ihre Herzensmeinungen überlaufen. Hier hast du Geld.
Spende davon unter den Seidenhändlern aus.
Mohr (sieht ihn nachdenklich an). Herr-Fiesco. Angst darf dir nicht
werden. Es ist nichts Ehrliches--Geh! rufe deine ganze Bande zu Hilfe.
Morgen will ich deine Zeitungen hören. (Er geht ab.)
Mohr (ihm nach). Verlaßt Euch auf mich. Jetzt ist's früh vier Uhr.
Morgen um Acht habt Ihr so viel Neues erfahren, als in zweimal
siebenzig Ohren geht. (Ab.)
Zehnter Auftritt
Zimmer bei Verrina.
Bertha rücklings in einem Sopha, den Kopf in die Hand geworfen.
Verrina düster hereintretend.
Bertha (erschrickt, springt auf). Himmel! da ist er!
Verrina (steht still, besieht sie befremdet). An ihrem Vater erschrickt
meine Tochter?
Bertha. Fliehen Sie! Lassen Sie mich fliehen! Sie sind schrecklich,
mein Vater.
Verrina. Meinem einzigen Kinde?
Bertha (mit einem schweren Blick auf ihn). Nein! Sie müssen noch eine
Tochter haben.
Verrina. Drückt dich meine Zärtlichkeit zu schwer?
Bertha. Zu Boden, Vater.
Verrina. Wie? welcher Empfang, meine Tochter? Sonst, wenn ich nach
Hause kam, Berge auf meinem Herzen, hüpfte mir meine Bertha
entgegen, und meine Bertha lachte sie weg. Komm, umarme mich,
Tochter. An dieser glühenden Brust soll mein Herz wieder erwarmen,
das am Todtenbett des Vaterlands einfriert. O mein Kind! Ich habe
heute Abrechnung gehalten mit allen Freuden der Natur, und (äußerst
schwer) nur du bist mir geblieben.
Bertha (mißt ihn mit einem langen Blick). Unglücklicher Vater!
Verrina (umarmt sie beklemmt). Bertha! mein einziges Kind! Bertha!
meine letzte übrige Hoffnung!--Genuas Freiheit ist dahin--Fiesco
hin--(indem er sie heftiger drückt, durch die Zähne) Werde du eine
Hure-Bertha (reißt sich aus seinen Armen). Heiliger Gott! Sie
wissen?-Verrina (steht bebend still). Was?
Bertha. Meine jungfräuliche Ehre-Verrina (wüthend). Was?
Bertha. Diese Nacht-Verrina (wie ein Rasender). Was?
Bertha. Gewalt! (Sinkt am Sopha nieder.)
Verrina (nach einer langen schreckhaften Pause mit dumpfer Stimme).
Noch ein Athemzug, Tochter--den letzten! (Mit hohlem gebrochnem
Ton.) Wer?
Bertha. Weh mir, nicht diesen todtenfarben Zorn! Helfe mir Gott! er
stammelt und zittert.
Verrina. Ich wüßte doch nicht--meine Tochter! Wer?
Bertha. Ruhig! ruhig! mein bester, mein theurer Vater.
Verrina. Um Gotteswillen--Wer? (will vor ihr niederfallen.)
Bertha. Eine Maske.
Verrina (tritt zurück, nach einem stürmischen Nachdenken). Nein! das
kann nicht sein! Den Gedanken sendet mir Gott nicht. (Lacht graß auf.)
Alter Geck! als wenn alles Gift nur aus einer und eben der Kröte
spritzte? (Zu Bertha gefaßter.) Die Person, wie die meinige, oder
kleiner?
Bertha. Größer.
Verrina (rasch). Die Haare schwarz? kraus?
Bertha. Kohlschwarz und kraus.
Verrina (taumelt von ihr hinweg). Gott! mein Kopf! mein Kopf--die
Stimme?
Bertha. Rauh, eine Baßstimme.
Verrina (heftig). Von welcher Farbe? Nein! ich will nicht mehr
hören!--der Mantel--von welcher Farbe?
Bertha. Der Mantel grün, wie mich däuchte.
Verrina (hält beide Hände vors Gesicht und wankt in den Sopha). Sei
ruhig. Es ist nur ein Schwindel, meine Tochter. (Läßt die Hände sinken;
ein Todtengesicht.)
Bertha (die Hände ringend). Barmherziger Himmel! das ist mein Vater
nicht mehr.
Verrina (nach einer Pause mit bitterm Gelächter). Recht so! recht so!
Memme Verrina!--daß der Bube in das Heiligthum der Gesetze
griff--diese Aufforderung war dir zu matt--der Bube mußte noch ins
Heiligthum deines Bluts greifen--(Springt auf.) Geschwind! rufe den
Nicolo--Blei und Pulver--oder halt! halt! ich besinne mich eben
anders--besser--Hole mein Schwert herbei, bet' ein Vaterunser. (Die
Hand vor die Stirne.) Was will ich aber?
Bertha. Mir ist sehr bange, mein Vater.
Verrina. Komm, setzt dich zu mir. (Bedeutend.) Bertha, erzähle
mir--Bertha, was that jener eisgraue Römer, als man seine Tochter auch
so--wie nenn ich's nun--auch so artig fand, seine Tochter? Höre Bertha,
was sagte Virginius zu seiner verstümmelten Tochter?
Bertha (mit Schaudern). Ich weiß nicht, was er sagte.
Verrina. Närrisches Ding--Nichts sagte er. (Plötzlich auf, faßt ein
Schwert.) Nach einem Schlachtmesser griff er-Bertha (stürzt ihm
erschrocken in die Arme). Großer Gott! was wollen Sie thun?
Verrina (wirft das Schwert ins Zimmer). Nein! noch ist Gerechtigkeit in
Genua!
Eilfter Auftritt
Sacco. Calcagno. Vorige.
Calcagno. Verrina, geschwind! Mache dich fertig. Heute hebt die
Wahlwoche der Republik an. Wir wollen früh in die Signoria, die
neuen Senatoren wählen. Die Gassen wimmeln von Volk. Der ganze
Adel strömt nach dem Rathhaus. Du begleitest uns doch, (spöttisch)
den Triumph unsrer Freiheit zu sehen.
Sacco. Ein Schwert liegt im Saal. Verrina schaut wild. Bertha hat rothe
Augen.
Calcagno. Bei Gott! das nehm' ich nun auch gewahr--Sacco, hier ist ein
Unglück geschehen.
Verrina (stellt zwei Sessel hin). Setzt euch.
Sacco. Freund, du erschreckst uns.
Calcagno. So sah ich dich nie, Freund. Hätte nicht Bertha geweint, ich
würde fragen: geht Genua unter?
Verrina (fürchterlich). Unter! Sitzt nieder!
Calcagno (erschrocken, indem sich Beide setzen). Mann! Ich
beschwöre dich!
Verrina. Höret!
Calcagno. Was ahnet mir, Sacco?
Verrina. Genueser--ihr Beide kennt das Alterthum meines Namens.
Eure Ahnen haben den meinigen die Schleppe getragen. Meine Väter
fochten die Schlachten des Staats. Meine Mütter waren Muster der
Genueserinnen. Ehre war unser einziges Capital und erbte vom Vater
zum Sohn--oder

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