Die natuerliche Tochter | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
Was sinnest du? Enth��lle mir dein Herz.
Eugenie (nach einer Pause). Auch du bist unter denen, die er f��rchtet.
Herzog. Er f��rchte jene, die zu f��rchten sind.
Eugenie. Und sollten ihm geheime Feinde drohen?
Herzog. Wer die Gefahr verheimlicht, ist ein Feind. Wo sind wir hingeraten! Meine Tochter! Wie hat der sonderbarste Zufall uns Auf einmal weggerissen nach dem Ziel. Unvorbereitet red' ich, ��bereilt Verwirr' ich dich, anstatt dich aufzukl?ren. So musste dir der Jugend heitres Gl��ck Beim ersten Eintritt in die Welt verschwinden. Du konntest nicht in s��?er Trunkenheit Der blendenden Befriedigung genie?en. Das Ziel erreichst du; doch des falschen Kranzes Verborgne Dornen ritzen deine Hand. Geliebtes Kind! So sollt' es nicht geschehn! Erst nach und nach, so hofft' ich, w��rdest du Dich aus Beschr?nkung an die Welt gew?hnen, Erst nach und nach den liebsten Hoffnungen Entsagen lernen, manchem holden Wunsch. Und nun auf einmal, wie der j?he Sturz Dir vorbedeutet, bist du in den Kreis Der Sorgen, der Gefahr herabgest��rzt. Misstrauen atmet man in dieser Luft, Der Neid verhetzt ein fieberhaftes Blut Und ��bergibt dem Kummer seine Kranken. Ach, soll ich nun nicht mehr ins Paradies, Das dich umgab, am Abend wieder kehren, Zu deiner Unschuld heil'gen Vorgef��hl Mich von der Welt gedr?ngter Posse retten! Du wirst fortan, mit mir ins Netz verstrickt, Gel?hmt, verworren, dich und mich betrauern.
Eugenie. Nicht so, mein Vater! Konnt' ich schon bisher, Unt?tig, abgesondert, eingeschlossen, Ein kindlich Nichts, die reinste Wonne dir, Schon in des Daseins Unbedeutenheit Erholung, Trost und Lebenslust gew?hren: Wie soll die Tochter erst, in dein Geschick Verflochten, im Gewebe deines Lebens Als heitrer bunter Faden k��nftig gl?nzen! Ich nehme teil an jeder edlen Tat, An jeder gro?en Handlung, die den Vater Dem K?nig und dem Reiche werter macht. Mein frischer Sinn, die jugendliche Lust, Die mich belebt, sie teilen dir sich mit, Verscheuchen jene Tr?ume, die der Welt Un��berwindlich ungeheure Last Auf eine Menschenbrust zerknirschend w?lzen. Wenn ich dir sonst in tr��ben Augenblicken Ohnm?cht'gen guten Willen, arme Liebe, Dir leere T?ndeleien kindlich bot; Nun hoff' ich, eingeweiht in deine Pl?ne, Bekannt mit deinen W��nschen, mir das Recht Vollb��rt'ger Kindschaft r��hmlich zu erwerben.
Herzog. Was du bei diesem wicht'gen Schritt verlierst, Erscheint dir ohne Wert und ohne W��rde; Was du erwartest, sch?tzest du zu sehr.
Eugenie. Mit hoch erhabnen, hoch begl��ckten M?nnern Gewalt'ges Ansehn, w��rd'gen Einfluss teilen, F��r edle Seelen reizender Gewinn!
Herzog. Gewiss! Vergib, wenn du in dieser Stunde Mich schw?cher findest, als dem Manne ziemt. Wir tauschten sonderbar die Pflichten um: Ich soll dich leiten, und du leitest mich.
Eugenie. Wohl denn, mein Vater, tritt mit mir herauf In diese Regionen, wo mir eben Die neue, heitre Sonne sich erhebt! In diesen muntren Stunden l?chle nur, Wenn ich den Inbegriff von meinen Sorgen Dir auch er?ffne.
Herzog. Sage, was es ist.
Eugenie. Der wichtigen Momente gibt's im Leben Gar manche, die mit Freude, die mit Trauer Des Menschen Herz best��rmen. Wenn der Mann Sein ?u?eres in solchem Fall vergisst, Nachl?ssig oft sich vor die Menge stellt, So w��nscht ein Weib noch, jedem zu gefallen, Durch ausgesuchte Tracht, vollkommnen Schmuck Beneidenswert vor andern zu erscheinen. Das hab' ich oft geh?rt und oft bemerkt, Und nun empfind' ich im bedeutendsten Momente meines Lebens, dass auch ich Der m?dchenhaften Schwachheit schuldig bin.
Herzog. Was kannst du w��nschen, das du nicht erlangst?
Eugenie. Du bist geneigt, mir alles zu gew?hren, Ich wei? es. Doch der gro?e Tag ist nah, Zu nah, um alles w��rdig zu bereiten; Und was von Stoffen, Stickerei und Spitzen, Was von Juwelen mich umgeben soll, Wie kann's geschafft, wie kann's vollendet werden?
Herzog. Uns ��berrascht l?ngst gew��nschtes Gl��ck; Doch vorbereitet k?nnen wir's empfangen. Was du bedarfst, ist alles angeschafft, Und heute noch, verwahrt im edlen Schrein, Erh?ltst du Gaben, die du nicht erwartet. Doch leichte Pr��fung leg' ich dir dabei Zum Vorbild mancher k��nftig schweren auf. Hier ist der Schl��ssel! Den verwahre wohl! Bez?hme deine Neugier! ?ffne nicht, Eh' ich dich wieder sehe, jenen Schatz. Vertraue niemand, sei es, wer es sei. Die Klugheit r?t's, der K?nig selbst gebeut's.
Eugenie. Dem M?dchen sinnst du harte Pr��fung aus; Doch will ich sie bestehn, ich schw?r' es dir!
Herzog. Mein eigner w��ster Sohn umlauert ja Die stillen Wege, die ich dich gef��hrt. Der G��ter kleinen Teil, den ich bisher Dir schuldig zugewandt, missg?nnt er schon. Erf��hr' er, dass du, h?her nun empor Durch unsres K?nigs Gunst gehoben, bald In manchem Recht ihm gleich dich stellen k?nntest, Wie m��sst' er w��ten! W��rd' er t��ckisch nicht, Den sch?nen Schritt zu hindern, alles tun?
Eugenie. Lass uns im Stillen jenen Tag erharren. Und wenn geschehn ist, was mich seine Schwester Zu nennen mich berechtigt, soll's an mir, Soll's an gef?lligem Betragen, guten Worten, Nachgiebigkeit und Neigung nicht gebrechen. Er ist dein Sohn; und sollt' er nicht nach dir Zur Liebe, zur Vernunft gebildet sein?
Herzog. Ich traue dir ein jedes Wunder zu, Verrichte sie zu meines Hauses Bestem Und lebe
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