Die Regentrude | Page 5

Theodor W. Storm
Wohnzimmers schlief, mu?te davon erwacht sein; denn sein Schnarchen, das noch eben durch alle W?nde drang, hatte pl?tzlich aufgeh?rt. "Was treibst du, Maren?" rief er mit schl?friger Stimme. "Fehlt's dir denn wo?"
Das M?dchen fuhr sich mit dem Finger an die Lippen; denn sie wu?te wohl, da? der Vater, wenn er ihr Vorhaben erführe, sie nicht aus dem Hause lassen würde. Aber sie fa?te sich schnell. "Ich habe nicht schlafen k?nnen, Vater", rief sie zurück, "ich will mit den Leuten auf die Wiese; es ist so hübsch frisch heute morgen."
"Hast das nicht n?tig, Maren", erwiderte der Bauer, "meine Tochter ist kein Dienstbot." Und nach einer Weile fügte er hinzu: "Na, wenn's dir Pl?sier macht! Aber sei zur rechten Zeit wieder heim, eh die gro?e Hitze kommt. Und vergi? mein Warmbier nicht!" Damit warf er sich auf die andre Seite, da? die Bettstelle krachte, und gleich darauf h?rte auch das M?dchen wieder das wohlbekannte abgemessene Schnarchen.
Behutsam drückte sie ihre Kammertür auf. Als sie durch die Torfahrt ins Freie ging, h?rte sie eben den Knecht die beiden M?gde wecken. Es ist doch schn?d, dachte sie, da? du so hast lügen müssen, aber--und sie seufzte dabei ein wenig--was tut man nicht um seinen Schatz!
Drüben in seinem Sonntagsstaat stand schon Andrees ihrer wartend. "Wei?t du dein Sprüchlein noch?" rief er ihr entgegen.
"Ja, Andrees! Und wei?t du noch den Weg?"
Er nickte nur. "So la? uns gehen!"
Aber eben kam noch Mutter Stine aus dem Hause und steckte ihrem Sohne ein mit Met gefülltes Fl?schchen in die Tasche. "Der ist noch von der Urahne", sagte sie, "sie tat allezeit sehr geheim und kostbar damit, der wird euch gut tun in der Hitze!"
Dann gingen sie im Morgenschein die stille Dorfstra?e hinab, und die Witwe stand noch lange und schaute nach der Richtung, wo die jungen kr?ftigen Gestalten verschwunden waren.
Der Weg der beiden führte hinter der Dorfmark über eine weite Heide. Danach kamen sie in den gro?en Wald. Aber die Bl?tter des Waldes lagen meist verdorrt am Boden, so da? die Sonne überall hindurchblitzte; sie wurden fast geblendet von den wechselnden Lichtern.--Als sie eine geraume Zeit zwischen den hohen St?mmen der Eichen und Buchen fortgeschritten waren, fa?te das M?dchen die Hand des jungen Mannes.
"Was hast du, Maren?" fragte er.
"Ich h?rte unsre Dorfuhr schlagen, Andrees."
"Ja, mir war es auch so."
"Es mu? sechs Uhr sein!" sagte sie wieder. "Wer kocht denn dem Vater nur sein Warmbier? Die M?gde sind alle auf dem Felde."
"Ich wei? nicht, Maren, aber das hilft nun doch weiter nicht!"
"Nein", sagte sie, "das hilft nun weiter nicht. Aber wei?t du denn auch noch unser Sprüchlein?"
"Freilich, Maren!
"Dunst ist die Welle, Staub ist die Quelle!"
Und als er einen Augenblick z?gerte, sagte sie rasch:
"Stumm sind die W?lder, Feuermann tanzet über die Felder!"
"Oh", rief sie, "wie brannte die Sonne!"
"Ja", sagte Andrees und rieb sich die Wange, "es hat auch mir ordentlich einen Stich gegeben."
Endlich kamen sie aus dem Walde, und dort, ein paar Schritte vor ihnen, stand auch schon der alte Weidenbaum. Der m?chtige Stamm war ganz geh?hlt, und das Dunkel, das darin herrschte, schien tief in den Abgrund der Erde zu führen. Andrees stieg zuerst allein hinab, w?hren Maren sich auf die H?hlung des Baumes lehnte und ihm nachzublicken suchte. Aber bald sah sie nichts mehr von ihm, nur das Ger?usch des Hinabsteigens schlug noch an ihr Ohr. Ihr begann angst zu werden, oben um sie her war es so einsam, und von unten h?rte sie endlich auch keinen Laut mehr. Sie steckte den Kopf tief in die H?hlung und rief: "Andrees, Andrees!" Aber es blieb alles still, und noch einmal rief sie: "Andrees!"--Da nach einiger Zeit war es ihr, als h?re sie es von unten wieder heraufkommen, und allm?hlich erkannte sie auch die Stimme des jungen Mannes, der ihren Namen rief, und fa?te seine Hand, die er ihr entgegenstreckte. "Es führt eine Treppe hinab", sagte er, "aber sie ist steil und ausgebr?ckelt, und wer wei?, wie tief nach unten zu der Abgrund ist!"
Maren erschrak. "Fürchte dich nicht", sagte er, "ich trage dich; ich habe einen sichern Fu?." Dann hob er das schlanke M?dchen auf seine breite Schulter; und als sie die Arme fest um seinen Hals gelegt hatte, stieg er behutsam mit ihr in die Tiefe. Dichte Finsternis umgab sie; aber Maren atmete doch auf, w?hrend sie so Stufe um Stufe wie in einem gewundenen Schneckengange hinabgetragen wurde; denn es war kühl hier im Innern der Erde. Kein Laut von oben drang zu ihnen herab; nur einmal h?rten sie dumpf aus der Ferne die unterirdischen Wasser brausen, die vergeblich zum Lichte emporarbeiteten.
"Was war das?" flüsterte das M?dchen.
"Ich wei? nicht, Maren."
"Aber hat's denn noch kein Ende?"
"Es scheint fast nicht."
"Wenn dich der Kobold nur nicht betrogen hat!"
"Ich denke nicht, Maren."
So stiegen sie tiefer und tiefer. Endlich spürten sie wieder den Schimmer des Sonnenlichts unter sich, das mit jedem Tritt leuchtender wurde; zugleich aber
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