Die schönsten Geschichten der Lagerlöf | Page 5

Selma Lagerlöf
sich freilich damit, da? er unm?glich die Absicht haben k?nnte, die Kinder zu behalten; aber sie hatte doch keine rechte Ruhe mehr.
Sobald die Scheidung durchgeführt war, war sie zurückgekommen und hatte eine Wohnung gemietet, in der sie mit den Knaben leben wollte. Erst vor zwei Tagen hatte sie alles fertig gehabt, so da? die Knaben zu ihr übersiedeln konnten. Es war der glücklichste Tag, den die Kinder noch erlebt hatten. Die ganze Wohnung bestand aus einem gro?en Zimmer und einer gro?en Küche, aber alles war neu und fein, und Mutter hatte es so au?erordentlich behaglich eingerichtet. Das Zimmer sollte Mutter und ihnen tagsüber als Arbeitsraum dienen, und nachts sollten die Knaben da schlafen. Die Küche war sehr niedlich und hell. Da würden sie essen. Und in einem kleinen Verschlag hinter der Küche hatte Mutter ihr Bett.
Mutter hatte ihnen gesagt, da? sie sehr arm sein würden. Sie hatte eine Stelle als Gesanglehrerin an der M?dchenschule bekommen; aber dies war auch alles: davon mu?ten sie leben. Sie waren nicht in der Lage, sich ein Dienstm?dchen zu halten, sondern mu?ten sich allein helfen. Die Knaben waren über das Ganze in hellstem Entzücken; vor allem darüber, da? sie mit angreifen durften. Sie erboten sich, Holz und Wasser zu tragen. Sie wollten die Schuhe putzen und die Betten machen. Es war ein rechter Spa?, sich das alles auszudenken.
Eine Kammer war da, wo Lennart alle seine Maschinen aufheben konnte. Er selbst sollte den Schlüssel dazu haben, und kein andrer als Hugo und er sollten sie je betreten dürfen.
Aber nur einen einzigen Tag durften die Knaben bei Mutter glücklich sein. Dann hatte ihnen Vater die Freude verdorben, wie er es stets getan hatte, solange sie sich zurückerinnern konnten. Mutter hatte ihnen erz?hlt, sie habe geh?rt, da? Vater eine Erbschaft von einigen tausend Kronen gemacht h?tte; er habe seine Stellung gekündigt und wolle nun nach Stockholm ziehen. Mutter und sie hatten sich sehr darüber gefreut, da? er die Stadt verlie?, so da? sie ihm nicht mehr auf der Stra?e zu begegnen brauchten. Aber dann war einer von Vaters Freunden mit der Botschaft zu Mutter gekommen, da? Vater die Knaben nach Stockholm mitnehmen wolle.
Mutter hatte geweint und gefleht, ihre Knaben behalten zu dürfen, aber Vaters Abgesandter hatte geantwortet, da? Vater fest entschlossen sei, die Knaben in seine Obhut zu nehmen. Wenn sie nicht gutwillig k?men, würde er sie durch die Polizei holen lassen. Er sagte, Mutter solle doch das Scheidungsurteil durchlesen, da stünde es ja deutlich, da? die Knaben dem Vater geh?rten. Und das wu?te Mutter ja auch. Das lie? sich nicht leugnen.
Vaters Freund hatte viele sch?ne Dinge gesagt: Vater liebe seine Jungen und wolle sie deshalb für sich haben ... Aber die Knaben wu?ten, da? Vater sie einzig und allein fortschleppte, um Mutter zu qu?len. Er hatte sich das ausgedacht, damit Mutter an der Trennung von ihm keine Freude h?tte. Sie sollte in best?ndiger Unruhe um die Knaben leben. Das Ganze war nur Rache und Bosheit.
Aber Vater hatte seinen Willen durchgesetzt, und hier waren sie nun auf dem Wege nach Stockholm. Und ihnen gegenüber sa? Vater und freute sich, da? er Mutter unglücklich gemacht hatte. Mit jedem Augenblick, der verging, wurde ihnen der Gedanke, da? sie bei Vater bleiben und mit ihm leben mü?ten, immer widerw?rtiger. Waren sie denn v?llig in seiner Gewalt? Gab es keine Rettung?
Vater hat sich in seine Ecke zurückgelehnt, und nach einem Weilchen schlummert er ein. Sogleich beginnen die Knaben sehr lebhaft miteinander zu flüstern. Es wird ihnen nicht schwer, einen Entschlu? zu fassen. Den ganzen Tag haben sie, jeder für sich, nur daran gedacht, durchzubrennen.
Sie verabreden, sich auf die Plattform schleichen und aus dem Zuge zu springen, wenn er gerade durch einen gro?en Wald führe. Dann würden sie sich an einem versteckten Pl?tzchen im Wald eine Hütte bauen und dort allein leben, ohne sich irgendeinem Menschen zu zeigen.
W?hrend die Knaben diese Pl?ne schmieden, bleibt der Zug an einer Station stehen, und eine B?uerin, die ein kleines Kind an der Hand führt, steigt in das Kupee. Sie ist schwarz gekleidet, tr?gt ein Kopftuch und sieht gut und freundlich aus. Sie zieht dem Kleinen das überr?ckchen aus, das vom Regen na? geworden ist, und wickelt ihn in einen Schal. Dann zieht sie ihm die Schuhe ab, trocknet die kalten Fü?chen, sucht aus einem Bündel Strümpfe und Schuhe hervor und legt sie ihm an. Schlie?lich steckt sie ihm ein Bonbon zu und legt ihn auf die Bank, den Kopf auf ihrem Scho?e, damit er einschlafe.
Bald wirft der eine, bald der andre Knabe einen Blick auf die B?uerin, die sich mit ihrem Kinde besch?ftigt. Diese Blicke werden immer h?ufiger, und pl?tzlich haben die Knaben, beide zugleich, Tr?nen in den Augen. Nun sehen sie nicht mehr auf, sondern halten die Augen hartn?ckig niedergeschlagen.
Es ist, als w?re zugleich mit der B?uerin noch jemand anders, der für alle, au?er für
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