Die Prinzessin Girnara | Page 4

Jakob Wasserman
und kocht!
DIE JUNGE DIENERIN: Sag' mir eines, du Wissende: Kam sie aus Mutterleib so mit dem fleischlosen Totenhaupt?
DIE ALTE DIENERIN: Kam aus Mutterleib so. Mit dem fleischlosen Totenhaupt und der gesprenkelten Haut.
DIE JUNGE DIENERIN: Schauerlich, sie zu sehen! Mensch nicht und Weib nicht und doch mit Stimme und Blick.
DIE ALTE DIENERIN: Zehntausend Waisen lie? der K?nig erschlagen im sakkischen Eichwald. Daher der Fluch.
DIE JUNGE DIENERIN: Und half nicht Ahnenmesse und Feueropfer?
DIE ALTE DIENERIN: Zehntausend Waisen lagen zerschmettert, als die K?nigin Sirdar in Wehen schrie.
DIE JUNGE DIENERIN: Daher der Fluch, du Wissende, daher das Grauen.
DIE ALTE DIENERIN: Ist unab?nderlich, nützt kein Murren und Beten.
GIRNARA: Wann endlich werden Worte schallen, die heilen, wann endlich wird der Abgrund leuchten?
DIE SCHWARZE SKLAVIN: H?rt ihr, die Herrin spricht, seht ihr, sie regt sich.
DIE ALTE DIENERIN: Fort an den Rocken, fort an die T?pfe, fort an den Herd!
STIMME DES PILGERS: Gib Kunde von dir, Lebendige in der Finsternis!
DIE SCHWARZE SKLAVIN: Die Herrin erhebt sich und lauscht. Was begehrst du, Herrin Girnara?
GIRNARA: Woher das sü?e Wehen? Woher die tr?stliche Stimme?
DIE SCHWARZE SKLAVIN: Die W?lder riefen mir zu. Die Tiere der W?lder schmeichelten mir im Traum.
DIE ALTE DIENERIN: Drei Tage lang sah ich die Sonne in siebzehn Jahren.
GIRNARA: Ein sü?es Wehen war, eine tr?stliche Stimme.
DER D?MON ALS HUND: Aus zehntausend Kinderleichen im sakkischen Eichwald hab' ich die Augen geschlürft.
DIE JUNGE DIENERIN: Wissende du, was ist dies? La? mich hinaus! Was ist dies? Mir stirbt die Seele!
GIRNARA: In die Leidensnacht hat mich der Vater versto?en, als er die Schuld auf sich lud.
DIE ALTE DIENERIN: Kann dir nicht auftun das Tor, kein Schlüssel ward mir vertraut.
DIE SCHWARZE SKLAVIN: O das entfleischte Gesicht! Die gesprenkelte Haut unserer Herrin!
DER D?MON ALS HUND: Seelen der V?ter und Mütter suchen im sakkischen Eichwald noch immer nach Kinderleichen.
GIRNARA: Litt ich nicht ohne dich, Stimme der Angst? Schalle doch, tr?stliche, wieder!
STIMME DES PILGERS: Gib Kunde von dir, Lebendige in der Finsternis!
DER D?MON ALS FLEDERMAUS: Tiefer hinein den Stachel, tiefer in Dickicht und Nacht!
DER D?MON MIT DEM SPIEGEL: Lange nicht brennend genug, herunter, herunter zum Schmerz!
DIE JUNGE DIENERIN: Wissende du, was ist dies? Ach, mich jammert mein selbst!
DIE ALTE DIENERIN: Herrin, hast du Befehle? Die beiden vergehen vor Furcht.
GIRNARA: W?lzt ihr noch Bl?cke auf mich, ihr Abgesandten der Schw?rze?
DIE ALTE DIENERIN: Die Armen, sie bohren die Finger in Fugen der Steine. Sieh, sie vergehen vor Furcht!
DER D?MON ALS HUND: Schuldige zechen im Saal, Unschuldige wurden gemordet.
DIE ALTE DIENERIN: An den Mauern grinsen Gespenster, die Luft hat giftige Zungen. Fort! DIE JUNGE DIENERIN: Es zischeln die Schatten, brenzlicher Qualm kocht aus den Mauern. Fort!
DIE SCHWARZE SKLAVIN: Die Herrin hat kein Ohr für uns, Jfrids reden mit ihr. Fort!
STIMME DES PILGERS: Nimm an die Lehre, Wahnbeladene in deiner Brunnentiefe!
GIRNARA: Leidbeladene bin ich, mein Leid ist mir Sonne und Mond.
DER D?MON MIT DEM SPIEGEL: Dein Haar ist wie Pferdehaar, gesprenkelt ist deine Haut wie das Fell des Tigers.
GIRNARA: Der mich w?hlte, hat mich verlassen, der mich gezeugt hat, kennt mich nicht.
DER D?MON ALS FLEDERMAUS: Tiefer hinein in den Schmerz, tiefer in hauslose Nacht!
GIRNARA: Der mich w?hlte, ist ohne mich zum Fest gegangen. Wessen bin ich schuldig?
DER D?MON MIT DEM SPIEGEL: Deine Arme sind Spinnenarme, deine Augen sind wie die Augen der Kr?te.
GIRNARA: Wie erkenn' ich die Schuld? Wer hat mich so verdammt?
DER D?MON ALS FLEDERMAUS: Tiefer hinein in die Qual! Tiefer ins Mark des schw?renden Lebens!
DER D?MON MIT DEM SPIEGEL: Dein Bildnis halt' ich dir vor, Abscheu den Blinden noch.
GIRNARA: G?b' es ein Feuer, auszubrennen die Brust vom Wissen der Welt!
STIMME DES PILGERS: Leidbegnadete, die Stunde bricht an, wo das Herz sich dehnt bis zur Grenze des Leibes und überschwillt und die Mauer des Kerkers sprengt.
DER D?MON ALS HUND: übelgeborne, dir ist verwehrt, zu sinnen Verwandlung.
GIRNARA: Ist mir verwehrt, zu sinnen Verwandlung, so will ich mein Leiden lieben und den Siegreich-Vollendeten suchen.
DER D?MON ALS FLEDERMAUS: Irdisch-Gefesselte, la? dein Bemühen, denn jener wohnt in unauffindbaren H?hen.
GIRNARA: Sink' ich zum Grunde nieder, fühl' und umschling' ich das g?ttliche Wesen.
DER D?MON MIT DEM SPIEGEL: Mi?gestaltete, hoffe nicht, die Seele ist eingegittert im Fluch.
GIRNARA: So will ich trotz Kerker und Fessel wandern Meile um Meile, steigen Stufe um Stufe, erfahren Schmerz um Schmerz, alles Elend der Erde, alle Verzweiflung der Herzen, allen Sturm der Verdammten, schmecken die Tr?nen, lauschen den Seufzern der schuldlos Gerichteten, schuldlos Gemordeten, hingeben alles, was mein ist, alles, was mein noch werden k?nnte, letztes Gericht, letzten Lohn, letztes Wort der Gnade, bis innere Meeresstille mir den Erhabenen bringt.
GEISTERSTIMME: Erst am Ende des Wollens gebiert sich die schützende Flamme.
DER D?MON ALS HUND: Was zw?ngt sich durch die Gew?lbe? H?rt ihr den silbernen Ruf?
GIRNARA: So end' ich zu wollen und frage nur, zu welchem Opfer ich noch gefordert, zu welcher Sühne ich noch bestimmt, zu welcher Einsamkeit ich noch verurteilt bin.
GEISTERSTIMME: Erst am Ende des Fragens beginnt das heilige Wissen.
DER D?MON ALS
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