Die Stufe

Franziska Mann
Die Stufe, by Franziska Mann

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Title: Die Stufe Fragment einer Liebe
Author: Franziska Mann
Release Date: April 17, 2007 [EBook #21115]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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Franziska Mann
Die Stufe Fragment einer Liebe
[Abbildung: Mosaik Verlag]

Im Mosaik Verlag zu Berlin 1922

Mosaik-Bücher * Band 3
Dieses Buch wurde für die Mosaik Verlag G.m.b.H. bei Gebrüder
Rennert in Berlin gedruckt. Einband und Druckanordnung von Erich
Büttner. Die Verse im Text sind von L. Avellis. Alle Rechte,
insbesondere das der Uebersetzung und Verfilmung vorbehalten.
Copyright by Mosaik Verlag G.m.b.H., Berlin W. 50. 1922.

Maria an Roland.
Roland, sind Sie leichtsinnig! Laufen Sie lieber vor mir davon. Oder ist
Leichtsinn immer eine Krankheit -- chronisch bei den einen, akuter
Natur bei den anderen? Nicht nur einfach abzuschütteln --, Heilbarkeit
unsicher? Noch ist es Zeit! Ich warne Sie! Verpassen Sie nicht den
rechten Augenblick zur Flucht. Sie sind fünfundzwanzig Mal im Laufe
der Jahre am zehnten Mai vorübergeschritten, ich an diesem
Frühlingstage, der auch mich die Reise ins Leben beginnen ließ,
zweiundvierzig Mal. Es bleibt eine gewagte Angelegenheit, schön und
gefährlich, dieses »die Seelen sind von keinem Alter.« Sehen Sie sich
lieber die blonden und die braunen Mädel an, deren gibt es so viele.
Und doch möchte ich Ihnen helfen. Sie brauchen einen Menschen. Ich
könnte der rechte Mensch für Sie sein. Nur dürfen Sie nicht an Liebe
denken; sie verwirrt immer, sie würde alles verderben. --
Nach allgemeinen Begriffen weiß ich wenig von Ihnen. Aber nie war
ich begierig, Menschen, an die mich ein seelisches Fluidum zu binden
begann, in hergebrachter Form kennen zu lernen. Genießen wollte ich
einen Blick, eine Stimme, den leisen Druck einer Hand. Ganz nur
Gegenwart sollte mich umfangen, beleben, vielleicht auch berauschen,
aber kennen? Nein, kennen ist drohender Alltag. Ich will meine
Viertelstunde, unbekümmert um alles Gewesene. (Solch eine
Viertelstunde kann lange währen, sie wird nach besonderem Maß

gemessen.) Die nach mir kommen, mögen die ihre haben. Verstehen
Sie das? Treu bin ich nicht, habe nie treu in hergebrachter Vorstellung
sein wollen. Freunde, welche unbewegliches Festhalten brauchen, sind
neben mir zu beklagen. Für mein Empfinden gibt es Wertvolleres als
starres Beharren. Glauben Sie, Roland: Alles hat seine Zeit. --
Allmählich bin ich so etwas wie eine Seelensucherin geworden. Weiß
selbst nicht, wie es gekommen ist. Nie habe ich diese Eigenart -- oder
darf ich sagen dieses Talent? -- absichtlich in mir gesteigert, habe nie
aufgehört, sie als Begnadung zu empfinden. Manchem wurde ich zur
Lebenswende, zur Stufe in freiere, befreite Welten. Für das Glück der
Vielen war ich nie geschaffen. Vielleicht vermochte ich Einigen die
Kraft zur Einsamkeit zu stärken; vielleicht lehrte ich Einige sich selbst
kennen zu lernen, half ihnen, eine andere Lebensresonanz zu
erlauschen. Ich vergaß nie, daß ich nicht mehr werden konnte als ein
Mörtelträger: sein Schloß kann sich jeder nur allein errichten, seinen
Tempel oder sein Alltagshaus. --
Immer bin ich mir klar gewesen, nicht auf das Beieinanderbleiben
kommt es an, sondern auf die Spuren, die wir in fremder Seele
zurückzulassen vermögen. Das nenne ich Treue, ist mir Treue. Und
doch habe ich manchem etwas fürs Leben zu geben gehabt. Ich weiß,
daß das einzig Sichere der Wandel ist; nie habe ich jemanden halten
wollen; meist war ich es wohl, die fort war, innerlich schon ein wenig
entfernt, bevor der andere es entdeckte. Doch nicht stets schritt ich nur
aus Menschenliebe weiter, so selbstlos war ich nicht; oft lockte mich
schon leise, ganz leise, eine fremde Seele. Mit ihr mich zu vereinen,
trieb es mein Herz; denn immer hat auch mein Herz seinen Anteil
haben wollen. Durch wunderbare Gefilde bin ich geschritten, -- frei und
doch gefesselt. Nein, ich hätte nicht immer nur denselben Garten
durchwandeln können. Ich liebte es, Neuland zu entdecken. Dort, wo
viele nur kahles Feld sahen, ahnte ich bereits wogendes Blühen. Ohne
Mühe neigten sich mir tausend -- den Vielen nicht sichtbare --
Herrlichkeiten entgegen. --
So einfach, Roland, dürfen Sie sich nun aber nicht das Wiederlösen
vorstellen. Man muß Schmerzen lautlos zu tragen vermögen, muß

sinnend nachschauen können, muß die zuckenden Lippen fest
aufeinander zu pressen lernen; man muß zuletzt ertragen können, wozu
anfangs durchaus keine Tragfähigkeit notwendig dünkte. Gerade Ihnen
möchte ich meine Vereinigung mit den Vielen -- jenen seltsamen
Zwang, der mir Fremde leicht in die Nächsten wandelt -- ohne
Gefallsucht deuten, jene Augenblicke,
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