Die natuerliche Tochter | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
entgegen.
Hofmeisterin. O m?chtest du mir alles gleich vertrauen!
Eugenie. Von allen Menschen dir zuerst. Nur jetzt, Geliebte, lass mich mir. Ich muss allein Ins eigene Gef��hl mich finden lernen. Du wei?t, wie hoch mein Vater sich erfreut, Wenn unerwartet ihm ein klein Gedicht Entgegenkommt, wie mir's der Muse Gunst Bei manchem Anlass willig schenken mag. Verlass mich! Eben schwebt mir's heiter vor, Ich muss es haschen, sonst entschwindet's mir.
Hofmeisterin. Wann soll wie sonst vertrauter Stunden Reihe Mit reichlichen Gespr?chen uns erquicken? Wann ?ffnen wir, zufriednen M?dchen gleich, Die ihren Schmuck einander wiederholt Zu zeigen kaum erm��den, unsres Herzens Geheimste F?cher, uns bequem und herzlich Des wechselseit'gen Reichtums zu erfreuen?
Eugenie. Auch jene Stunden werden wieder kehren, Von deren stillem Gl��ck man mit Vertrauen, Sich des Vertrauns erinnernd, gerne spricht. Doch heute lass in voller Einsamkeit Mich das Bed��rfnis jener Tage finden.

Vierter Auftritt Eugenie, nachher Hofmeisterin au?en.
Eugenie (eine Brieftasche hervorziehend). Und nun geschwind zum Pergament, zum Griffel! Ich hab' es ganz und eilig fass' ich's auf, Was ich dem K?nige zu jener Feier, Bei der ich, neu geboren durch sein Wort, Ins Leben trete, herzlich widmen soll.
(Sie rezitiert langsam und schreibt.)
Welch Wonneleben wird hier ausgespendet! Willst du, o Herr der obern Regionen, Des Neulings Unverm?gen nicht verschonen? Ich sinke hin, von Majest?t geblendet. Doch bald getrost zu dir hinauf gewendet Erfreut's mich, an dem Fu? der festen Thronen, Ein Spr?ssling deines Stamms, begl��ckt zu wohnen, Und all mein fr��hes Hoffen ist vollendet. So flie?e denn der holde Born der Gnaden! Hier will die treue Brust so gern verweilen Und an der Liebe Majest?t sich fassen. Mein Ganzes h?ngt an einem zarten Faden, Mir ist, als m��sst' ich unaufhaltsam eilen, Das Leben, das du gabst, f��r dich zu lassen.
(Das Geschriebene mit Gef?lligkeit betrachtend.)
So hast du lange nicht, bewegtes Herz, Dich in gemessnen Worten ausgesprochen! Wie gl��cklich, den Gef��hlen unsrer Brust F��r ew'ge Zeit den Stempel aufzudr��cken! Doch ist es wohl genug? Hier quillt es fort, Hier quillt es auf!--Du nahest, gro?er Tag, Der uns den K?nig gab und der nun mich Dem K?nige, dem Vater, mich mir selbst Zu ungemessner Wonne geben soll. Dies hohe Fest verherrliche meine Lied! Befl��gelt dr?ngt sich Phantasie voraus, Sie tr?gt mich vor den Thron und stellt mich vor, Sie gibt im Kreise mir--
Hofmeisterin (au?en). Eugenie!
Eugenie. Was soll das?
Hofmeisterin. H?re mich und ?ffne gleich!
Eugenie. Verhasste St?rung! ?ffnen kann ich nicht.
Hofmeisterin. Vom Vater Botschaft!
Eugenie. Wie? Vom Vater? Gleich! Da muss ich ?ffnen.
Hofmeisterin. Gro?e Gaben scheint Er dir zu schicken.
Eugenie. Warte!
Hofmeisterin. H?rst du?
Eugenie. Warte! Doch wo verberg' ich dieses Blatt? Zu klar Spricht's jene Hoffnung aus, die mich begl��ckt. Hier ist nichts zum Verschlie?en! Und bei mir Ist's nirgend sicher, diese Tasche kaum; Denn meine Leute sind nicht alle treu. Gar manches hat man schon mir, als ich schlief, Durchbl?ttert und entwendet. Das Geheimnis, Das gr??te, das ich je gehegt, wohin, Wohin verberg' ich's?
(Indem sie sich der Seitenwand n?hert.)
Wohl! Hier war es ja, Wo du, geheimer Wandschrank, meiner Kindheit Unschuldige Geheimnisse verbargst! Du, den mir kindisch allaussp?hende, Von Neugier und von M��?iggang erzeugte, Rastlose T?tigkeit entdecken half, Du, jedem ein Geheimnis, ?ffne dich!
(Sie dr��ckt an einer unbemerkbaren Feder, und eine kleine T��re springt auf.)
So wie ich sonst verbotnes Zuckerwerk Zu listigem Genuss in dir versteckte, Vertrau' ich heute meines Lebens Gl��ck Entz��ckt und sorglich dir auf kurze Zeit.
(Sie legt das Pergament in den Schrank und dr��ckt ihn zu.)
Die Tage schreiten vor, und ahnungsvoller Bewegen sich nun Freud' und Schmerz heran.
(Sie ?ffnet die T��re.)

F��nfter Auftritt Eugenie. Hofmeisterin. Bediente, die einen pr?chtigen Putzkasten tragen.
Hofmeisterin. Wenn ich dich st?rte, f��hr' ich gleich mit mir, Was mich gewiss entschuld'gen soll, herbei.
Eugenie. Von meinem Vater? Dieser pr?cht'ge Schrein! Auf welchen Inhalt deutet solch Gef???
(Zu den Bedienten.)
Verweilt!
(Sie reicht ihnen einen Beutel hin.)
Zum Vorschmack eures Botenlohns Nehmt diese Kleinigkeit! Das Bessre folgt.
(Bediente gehen.)
Und ohne Brief und ohne Schl��ssel! Steht Mir solch ein Schatz verborgen, in der N?he? O Neugier! O Verlangen! Ahnest du, Was diese Gabe mir bedeuten kann?
Hofmeisterin. Ich zweifle nicht, du hast es selbst erraten. Auf n?chste Hoheit deutet sie gewiss. Den Schmuck der F��rstentochter bringt man dir, Weil dich der K?nig bald berufen wird.
Eugenie. Wie kannst du das vermuten?
Hofmeisterin. Wei? ich's doch! Geheimnisse der Gro?en sind belauscht.
Eugenie. Und wenn du's wei?t, was soll ich dir's verbergen? Soll ich die Neugier, dies Geschenk zu sehn, Vor dir umsonst bez?hmen!--Hab' ich doch Den Schl��ssel hier!--Der Vater zwar verbot's. Doch was verbot er? Das Geheimnis nicht Unzeitig zu entdecken; doch dir ist Es schon entdeckt. Du kannst nicht mehr erfahren, Als du schon wei?t, und schweigst nun, mir zuliebe. Was zaudern wir? Komm, lass uns ?ffnen! Komm, Dass uns der Gaben hoher Glanz entz��cke.
Hofmeisterin. Halt ein! Gedenke des Verbots! Wer wei?, Warum der Herzog weislich so befohlen?
Eugenie. Mit Sinn befahl er, zum bestimmten Zweck; Der ist vereitelt; alles wei?t du schon. Du liebst mich, bist verschwiegen, zuverl?ssig. Lass
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