Effi Briest | Page 9

Theodor Fontane
von schlechten Eltern. Wir sind doch nun mal eine historische Familie, la? mich hinzufügen Gott sei Dank, und die Innstettens sind es nicht; die Innstettens sind blo? alt, meinetwegen Uradel, aber was hei?t Uradel? Ich will nicht, da? eine Briest oder doch mindestens eine Polterabendfigur, in der jeder das Widerspiel unserer Effi erkennen mu? - ich will nicht, da? eine Briest mittelbar oder unmittelbar in einem fort von 'Hoher Herr' spricht. Da mü?te denn doch Innstetten wenigstens ein verkappter Hohenzoller sein, es gibt ja dergleichen. Das ist er aber nicht, und so kann ich nur wiederholen, es verschiebt die Situation.?
Und wirklich, Briest hielt mit besonderer Z?higkeit eine ganze Zeitlang an dieser Anschauung fest. Erst nach der zweiten Probe, wo das ?K?thchen?, schon halb im Kostüm, ein sehr eng anliegendes Sammetmieder trug, lie? er sich - der es auch sonst nicht an Huldigungen gegen Hulda fehlen lie? - zu der Bemerkung hinrei?en, das K?thchen liege sehr gut da, welche Wendung einer Waffenstreckung ziemlich gleichkam oder doch zu solcher hinüberleitete. Da? alle diese Dinge vor Effi geheimgehalten wurden, braucht nicht erst gesagt zu werden. Bei mehr Neugier auf seiten dieser letzteren w?re das nun freilich ganz unm?glich gewesen, aber Effi hatte so wenig Verlangen, in die Vorbereitungen und geplanten überraschungen einzudringen, da? sie der Mama mit allem Nachdruck erkl?rte, sie k?nne es abwarten, und Wenn diese dann zweifelte, so schlo? Effi mit der wiederholten Versicherung: Es w?re wirklich so, die Mama k?nne es glauben. Und warum auch nicht? Es sei ja doch alles nur Theateraufführung und hübscher und poetischer als ?Aschenbr?del?, das sie noch am letzten Abend in Berlin gesehen h?tte, hübscher und poetischer k?nne es ja doch nicht Sein. Da h?tte sie wirklich selber mitspielen m?gen, wenn auch nur, um dem l?cherlichen Pensionslehrer einen Kreidestrich auf den Rücken zu machen. ?Und wie reizend im letzten Akt 'Aschenbr?dels Erwachen als Prinzessin' oder wenigstens als Gr?fin; wirklich, es war ganz wie ein M?rchen.? In dieser Weise sprach sie oft, war meist ausgelassener als vordem und ?rgerte sich blo? über das best?ndige Tuscheln und Geheimtun der Freundinnen. ?Ich wollte, sie h?tten sich weniger wichtig und w?ren mehr für mich da. Nachher bleiben sie doch blo? stecken, und ich mu? mich um sie ?ngstigen und mich sch?men, da? es meine Freundinnen sind.? So gingen Effis Spottreden, und es war ganz unverkennbar, da? sie sich um Polterabend und Hochzeit nicht allzusehr kümmerte. Frau von Briest hatte so ihre Gedanken darüber, aber zu Sorgen kam es nicht, weil sich Effi, was doch ein gutes Zeichen war, ziemlich viel mit ihrer Zukunft besch?ftigte und sich, phantasiereich wie sie war, viertelstundenlang in Schilderungen ihres Kessiner Lebens erging, Schilderungen, in denen sich nebenher und sehr zur Erheiterung der Mama eine merkwürdige Vorstellung von Hinterpommern aussprach oder vielleicht auch, mit kluger Berechnung, aussprechen sollte. Sie gefiel sich n?mlich darin, Kessin als einen halbsibirischen Ort aufzufassen, wo Eis und Schnee nie recht aufh?rten.
?Heute hat Goschenhofer das letzte geschickt?, sagte Frau von Briest, als sie wie gew?hnlich in Front des Seitenflügels mit Effi am Arbeitstisch sa?, auf dem die Leinen- und W?schevorr?te best?ndig wuchsen, w?hrend der Zeitungen, die blo? Platz wegnahmen, immer weniger wurden. ?Ich hoffe, du hast nun alles, Effi. Wenn du aber noch kleine Wünsche hegst, so mu?t du sie jetzt aussprechen, wom?glich in dieser Stunde noch. Papa hat den Raps vorteilhaft verkauft und ist ungew?hnlich guter Laune.?
?Ungew?hnlich? Er ist immer in guter Laune.?
?In ungew?hnlich guter Laune?, wiederholte die Mama. ?Und sie mu? genutzt werden. Sprich also. Mehrmals, als wir noch in Berlin waren, war es mir, als ob du doch nach dem einen oder anderen noch ein ganz besonderes Verlangen gehabt h?ttest.?
?Ja, liebe Mama, was soll ich da sagen. Eigentlich habe ich ja alles, was man braucht, ich meine, was man hier braucht. Aber da mir's nun mal bestimmt ist, so hoch n?rdlich zu kommen ... ich bemerke, da? ich nichts dagegen habe, im Gegenteil, ich freue mich darauf, auf die Nordlichter und auf den helleren Glanz der Sterne ... da mir's nun mal so bestimmt ist, so h?tte ich wohl gern einen Pelz gehabt.?
?Aber Effi, Kind, das ist doch alles blo? leere Torheit. Du kommst ja nicht nach Petersburg oder nach Archangel.?
?Nein; aber ich bin doch auf dem Wege dahin...?
?Gewi?, Kind. Auf dem Wege dahin bist du; aber was hei?t das? Wenn du von hier nach Nauen f?hrst, bist du auch auf dem Wege nach Ru?land. Im übrigen, wenn du's wünschst, so sollst du einen Pelz haben. Nur das la? mich im voraus sagen, ich rate dir davon ab. Ein Pelz ist für ?ltere Personen, selbst deine alte Mama ist noch zu jung dafür, und wenn du mit deinen siebzehn Jahren in Nerz oder Marder auftrittst, so glauben die Kessiner, es sei eine Maskerade.?
Das war am 2. September, da? sie so sprachen, ein Gespr?ch, das sich wohl fortgesetzt h?tte,
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