Die natuerliche Tochter | Page 3

Johann Wolfgang von Goethe
nun bald Auch ihren Vater, ihre Freunde kennen. Nicht so umher, mein liebes Kind, verschwende Die Blicke staunend, ungewiss; auf mich, Auf deinen Vater wende sie zuerst. Erkenne mich, lass meine Stimme dir Zuerst das Ohr ber��hren, da du uns Aus jener stummen Nacht zur��ckekehrst.
Eugenie (die indes nach und nach zu sich gekommen ist und sich aufgerichtet hat). Was ist aus uns geworden?
Herzog. Kenne mich Nur erst!--Erkennst du mich?
Eugenie. Mein Vater!
Herzog. Ja! Dein Vater, den mit diesen holden T?nen Du aus den Armen der Verzweiflung rettest.
Eugenie. Wer bracht' uns unter diese B?ume?
Herzog (dem der Wundarzt ein wei?es Tuch gegeben). Bleib Gelassen, meine Tochter! Diese St?rkung, Nimm sie mit Ruhe, mit Vertrauen an!
Eugenie (Sie nimmt dem Vater das Tuch ab, das er ihr vorgehalten, und verbirgt ihr Gesicht darin. Dann steht sie schnell auf, indem sie das Tuch vom Gesicht nimmt). Da bin ich wieder!--Ja, nun wei? ich alles. Dort oben hielt ich, dort verma? ich mich Herab zu reiten, grad' herab. Verzeih! Nicht wahr, ich bin gest��rzt? Vergibst du mir's? F��r tot hob man mich auf? Mein guter Vater! Und wirst du die Verwegne lieben k?nnen, Die solche bittre Schmerzen dir gebracht?
Herzog. Zu wissen glaubt' ich, welch ein edler Schatz In dir, o Tochter, mir beschieden ist; Nun steigert mir gef��rchteter Verlust Des Gl��cks Empfindung ins Unendliche.
K?nig (der sich bisher im Grunde mit dem Wundarzt und dem Grafen unterhalten, zu dem letzten). Entferne jedermann! Ich will sie sprechen.

F��nfter Auftritt K?nig. Herzog. Eugenie.
K?nig (n?her tretend). Hat sich die wackre Reiterin erholt? Hast sie sich nicht besch?digt?
Herzog. Nein, mein K?nig! Und was noch ��brig ist von Schreck und Weh, Nimmst du, o Herr, durch deinen milden Blick, Durch deiner Worte sanften Ton hinweg.
K?nig. Und wem geh?rt es an, das liebe Kind?
Herzog (nach einer Pause). Da du mich fragst, so darf ich dir bekennen; Da du gebietest, darf ich sie vor dich Als meine Tochter stellen.
K?nig. Deine Tochter? So hat f��r dich das Gl��ck, mein lieber Oheim, Unendlich mehr als das Gesetz getan.
Eugenie. Wohl muss ich fragen, ob ich wirklich denn Aus jener t?dlichen Bet?ubung mich Ins Leben wieder aufgerafft? Und ob, Was mir begegnet, nicht ein Traumbild sei? Mein Vater nennt vor seinem K?nige Mich seine Tochter. O, so bin ich's auch! Der Oheim eines K?niges bekennt Mich f��r sein Kind, so bin ich denn die Nichte Des gro?en K?nigs. O verzeihe mir Die Majest?t! Wenn aus geheimnisvollem, Verborgnem Zustand ich, ans Licht auf einmal Hervor gerissen und geblendet, mich, Unsicher, schwankend, nicht zu fassen wei?.
(Sie wirft sich vor dem K?nig nieder.)
K?nig. Mag diese Stellung die Ergebenheit In dein Geschick von Jugend auf bezeichnen, Die Demut, deren unbequeme Pflicht Du, deiner h?heren Geburt bewusst, So manches Jahr im Stillen ausge��bt! Doch sei auch nun, wenn ich von meinen F��?en Zu meinem Herzen dich herauf gehoben,
(Er hebt sie auf und dr��ckt sie sanft an sich.)
Wenn ich des Oheims heil'gen Vaterkuss Auf dieser Stirne sch?nen Raum gedr��ckt, So sei dies auch ein Zeichen, sei ein Siegel, Dich, die Verwandte, hab' ich anerkannt Und werde bald, was hier geheim geschah, Vor meines Hofes Augen wiederholen.
Herzog. So gro?e Gabe fordert ungeteilten Und unbegrenzten Dank des ganzen Lebens.
Eugenie. Von edlen M?nnern hab' ich viel gelernt, Auch manches lehrte mich mein eigen Herz; Doch meinen K?nig anzureden, bin Ich nicht entfernterweise vorbereitet. Doch wenn ich schon das ganz Geh?rige Dir nicht zu sagen wei?, so m?cht' ich doch Vor dir, o Herr, nicht ungeschickt verstummen. Was fehlte dir? Was w?re dir zu bringen? Die F��lle selber, die zu dir sich dr?ngt, Flie?t nur f��r andere str?mend wieder fort. Hier stehen Tausende, dich zu besch��tzen, Hier wirken Tausende nach deinem Wink; Und wenn der einzelne dir Herz und Geist Und Arm und Leben fr?hlich opfern wollte; In solcher gro?en Menge z?hlt er nicht, Er muss vor dir und vor sich selbst verschwinden.
K?nig. Wenn dir die Menge, gutes, edles Kind, Bedeutend scheinen mag, so tadl' ich's nicht; Sie ist bedeutend, mehr noch aber sind's Die wenigen, geschaffen, dieser Menge Durch Wirken, Bilden, Herrschen vorzustehn. Berief hierzu den K?nig die Geburt, So sind ihm seine n?chsten Anverwandten Geborne R?te, die, mit ihm vereint, Das Reich besch��tzen und begl��cken sollten. O tr?te doch in diese Regionen, Zum Rate dieser hohen W?chter nie Vermummte Zwietracht, leise wirkend, ein! Dir, edle Nichte, geb' ich einen Vater Durch allgewalt'gen k?niglichen Spruch; Erhalte mir nun auch, gewinne mir Des nah verwandten Mannes Herz und Stimme! Gar viele Widersacher hat ein F��rst, O lass ihn jene Seite nicht verst?rken!
Herzog. Mit welchem Vorwurf kr?nkest du mein Herz!
Eugenie. Wie unverst?ndlich sind mir diese Worte!
K?nig. O lerne sie nicht allzu fr��h verstehn! Dir Pforten unsres k?niglichen Hauses Er?ffn' ich dir mit eigner Hand; ich f��hre Auf glatten Marmorboden dich hinein. Noch staunst du dich, noch staunst du alles an, Und in den innern Tiefen ahnest du Nur sichre W��rde mit
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