Die Mitschuldigen | Page 4

Johann Wolfgang von Goethe
In diesem Zimmer hier Entdeckte mir Sophie zuerst die sch?nsten Flammen, Hier schlo? sich unsre Brust zum erstenmal zusammen; An eben diesem Platz - erinnerst du dich noch? - Schwurst du mir ewge Treu!
Sophie. O schonen Sie mich doch!
Alcest. Ein sch?ner Abend war's - ich werd ihn nie vergessen! Dein Auge redete, und ich, ich ward vermessen. Mit Zittern botst du mir die hei?en Lippen dar. Mein Herze fühlt es noch, wie sehr ich glücklich war. Da hattest du nicht Zeit, was sonst als mich zu denken, Und jetzo willst du mir nicht eine Stunde schenken? Du siehst, ich suche dich, du siehst, ich bin betrübt - Geh nur, du falsches Herz, du hast mich nie geliebt!
Sophie. Ich bin geplagt genug, willst du mich auch noch plagen? Sophie dich nicht geliebt! Alcest, das darfst du sagen? Du warst mein ganzer Wunsch, du warst mein h?chstes Gut; Für dich schlug dieses Herz, dir wallte dieses Blut. Und dieses Herz, mein Freund, das du einst ganz besessen, Kann nicht unz?rtlich sein, es kann dich nicht vergessen. Die Liebe widersteht der Zeit, die alles raubt, Man hat nie recht geliebt, wenn man sie endlich glaubt. Allein - Es kommt jemand.
Alcest. Nein!
Sophie. Es ist hier gef?hrlich.
Alcest. Auch nicht ein einzig Wort. O es ist zu beschwerlich. So geht's den ganzen Tag! Wie ist man nicht geplagt! Schon vierzehn Tage hier, und dir kein Wort gesagt! Ich wei?, du liebst mich noch, allein das wird mich t?ten. Niemals sind wir allein, was unter uns zu reden; Nicht einen Augenblick ist hier im Zimmer Ruh, Bald ist der Vater da, dann kommt der Mann dazu. Lang bleib ich dir nicht hier, das ist mir unertr?glich. Allein, Sophie, wer will, ist dem nicht alles m?glich? Sonst war dir nichts zu schwer, du halfest dir geschwind; Ein Drach war eingewiegt, und hundert Augen blind. O, wenn du wolltest -
Sophie. Was?
Alcest. Wenn du nur denken wolltest, Da? du Alcesten nicht verzweifeln machen solltest! Geliebte, suche dir doch nur Gelegenheit Zur Unterredung auf, die dieser Ort verbeut. O h?re, heute nacht! dein Mann geht aus dem Hause, Man glaubt, ich gehe selbst zu einem Fastnachtsschmause; Allein, das Hintertor ist meiner Treppe nah - Es merkt's kein Mensch im Haus und ich bin wieder da. Den Schlüssel hab ich hier, und willst du mir erlauben -
Sophie. Alcest, ich wundre mich -
Alcest. Und ich, ich soll es glauben, Da? du kein hartes Herz, kein falsches M?dchen bist? Du schl?gst das Mittel aus, das uns noch übrig ist. Wir kennen uns ja schon; was brauchst du dich zu sch?men? W?r etwas anders da, ich wollte das nicht nehmen. Allein genug: heut nacht, Sophie, besuch ich dich. Doch kommt dir's sichrer vor, so komm, besuche mich!
Sophie. Alcest, das ist zu viel!
Alcest. Zu viel! O, sch?n gesprochen! Verflucht! zu viel! zu viel! Verderb ich meine Wochen Hier so umsonst? - Verdammt! was h?lt mich dieser Ort, Wenn mich Sophie nicht h?lt? Ich gehe morgen fort.
Sophie. Geliebter! Bester!
Alcest. Nein, du siehst, du kennst mein Leiden, Und du erbarmst dich nicht. Ich will dich ewig meiden!

Sechster Auftritt
[Vorige. Der Wirt.]
[Alcest geht in der Stube auf und nieder. Sophie steht unentschlossen da. Der Wirt kommt mit einem Briefe.]
Wirt. Da ist ein Brief; er mu? von jemand Hohes sein; Das Siegel ist sehr gro?, und das Papier ist fein.
[Alcest nimmt den Brief und rei?t ihn auf.]
Wirt. In Stücken das Couvert, nur um geschwind zu wissen.
Alcest [der den Brief kaum angesehen hat]. Ich werde morgen früh von hier verreisen müssen. Die Rechnung!
Wirt. So geschwind! In dieser schlimmen Zeit Verreisen? Dieser Brief ist wohl von Wichtigkeit? Dürft ich mich unterstehn und Ihro Gnaden fragen?
Alcest. Nein!
Wirt [heimlich zu Sophien]. Frag ihn doch einmal, gewi?, dir wird er's sagen. [Er geht an den Tisch im Fond, schl?gt in seinen Büchern nach, und schreibt die Rechnung.]
Sophie [z?rtlich]. Alcest, ist es gewi??
Alcest [weggewendet]. Das schmeichelnde Gesicht!
Sophie. Alcest, ich bitte dich, verla? Sophien nicht!
Alcest. Nun gut, entschlie?e dich, mich heute nacht zu sehen.
Sophie [vor sich]. Was soll, was kann ich tun? Er darf, er darf nicht gehen; Er ist mein einzger Trost, ich tue, was ich kann.
Alcest. Nun, Liebste?
Sophie. Doch mein Mann -
Alcest. Der Henker hol den Mann! Nun, willst du?
Sophie. Ob ich will?
Alcest. Nun?
Sophie. Ich will zu dir kommen.
Alcest. Herr Wirt, ich reise nicht!
Wirt [hervortretend]. So! [Zu Sophien.] Hast du was vernommen?
Sophie. Er will nichts sagen.
Wirt. Nichts?

Siebenter Auftritt
[Die Vorigen. S?ller.]
S?ller. Mein Hut!
Sophie. Da ist er. Hier!
Alcest. Adieu, ich mu? zum Schmaus.
S?ller. Ich wünsche viel Plaisir.
Alcest [fa?t Sophien bei der Hand]. Adieu, scharmante Frau!
S?ller [vor sich]. Der Kerl wird t?glich kühner.
Alcest [zum Wirt]. Ein Licht! Ich mu? hinauf.
Sophie. Adieu, Alcest!
Wirt [begleitet ihn]. Ihr Diener.
Alcest. Sie bleiben!
Wirt. Gn?dger Herr -
Alcest. Herr Wirt, nicht einen Schritt! [Er geht ab.]
Sophie. Nun, S?ller, gehst du denn! Wie w?r's, du n?hmst mich mit?
S?ller. Warum sagst du's nicht eh.
Sophie. O geh! es war
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 17
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.