Die Wahlverwandtschaften | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
scharf aus".
"Wollen wir unsern Freund in einem solchen Zustande wissen?" rief er.
"Du kannst nicht so grausam sein, Charlotte!" "der wunderliche Mann, unser Mittler", versetzte Charlotte, "hat am Ende doch recht.
Alle solche Unternehmungen sind Wagest��cke.
Was daraus werden kann, sieht kein Mensch voraus.
Solche neue Verh?ltnisse k?nnen fruchtbar sein an Gl��ck und an Ungl��ck, ohne da? wir uns dabei Verdienst oder Schuld sonderlich zurechnen d��rfen.
Ich f��hle mich nicht stark genug, dir l?nger zu widerstehen. La? uns den Versuch machen!

Das einzige, was ich dich bitte: es sei nur auf kurze Zeit angesehen.
Erlaube mir, da? ich mich t?tiger als bisher f��r ihn verwende und meinen Einflu?, meine Verbindungen eifrig benutze und aufrege, ihm eine Stelle zu verschaffen, die ihm nach seiner Weise einige Zufriedenheit gew?hren kann".
Eduard versicherte seine Gattin auf die anmutigste Weise der lebhaftesten Dankbarkeit.
Er eilte mit freiem, frohem Gem��t, seinem Freunde Vorschl?ge schriftlich zu tun.
Charlotte mu?te in einer Nachschrift ihren Beifall eigenh?ndig hinzuf��gen, ihre freundschaftlichen Bitten mit den seinen vereinigen.
Sie schrieb mit gewandter Feder gef?llig und verbindlich, aber doch mit einer Art von Hast, die ihr sonst nicht gew?hnlich war; und was ihr nicht leicht begegnete, sie verunstaltete das Papier zuletzt mit einem Tintenfleck, der sie ?rgerlich machte und nur gr??er wurde, indem sie ihn wegwischen wollte.
Eduard scherzte dar��ber, und weil noch Platz war, f��gte er eine zweite Nachschrift hinzu: der Freund solle aus diesen Zeichen die Ungeduld sehen, womit er erwartet werde, und nach der Eile, womit der Brief geschrieben, die Eilfertigkeit seiner Reise einrichten.
Der Bote war fort, und Eduard glaubte seine Dankbarkeit nicht ��berzeugender ausdr��cken zu k?nnen, als indem er aber--und abermals darauf bestand, Charlotte solle zugleich Ottilien aus der Pension holen lassen.
Sie bat um Aufschub und wu?te diesen Abend bei Eduard die Lust zu einer musikalischen Unterhaltung aufzuregen.
Charlotte spielte sehr gut Klavier, Eduard nicht ebenso bequem die Fl?te; denn ob er sich gleich zuzeiten viel M��he gegeben hatte, so war ihm doch nicht die Geduld, die Ausdauer verliehen, die zur Ausbildung eines solchen Talentes geh?rt.
Er f��hrte deshalb seine Partie sehr ungleich aus, einige Stellen gut, nur vielleicht zu geschwind; bei andern wieder hielt er an, weil sie ihm nicht gel?ufig waren, und so w?r es f��r jeden andern schwer gewesen, ein Duett mit ihm durchzubringen.
Aber Charlotte wu?te sich darein zu finden; sie hielt an und lie? sich wieder von ihm fortrei?en und versah also die doppelte Pflicht eines guten Kapellmeisters und einer klugen Hausfrau, die im ganzen immer das Ma? zu erhalten wissen, wenn auch die einzelnen Passagen nicht immer im Takt bleiben sollten.
Der Hauptmann kam.
Er hatte einen sehr verst?ndigen Brief vorausgeschickt, der Charlotten v?llig beruhigte.
Soviel Deutlichkeit ��ber sich selbst, soviel Klarheit ��ber seinen eigenen Zustand, ��ber den Zustand seiner Freunde gab eine heitere und fr?hliche Aussicht.
Die Unterhaltungen der ersten Stunden waren, wie unter Freunden zu geschehen pflegt, die sich eine Zeitlang nicht gesehen haben, lebhaft, ja fast ersch?pfend.
Gegen Abend veranla?te Charlotte einen Spaziergang auf die neuen Anlagen.
Der Hauptmann gefiel sich sehr in der Gegend und bemerkte jede Sch?nheit, welche durch die neuen Wege erst sichtbar und genie?bar geworden.
Er hatte ein ge��btes Auge und dabei ein gen��gsames; und ob er gleich das W��nschenswerte sehr wohl kannte, machte er doch nicht, wie es ?fters zu geschehen pflegt, Personen, die ihn in dem Ihrigen herumf��hrten, dadurch einen ��blen Humor, da? er mehr verlangte, als die Umst?nde zulie?en, oder auch wohl gar an etwas Vollkommneres erinnerte, das er anderswo gesehen.
Als sie die Moosh��tte erreichten, fanden sie solche auf das lustige ausgeschm��ckt, zwar nur mit k��nstlichen Blumen und Wintergr��n, doch darunter so sch?ne B��schel nat��rlichen Weizens und anderer Feld--und Baumfr��chte angebracht, da? sie dem Kunstsinn der Anordnenden zur Ehre gereichten.
"Obschon mein Mann nicht liebt, da? man seinen Geburts--oder Namenstag feire, so wird er mir doch heute nicht verargen, einem dreifachen Feste diese wenigen Kr?nze zu widmen".
"Ein dreifaches?" rief Eduard.
-"Ganz gewi?!" versetzte Charlotte; "unseres Freundes Ankunft behandeln wir billig als ein Fest; und dann habt ihr beide wohl nicht daran gedacht, da? heute euer Namenstag ist.
Hei?t nicht einer Otto so gut als der andere?" Beide Freunde reichten sich die H?nde ��ber den kleinen Tisch.
"Du erinnerst mich", sagte Eduard, "an dieses jugendliche Freundschaftsst��ck.--Als Kinder hie?en wir beide so; doch als wir in der Pension zusammenlebten und manche Irrung daraus entstand, so trat ich ihm freiwillig diesen h��bschen, lakonischen Namen ab".
"Wobei du denn doch nicht gar zu gro?m��tig warst", sagte der Hauptmann.
"Denn ich erinnere mich recht wohl, da? dir der Name Eduard besser gefiel, wie er denn auch, von angenehmen Lippen ausgesprochen, einen besonders guten Klang hat".
Nun sa?en sie also zu dreien um dasselbe Tischchen, wo Charlotte so eifrig gegen die Ankunft des Gastes gesprochen hatte.
Eduard in seiner Zufriedenheit wollte die Gattin nicht an jene Stunden erinnern, doch enthielt er sich nicht zu sagen: "f��r ein Viertes w?re auch noch recht gut Platz".
Waldh?rner lie?en sich in diesem Augenblick vom Schlo? her��ber vernehmen, bejahten gleichsam und bekr?ftigten die
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 97
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.