Die Witwe von Pisa | Page 5

Paul Heyse
L��fte atmen werde, sagte ich mit schamloser Doppelz��ngigkeit und antwortete ebenso hinterh?ltig auf ihre Frage, ob ich schon eine Frau habe: nein, noch nicht, aber ich sei entschlossen, kein halbes Jahr mehr ein Junggeselle zu bleiben.--Da besch?mte mich diese gro?e Seele mit dem offenen Gest?ndnis, sie habe vier Kinder; die zwei j��ngsten seien ��ber Tag meist bei der Tante, die beiden ?lteren, von f��nf und vier Jahren, in Florenz bei der Mutter ihres Seligen.--Sch?n, sagte ich, ich hoffe, ich lerne die kleinen Engel bald kennen; ich habe eine wahre Passion f��r alle Haustiere, Kinder, Hunde und Kanarienv?gel.--O Sie sind eine Ausnahme! rief sie schw?rmerisch; mein Carlo wollte immer aus der Haut fahren, wenn die Kinder schrien und die V?gel zwitscherten und ich dazwischen Solfeggien sang. Sie sind gewi? ein Engl?nder, die haben immer so einen aparten Geschmack.--Nur ein Deutscher, sagte ich; aber auch bei uns gibt es Narren genug, die es entweder schon sind, oder doch f��r ein Paar sch?ne Augen sich nicht lange besinnen, es zu werden. Also meinen Koffer darf ich herbringen lassen?
Ich begleitete diese Frage mit einem ehrerbietigen Handku?, stand auf und empfahl mich so eilig, als ich h?flicherweise konnte, um meinen Sieg nicht wieder aufs Spiel zu setzen. Denn wenn sie mir einen Mietsvertrag vorgelegt h?tte, um mich in Paragraph Eins ausdr��cklich zum Heiraten zu verpflichten, w?re meine ganze Doppelz��ngigkeit zu Schanden geworden.--Ich dr��ckte dem Aschenputtel Erminia ein paar Franken in die Hand, und schon eine Stunde nachher war ich mit Sack und Pack wieder vor der T��r und hielt triumphierend meinen Einzug.
Auch hatte ich die ersten Tage keine weiteren Unbequemlichkeiten von meiner Kriegslist, keine Anfechtungen, weder in meinem Gewissen, noch in meinen vier Pf?hlen. Der ��berrumpelte sch?ne Feind begn��gte sich offenbar damit, mich zu beobachten; denn bei der Kaltbl��tigkeit, mit der das "neue Lebensgl��ck" betrieben wurde, konnte sie sich Zeit lassen, zu untersuchen, ob sie auch kein schlechtes Gesch?ft mache mit diesem wildfremden Zuk��nftigen. Leider schien das Ergebnis ihrer Forschungen t?glich mehr zu meinen Gunsten auszufallen. Und ich machte es auch danach! Einen stilleren, geduldigeren, flei?igeren zweiten Mann, als ich in diesen Tagen darstellte, kann sich keine junge Witwe w��nschen, und wenn ich im Punkte der Z?rtlichkeit manches zu w��nschen ��brig lie?, so war dies mit der ritterlichen Diskretion zu entschuldigen, die unsere Zimmernachbarschaft mir zur Pflicht machte. Kam ich von meinen Vermessungsgesch?ften am Kampanile nach Hause, so pflanzte ich mich sofort hinter den bewu?ten Tisch, um die Resultate in meine Zeichnung einzutragen. W?hrenddessen konnte sie nebenan ihr "Ah sin' all' ore all' ore estreme" oder eine andere schmelzende Kazitilene schmettern, so viel sie wollte: Ich pries, zum ersten Male im Leben, mein stumpfes Ohr, das mir half, dieser Lockung mannhaft zu widerstehen. Ein paarmal schickte sie mir die Kinder herein, die einen greulichen Unfug mit meinen Mappen und anderen Habseligkeiten anstellten, bis ich mit einigen Orangen den Frieden von ihnen erkaufte. Auch in dieser Pr��fung benahm ich mich musterhaft. Ging ich darin in der Abendk��hle am Lungarno spazieren unter dem Schwarm von Studenten, Pisaner B��rgern mit ihren Familien und einigen wenigen Stutzern, die auch hier nicht fehlten-nun Sie kennen ja das alles aus eigener Anschauung-, so begegnete ich regelm??ig einige Male meiner sch?nen Hauswirtin, die an der Seite einer Freundin mit z��chtigen Witwenschritten dichtverschleiert lustwandelte und, wie ich merken konnte, viele Verehrer hatte. Mancher von diesen h?tte mich wohl beneidet, wenn er gewu?t h?tte, wie bequem es mir gemacht wurde. Ich aber begn��gte mich mit devotem Hutabziehen und kam regelm??ig erst nach Hause, wenn ich wu?te, da? sie schon Nacht gemacht hatte. Das geschah sehr fr��h-, denn da sie, wie die meisten Italienerinnen, v?llig ungebildet war und h?chstens einen franz?sischen Roman in der ��bersetzung las, so langweilte sie sich entsetzlich, sobald es dunkel wurde und sie nicht mehr aus dem Fenster sehen und sich bewundern lassen konnte.
Dieser friedfertige Zustand, der meinen W��nschen sehr entsprach--ein Leben wie im Paradiese, wo Wolf und Lamm in Unschuld nebeneinander hausten--, hatte etwa eine Woche gedauert, da merkte ich, da? das Lamm sich zu wundern anfing, wie zahm der Wolf sich betrage; ja es schien der armen Unschuld ordentlich gegen die Ehre zu gehen, da? sie noch immer ungefressen blieb, da sie sich selbst doch appetitlich genug vorkam. Nun kehrte sich der Naturzustand um, und das Lamm r��stete sich, den Wolf nach allen Regeln zu belagern. Einige Tage blieb es bei frischen Blumenstr?u?en, mit denen ich meinen Zeichentisch geschm��ckt fand, wenn ich nach Hause kam. Dann fand ich, da meine Hausschuhe in ziemlich desolatem Zustande waren, abends ein paar warme t��rkische Pantoffeln vor meinem Bett, die offenbar dem Seligen, meinem Vor-Wolf, geh?rt hatten; ��brigens waren sie noch so gut wie neu. Mittags mu?te ich mit aller Gewalt ein Fritto von Artischocken und kleinen K��rbissen kosten, das Madonna Lucrezia selbst bereitet haben wollte, und ihr mit einem Glase Chianti Bescheid
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