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-- -- William Wilson. Natürlich ist es Poe. So sehr Poe, dass der Pfaffe
Griswold geruhig Wilsons Geburtsjahr -- 1813 -- als das des Dichters
angibt! -- Der Knabe herrscht in der alten Boarding-School zu
Stoke-Newington über all seine Mitschüler, nur über einen nicht, den
+andern+ Wilson: sich selbst. Und er, dessen ererbter leichter Sinn ihn
als Knaben, Jüngling und Mann immer wieder zum Lumpen werden
lässt, wird sein Gewissen nicht los: den +andern+ Wilson, sich selbst.
Trotz des Gewissens stösst ihn sein Hang zum Verbrechen in der Welt
herum, und immer von neuem ist er selbst sein strafender Richter.[2]
So ist des Dichters Kindheit, so sein Jünglingsalter vergiftet. Das
ererbte und durch die Erziehung noch mehr entwickelte Gefühl für gut
und böse ist so überstark in ihm, dass er aus dem ewigen Hin und Her
nicht herauskommt, schier an ihm zugrunde geht. Jedes kleine Unrecht,
das er begangen, wächst in seinen Träumen zum ungeheuerlichen
Verbrechen und quält ihn, quält ihn. Noch mehr: die Gedankensünde,
das Spielen mit der Idee des Bösen sind in seinen Träumen zu
Wahrheiten geworden: er ist selbst der Held all seiner grausigen
Geschichten. Die Sünden der Väter rächen sich an dem letzten Spross
des Geschlechtes; wie sein Friedrich von Metzengerstein reitet er auf
dem dämonischen Ross in alle Flammen der Hölle.
* * *
-- -- Wie doch die Ulmenblätter rauschen! Und ich höre des Unseligen
Stimme aus den Winden:
»Wenn ich kein Dichter gewesen wäre, wäre ich wohl ein Mörder
geworden. Ein Betrüger, ein Dieb, ein Räuber und Falschspieler.«
Die Blätter der Ulmen klingen, und wieder rauscht seine Stimme:
»Und vielleicht wäre ich glücklicher gewesen.«
* * *
Ich denke: wer weiss? -- Gibt es wohl einen Verbrecher, dem seine
Taten die Martern brachten, wie dem Dichter die Verbrechen, die er nie
begangen? Denn Edgar Allan Poe ist in seinen Träumen, +die ihm
allein das wahre Leben waren+, nicht nur der Mörder, er ist auch
zugleich das Opfer. Er mauert seinen Feind lebendig in den Keller ein
-- und er ist es selbst, der eingemauert wird. (»Ein Fass Amontillado.«)
Er mordet, weil er muss, den Mann mit dem Geierauge, er verscharrt
ihn unter den Dielen, und das Herz, das darunter klopft und klopft und
die Tat verrät, ist wieder sein eigenes. (»Das verräterische Herz.«) Der
doppelte William Wilson: überall.
Selten hat ein Künstler so wenig über dem gestanden, was er schuf, nie
hat einer so sehr in seinen Werken gelebt. Ein Deutscher, ein Franzose
hätte sich leichter von dem unseligen Moralbegriff emanzipiert; dem
Dichter aber lastete durch Abstammung und Erziehung eine
erdrückende Religiosität auf der Seele, von der er sich nie ganz
befreien konnte. Spät erst gelang es ihm, sich etwas zu distancieren:
ganz jenseits von Gut und Böse hat er nie gestanden. Der alte englische
Fluch drückte ihn, keine Folter wurde ihm erspart; diese arme Seele
musste alle wahnsinnigen Höllenqualen der Breughel, der Jean van
Bosch und Goya bis zur letzten Neige auskosten.
O ja, wäre er ein Verbrecher der Tat, nicht des Gedankens gewesen,
hätte er am Galgen sein Dasein beschlossen, statt im
Armenkrankenhaus, sein Leben wäre elend und jammervoll gewesen --
-- doch nicht so schrecklich, als es war.
Aber Tempel erstanden aus den Schädelstätten, Lilienfelder auf
blutgedüngten Wiesen. Und wir Glücklichen geniessen die herrlichen
Blumen, die aus des Dichters vergiftetem Herzblut erwuchsen.
* * *
Die Quellbächlein plätschern durch den Park der Alhambra. Kleine
muntere Bächlein, die plaudern und schwatzen. In den schmalen
kieselgepflasterten Betten springen sie schnell vorbei, schnell wie die
guten Stunden in des Dichters Leben dahineilten. Die Stunden,
Minuten vielleicht, in denen er harmlos fröhlich sein konnte.
Dann träumte er irgendeinen lustigen Traum. Etwa von dem Manne mit
der wunderbar grossen Nase, die alle Welt in Begeisterung setzte, die
Maler malten und Herzoginnen küssten. Diese köstliche kleine
Geschichte, die in der bizarren Art ihrer Anlage Mark Twain
vorweggenommen ist. Nur dass bei Poe die grotesken Übertreibungen
viel feiner, viel natürlicher herauskommen, dass sich nirgends ein
Wortwitz vordrängend breit macht.
Oder er macht sich über die breiten Bettelsuppen lustig, die die
Wochenblätter ihren gutmütigen Lesern auftischen, gibt der Miss
Zenobia Unterricht, wie sie einen tüchtigen Blackwoodartikel
abzufassen hat, lässt den ehrenwerten Herrn Thingum Bob von der
»Weltlaterne« höchst ergötzlich über seine literarische Laufbahn
plaudern. -- So leicht, so liebenswürdig und einschmeichelnd ist des
Dichters Witz! Wie die Bächlein, die munter plaudernd durch den Park
der Alhambra plätschern -- --
* * *
Aber wie die Nachtigallen schluchzen seine Träume der Sehnsucht.
Und aus der Seele einer Nachtigall scheint die Stimme gemacht, die sie
sang. So rein, so ohne Makel; die heilige Cäcilia möchte aus Neid ihre
Geige zerbrechen und Apoll seine Leier zerschlagen. War dem Dichter
in seinen Verbrecherträumen keine Hölle tief genug, so war ihm in
diesen heiligen Gesängen kein Himmel zu hoch.
Nirgends finden wir bei Poe
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