer

Mühle hielten, wieviel da geblieben sind, wieviel dort, und wie sie sich
drängen, und einer gewinnt, der andere verliert, ohne daß man sein
Tage begreift, wer was gewinnt oder verliert. Wie eine Stadt
eingenommen wird, die Bürger ermordet werden, und wie's den armen
Weibern, den unschuldigen Kindern ergeht. Das ist eine Not und Angst,
man denkt jeden Augenblick: "Da kommen sie! Es geht uns auch so."
Soest. Drum muß auch ein Bürger immer in Waffen geübt sein.
Jetter. Ja, es übt sich, wer Frau und
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