sprechen wir von Ihrer ?Rüge?. Ja, im Fache: ?briefliche Fragen beantworten? hat meine Zensur immer ?mangelhaft? lauten müssen. Ich wei? es. Zwischen uns dürfte wohl das t?gliche Sehen als Milderungsgrund mit in Betracht zu ziehen sein. Eine Stunde t?glich! Ist das nicht unerlaubter Reichtum? In mir wird die Neigung, mich in Briefen zu erschlie?en, besonders durch den noch nicht verflogenen Hauch der pers?nlichen N?he des mir teuren Menschen gesteigert. Nun sind Sie also dieser ?Teure? für unbestimmte Zeit. Genügt Ihnen das? Sie Unerfahrener wissen eben nicht, wie rasch ein neues Erlebnis Sie von mir wegtreiben k?nnte. Ihrer ungelebten Vergangenheit traue ich nicht. Sie müssen nun doch erkannt haben: das Leben ist voller Verborgenheiten. Ich w?re ohne diese Verborgenheiten verschmachtet. Auch Sie werden zu lauschen beginnen, ohne zu wissen, worauf Sie lauschen. Der Strom, in den unser Fühlen und Denken gleiten kann, liegt vor uns selbst in Dunkelheit. Mit dieser sch?nen Unsicherheit -- oder ist sie doch vielleicht nicht sch?n? -- sollte jeder Mensch rechnen, der das beseelte Leben liebt, nicht nur der Künstler, dem jede Stunde neue Empf?ngnis aus unerforschten Gründen zufluten lassen kann.
Schon oft habe ich Sie bedauert, da? Ihre erste Liebe gerade mir gilt; denn unerbittlich mu? ich zu Zeiten meiner künstlerischen Bestimmung gehorchen. (Sie ist nur einer der vielen Gründe, die Ihre Liebe zu einer unglücklichen machen mu?.) Ich kann dann nicht fragen, tue ich Ihnen oder anderen Menschen, die zu mir geh?ren, wehe. Alles sonst Wesentliche scheint ausgel?scht, wenn auch ein helles Erinnern unbewu?t durch mein Werk flie?en kann. Kann! -- h?ren Sie? -- kann, nicht mu?. Des Künstlers Reich ist wahrlich nicht von dieser Welt. Einer unnennbaren Gewalt hat er sich zu beugen, den Ueberraschungen einer elementaren Kraft sich hinzugeben, von der er nicht wei?, wohin sie ihn zwingen kann. Im Schaffensdrang betrügt er seine N?chsten. Nein, er betrügt sie nicht; denn er wei? nichts mehr von ihnen, sobald er sich ganz in seine Kunst verliert, sobald er sich von ihr willig und freudig umschlingen l??t. Nur w?hrend der Pausen, in denen er diesen Schaffensrausch für erstorben und erstickt h?lt, vermag er mit den anderen Schritt zu halten, die besser, viel besser sein k?nnen als er, die er lieben und bewundern mag, und von denen ihn doch sein Anderssein trennt, vor denen er oft geradezu auf der Flucht sein mu?, wenn er sich bewahren will. Was bedeutet dagegen k?rperliche Hingabe? Sie kann die Verirrung einer Stunde sein. Wir Künstler, wir, die wir eigentlich nur leben, solange wir ma?los in unserem Empfinden schwelgen, sind die gef?hrlichsten T?uscher. In jedem Dunkel k?nnen für uns Funken flammen, die uns zu Lichtstegen gen Himmel werden. Da? diese Lichtbahnen immer wieder zu Boden sinken müssen, verringert ihre Sch?nheit nicht. -- K?nnten doch auch Sie, Roland, diese Lichtstege gewahren!
Seit gestern nenne ich Sie im stillen nur noch: Meine Ueberraschung! Leicht zu deuten, nicht wahr? In jedem Ihrer letzten Briefe, in jeder unserer Stunden l?sen Sie mit überraschender Natürlichkeit, mit sprunghafter Schnelle das, was Sie neulich Ihre ?Gebundenheit? nannten. Frei von gewollter Anempfindung wird Ihre Ausdrucksform der meinen seltsam ?hnlich, und doch gleiten Sie überraschend leicht und mühelos in geistige Selbst?ndigkeit hinein. Ohne heroisches K?mpfen stehen Sie pl?tzlich am anderen Ufer. Ich mu? also anfangen, bei Ihnen schon jetzt mit unvorherzusehender Unerschrockenheit zu rechnen. ?Meine Ueberraschung? nenne ich Sie aber auch deshalb, vielleicht mit noch viel gr??erer Berechtigung, seitdem ich fühle, da? eine h?chst unwahrscheinliche Ver?nderung in raschestem Tempo auch -- mich bedroht.
Maria.
Roland an Maria.
Maria, aller Frauen liebste, ich verstehe, was Sie mir zu erkl?ren versuchten, verstehe es, wie wenn ich zu denen geh?rte, die den Menschen etwas zu geben haben. Hat die Schwungkraft, mit der Sie mich behexten, vielleicht meinen Kopf verwirrt? Ich begriffe es, wenn diese unerwarteten Merkwürdigkeiten dem Bankbuchhalter Roland total die Besinnung raubten. Nie wieder wird er so ruhige Tage durchd?mmern wie einst.
Maria, welch ein Glück ist meine -- Verirrung.
Rasch mu? ich Ihnen aber von einem unerkl?rlichen Traumspiel -- oder Trancezustand? -- berichten, den ich erlebte, nicht etwa erfand: In dieser letzten meiner jetzt fast stets schlaflosen N?chte vernahm ich pl?tzlich deutlich eine Stimme, die mir Worte, viele Worte zuraunte. Nur wie ein Raunen wars, vielleicht kam es garnicht aus fremder Seele -- vielleicht aus der meinen. Ich schrieb unter einem seltsam unerkl?rlichen Zwange Worte nieder, in denen sich heute in hellem Tageslicht der Widerhall meines eigenen Gefühls offenbart.
Erinnern Sie sich, da? ich jüngst von den eckigen Worten sprach, von der unvollkommenen Form für ein so gewaltiges Empfinden, wie das meinige für Sie? W?re es m?glich, da? ich, ohne es zu wissen, im Besitz jener Form gewesen bin? Ich vermag dieses Glück nicht durchzudenken; ich darf diese Vorstellung nicht n?hren, sie w?re Wahnsinn -- --
In Ihrem Zimmer, neben Ihnen, m?chte ich Ihnen das kleine Lied vorlesen, von dem ich nicht wei?, ob es ?etwas? sein k?nnte, von dem
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