Die natuerliche Tochter | Page 4

Johann Wolfgang von Goethe
Zufriedenheit. Du wirst es anders finden! Ja, du bist In eine Zeit gekommen, wo dein K?nig Dich nicht zum heitren, frohen Feste ruft, Wenn er den Tag, der ihm das Leben gab, In kurzem feiern wird; doch soll der Tag Um deinetwillen mir willkommen sein; Dort werd' ich dich im offnen Kreise sehn, Und aller Augen werden auf dir haften. Die sch?nste Zierde gab dir die Natur; Und dass der Schmuck der Fürstin würdig sei, Die Sorge lass dem Vater, lass dem K?nig.
Eugenie. Der freud'gen überraschung lauter Schrei, Bedeutender Geb?rde dringend Streben, Verm?chten sie die Wonne zu bezeugen, Die du dem Herzen schaffend aufgeregt? Zu deinen Fü?en, Herr, lass mich verstummen.
(Sie will knien.)
K?nig (h?lt sie ab). Du sollst nicht knien.
Eugenie. Lass, o lass mich hier Der v?lligsten Ergebung Glück genie?en. Wenn wir in raschen, mutigen Momenten Auf unsern Fü?en stehen, strack und kühn, Als eigner Stütze froh uns selbst vertraun, Dann scheint uns Welt und Himmel zu geh?ren. Doch was in Augenblicken der Entzückung Die Knie beugt, ist auch ein sü? Gefühl. Und was wir unserm Vater, K?nig, Gott Von Wonnedank, von ungemessner Liebe Zum reinsten Opfer bringen m?chten, drückt In dieser Stellung sich am besten aus.
(Sie f?llt vor ihm nieder.)
Herzog (kniet). Erneute Huldigung gestatte mir.
Eugenie. Zu ewigen Vasallen nimm uns an.
K?nig. Erhebt euch denn und stellt euch neben mich, Ins Chor der Treuen, die an meiner Seite Das Rechte, das Best?ndige beschützen. O diese Zeit hat fürchterliche Zeichen: Das Niedre schwillt, das Hohe senkt sich nieder, Als k?nnte jeder nur am Platz des andern Befriedigung verworrner Wünsche finden, Nur dann sich glücklich fühlen, wenn nichts mehr Zu unterscheiden w?re, wenn wir alle, Von einem Strom vermischt dahin gerissen, Im Ozean uns unbemerkt verl?ren. O lasst uns widerstehen, lasst uns tapfer, Was uns und unser Volk erhalten kann, Mit doppelt neu vereinter Kraft erhalten! Lasst endlich uns den alten Zwist vergessen, Der Gro?e gegen Gro?e reizt, von innen Das Schiff durchbohrt, das, gegen ?u?re Wellen Geschlossen k?mpfend, nur sich halten kann.
Eugenie. Welch frisch wohlt?t'ger Glanz umleuchtet mich Und regt mich auf, anstatt mich zu verblenden! Wie! Unser K?nig achtet uns so sehr, Um zu gestehen, dass er uns bedarf; Wir sind ihm nicht Verwandte nur, wir sind Durch sein Vertraun zum h?chsten Platz erhoben. Und wenn die Edlen seines K?nigreichs Um ihn sich dr?ngen, seine Brust zu schützen, So fordert er uns auf zu gr??erem Dienst. Die Herzen dem Regenten zu erhalten, Ist jedes Wohlgesinnten h?chste Pflicht; Denn, wo er wankt, wankt das gemeine Wesen, Und wenn er f?llt, mit ihm stürzt alles hin. Die Jugend, sagt man, bilde sich zu viel Auf ihre Kraft, auf ihren Willen ein; Doch dieser Wille, diese Kraft, auf ewig, Was sie verm?gen, dir geh?rt es an.
Herzog. Des Kindes Zuversicht, erhabner Fürst, Wei?t du zu sch?tzen, wei?t du zu verzeihen. Und wenn der Vater, der erfahrne Mann, Die Gabe dieses Tags, die n?chste Hoffnung In ihrem ganzen Werte fühlt und w?gt, So bist du seines vollen Danks gewiss.
K?nig. Wir wollen bald einander wieder sehn, An jenem Fest, wo sich die treuen Meinen Der Stunde freun, die mir das Licht gegeben. Dich geb' ich, edles Kind, an diesem Tage Der gro?en Welt, dem Hofe, deinem Vater Und mir. Am Throne gl?nze dein Geschick. Doch bis dahin verlang' ich von euch beiden Verschwiegenheit. Was unter uns geschehn, Erfahre niemand. Missgunst lauert auf, Schnell regt sie Wog' auf Woge, Sturm auf Sturm; Das Fahrzeug treibt an j?he Klippen hin, Wo selbst der Steurer nicht zu retten wei?. Geheimnis nur verbürget unsre Taten; Ein Vorsatz, mitgeteilt, ist nicht mehr dein; Der Zufall spielt mit deinem Willen schon; Selbst wer gebieten kann, muss überraschen. Ja, mit dem besten Willen leisten wir So wenig, weil uns tausend Willen kreuzen. O w?re mir zu meinen reinen Wünschen Auch volle Kraft auf kurze Zeit gegeben; Bis an den letzten Herd im K?nigreich Empf?nde man des Vaters warme Sorge. Begnügte sollten unter niedrem Dach, Begnügte sollten im Palaste wohnen. Und h?tt' ich einmal ihres Glücks genossen, Entsagt' ich gern dem Throne, gern der Welt.

Sechster Auftritt Herzog. Eugenie.
Eugenie. O welch ein selig jubelvoller Tag!
Herzog. O m?cht' ich Tag' auf Tage so erleben!
Eugenie. Wie g?ttlich hat der K?nig uns beglückt.
Herzog. Genie?e rein so ungehoffte Gaben.
Eugenie. Er scheint nicht glücklich, ach! Und ist so gut.
Herzog. Die Güte selbst erregt oft Widerstand.
Eugenie. Wer ist so hart, sich ihm zu widersetzen?
Herzog. Der Heil des Ganzen von der Strenge hofft.
Eugenie. Des K?nigs Milde sollte Milde zeugen.
Herzog. Des K?nigs Milde zeugt Verwegenheit.
Eugenie. Wie edel hat ihn die Natur gebildet.
Herzog. Doch auf zu hohen Platz hinaufgestellt.
Eugenie. Und ihn mit so viel Tugend ausgestattet.
Herzog. Zur H?uslichkeit, zum Regimente nicht.
Eugenie. Von altem Heldenstamme grünt er auf.
Herzog. Die Kraft entgeht vielleicht dem sp?ten Zweige.
Eugenie. Die Schw?che zu vertreten, sind wir da.
Herzog. Sobald er unsre St?rke nicht verkennt.
Eugenie (nachdenklich). Mich leiten seine Reden zum Verdacht.
Herzog.
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