Die Organisation der Rohstoffversorgung

Walther Rathenau
Die Organisation der
Rohstoffversorgung, by

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Title: Die Organisation der Rohstoffversorgung
Author: Walther Rathenau
Contributor: H. Geitner
Release Date: April 11, 2007 [EBook #21031]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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ORGANISATION DER ROHSTOFFVERSORGUNG ***

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Die Organisation der Rohstoffversorgung

Vortrag, gehalten in der Deutschen Gesellschaft 1914 am 20. Dezember
1915

von
Walther Rathenau

Stenogramm: H. Geitner Als Manuskript gedruckt

Meine Herren!
Über einen Abschnitt unserer wirtschaftlichen Kriegführung möchte ich
Ihnen berichten, der ohne geschichtliches Vorbild ist, der auf den
Verlauf und Erfolg des Krieges von hohem Einfluß sein wird, und der
voraussichtlich hinüberwirken wird in fernere Zeiten. Es ist ein
wirtschaftliches Geschehnis, das eng an die Methoden des Sozialismus
und Kommunismus streift, und dennoch nicht in dem Sinne, wie
radikale Theorien es vorausgesagt und gefordert haben. Nicht den
theoretischen Aufbau eines starren Systems möchte ich Ihnen geben,
sondern ein Stück erlebten Lebens, das zuerst in Verborgenheit sich
abspielte, dann größere und größere Kreise zog, schließlich zu einer
gesamten Umstellung unseres Wirtschaftslebens führte und eine
Behörde entstehen ließ, die aus den Mauern des alten Preußischen
Kriegsministeriums hervorwuchs, um die deutsche Wirtschaft dem
Kriege dienstbar zu machen.
Nicht von dem Werk allein möchte ich einen Begriff Ihnen geben,
sondern auch von der Romantik, die sein Werden und Wachsen
umkleidete, die sich entspann aus dem Zusammenwirken einer Anzahl
von Menschen, die durch nichts verbunden waren als durch die
Gemeinschaft der Gesinnung und der Arbeit. Männer fanden sich
zusammen aus allen Gauen und Berufen, um ohne Verpflichtung und
ohne Bedingung in freier Arbeit für das Beste ihres Landes zu wirken,
und herzugeben, was sie an Erfahrung, an Arbeitskraft und an

Erfindergabe besaßen.
Rohstoff-Wirtschaft! Ein abstraktes, bildloses Wort, abstrakt und
farblos wie so viele Namen unserer Zeit, deren Sprache nicht die
schöpfende Kraft hat, um für handfeste Begriffe bildhafte Worte zu
schaffen; ein lebloses Wort, und dennoch ein Begriff von großer
Schwerkraft, wenn man ihn ganz sich vergegenwärtigt. Blicken Sie um
sich: Was uns umgibt: Gerät und Bauwerk, Mittel der Bekleidung und
Ernährung, der Rüstung und des Verkehrs, alle enthalten
fremdländische Beimengung. Denn die Wirtschaft der Völker ist
unauflöslich verquickt; auf eisernen und auf wässernen Straßen strömt
der Reichtum aller Zonen zusammen und vereinigt sich zum Dienst des
Lebens.
So bekommt der Begriff der Rohstoffversorgung seine Farbe, und diese
Farbe tritt um so ernster hervor, wenn es sich um das Problem der
Rüstung und der Verteidigung handelt. Eine weitere Vertiefung des
Begriffes findet statt, wenn diese Verteidigung geboten ist in einem
abgeschlossenen, blockierten Lande.
Täglich hören wir sprechen von Schwierigkeiten der Volksernährung.
Und dennoch: diese Volksernährung beruht auf einer Produktionskraft,
die mehr als 80 Hundertstel des Bedarfes ausmacht. Eine Abschließung
kann uns beschränken, sie kann uns nicht vernichten. Anders mit jenen
anderen Stoffen, die für unsere Kriegführung unentbehrlich sind; ihre
Sperrung kann Vernichtung bedeuten.
Überblicken Sie die Karte Europas und die Lage der Zentralmächte
inmitten; es ist, als ob eine dämonische Hand die Umrisse so gezogen
hätte, daß mit der Besetzung von wenigen Punkten diese Riesenfläche
von Ländern abgeschlossen läge. Ja, wir grenzen freilich an drei Meere,
wir mit unseren Verbündeten; aber was sind sie? Binnenseen. Die
Ostsee, durch eine Meerenge nur geöffnet; die Nordsee abgesperrt
durch den Kanal, durch die Orkney- und Shetlands-Inseln; das
Mittelmeer verriegelt durch die beiden Stützpunkte im Osten und
Westen. Und hinter diesen Binnenseen dehnt sich aus im Norden ein
bedürftiges Land mit geringer Versorgung unentbehrlicher Stoffe; im
Süden hinter dem Mittelmeerkessel ein Wüstenrand, durch den keine

Bahnen und Verkehrsstraßen nach den Produktionszentren der Welt
führen.
Am 4. August des letzten Jahres, als England den Krieg erklärte,
geschah das Ungeheuerliche und nie Gewesene: unser Land wurde zur
belagerten Festung. Geschlossen zu Lande und geschlossen zur See war
es nun angewiesen auf sich selbst; und der Krieg lag vor uns,
unübersehbar in Zeit und Aufwand, in Gefahr und Opfer.
Drei Tage nach der Kriegserklärung trug ich die Ungewißheit unserer
Lage nicht länger, ich ließ mich melden bei dem Chef des Allgemeinen
Kriegsdepartements, dem Oberst Scheüch und wurde am 8. August
abends freundlich von ihm aufgenommen. Ihm legte ich dar, daß unser
Land vermutlich nur auf eine beschränkte Reihe von Monaten mit den
unentbehrlichen Stoffen der Kriegswirtschaft versorgt sein könne. Die
Kriegsdauer schätzte er nicht geringer ein als ich selbst, und so mußte
ich an ihn die Frage richten: Was ist geschehen, was kann geschehen,
um die Gefahr der Erwürgung von Deutschland abzuwenden?
Es war sehr wenig geschehen, und es geschah dennoch viel; denn das
Interesse
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