Die Leiden des jungen Werther vol 1 | Page 8

Johann Wolfgang von Goethe
von ihrem ersten Mann ��bel gehalten worden, wolle nicht mehr heiraten, und aus seiner Erz?hlung leuchtete so merklich hervor, wie sch?n, wie reizend sie f��r ihn sei, wie sehr er w��nschte, da? sie ihn w?hlen m?chte, um das Andenken der Fehler ihres ersten Mannes auszul?schen, da? ich Wort f��r Wort wiederholen m��?te, um dir die reine Neigung, die Liebe und Treue dieses Menschen anschaulich zu machen. Ja, ich m��?te die Gabe des gr??ten Dichters besitzen, um dir zugleich den Ausdruck seiner Geb?rden, die Harmonie seiner Stimme, das heimliche Feuer seiner Blicke lebendig darstellen zu k?nnen. Nein, es sprechen keine Worte die Zartheit aus, die in seinem ganzen Wesen und Ausdruck war; es ist alles nur plump, was ich wieder vorbringen k?nnte. Besonders r��hrte mich, wie er f��rchtete, ich m?chte ��ber sein Verh?ltnis zu ihr ungleich denken und an ihrer guten Auff��hrung zweifeln. Wie reizend es war, wenn er von ihrer Gestalt, von ihrem K?rper sprach, der ihn ohne jugendliche Reize gewaltsam an sich zog und fesselte, kann ich mir nur in meiner innersten Seele wiederholen. Ich hab' in meinem Leben die dringende Begierde und das hei?e, sehnliche Verlangen nicht in dieser Reinheit gesehen, ja wohl kann ich sagen, in dieser Reinheit nicht gedacht und getr?umt. Schelte mich nicht, wenn ich dir sage, da? bei der Erinnerung dieser Unschuld und Wahrheit mir die innerste Seele gl��ht, und da? mich das Bild dieser Treue und Z?rtlichkeit ��berall verfolgt, und da? ich, wie selbst davon entz��ndet, lechze und schmachte.
Ich will nun suchen, auch sie ehstens zu sehn, oder vielmehr, wenn ich's recht bedenke, ich will's vermeiden. Es ist besser, ich sehe sie durch die Augen ihres Liebhabers; vielleicht erscheint sie mir vor meinen eigenen Augen nicht so, wie sie jetzt vor mir steht, und warum soll ich mir das sch?ne Bild verderben?
Am 16. Junius
Warum ich dir nicht schreibe?--Fragst du das und bist doch auch der Gelehrten einer. Du solltest raten, da? ich mich wohl befinde, und zwar--kurz und gut, ich habe eine Bekanntschaft gemacht, die mein Herz n?her angeht. Ich habe--ich wei? nicht.
Dir in der Ordnung zu erz?hlen, wie's zugegangen ist, da? ich eins der liebensw��rdigsten Gesch?pfe habe kennen lernen, wird schwer halten. Ich bin vergn��gt und gl��cklich, und also kein guter Historienschreiber.
Einen Engel!--pfui! Das sagt jeder von der Seinigen, nicht wahr? Und doch bin ich nicht imstande, dir zu sagen, wie sie vollkommen ist, warum sie vollkommen ist; genug, sie hat allen meinen Sinn gefangengenommen.
So viel Einfalt bei so viel Verstand, so viel G��te bei so viel Festigkeit, und die Ruhe der Seele bei dem wahren Leben und der T?tigkeit.--Das ist alles garstiges Gew?sch, was ich da von ihr sage, leidige Abstraktionen, die nicht einen Zug ihres Selbst ausdr��cken. Ein andermal--nein, nicht ein andermal, jetzt gleich will ich dir's erz?hlen. Tu' ich 's jetzt nicht, so gesch?h' es niemals. Denn, unter uns, seit ich angefangen habe zu schreiben, war ich schon dreimal im Begriffe, die Feder niederzulegen, mein Pferd satteln zu lassen und hinauszureiten. Und doch schwur ich mir heute fr��h, nicht hinauszureiten, und gehe doch alle Augenblick' ans Fenster, zu sehen, wie hoch die Sonne noch steht.--Ich hab's nicht ��berwinden k?nnen, ich mu?te zu ihr hinaus. Da bin ich wieder, Wilhelm, will mein Butterbrot zu Nacht essen und dir schreiben. Welch eine Wonne das f��r meine Seele ist, sie in dem Kreise der lieben, muntern Kinder, ihrer acht Geschwister, zu sehen!--Wenn ich so fortfahre, wirst du am Ende so klug sein wie am Anfange. H?re denn, ich will mich zwingen, ins Detail zu gehen.
Ich schrieb dir neulich, wie ich den Amtmann S. habe kennen lernen, und wie er mich gebeten habe, ihn bald in seiner Einsiedelei oder vielmehr seinem kleinen K?nigreiche zu besuchen. Ich vernachl?ssigte das, und w?re vielleicht nie hingekommen, h?tte mir der Zufall nicht den Schatz entdeckt, der in der stillen Gegend verborgen liegt.
Unsere jungen Leute hatten einen Ball auf dem Lande angestellt, zu dem ich mich denn auch willig finden lie?. Ich bot einem hiesigen guten, sch?nen, ��brigens unbedeutenden M?dchen die Hand, und es wurde ausgemacht, da? ich eine Kutsche nehmen, mit meiner T?nzerin und ihrer Base nach dem Orte der Lustbarkeit hinausfahren und auf dem Wege Charlotten S. mitnehmen sollte.--"Sie werden ein sch?nes Frauenzimmer kennenlernen", sagte meine Gesellschafterin, da wir durch den weiten, ausgehauenen Wald nach dem Jagdhause fuhren.--"Nehmen Sie sich in acht", versetzte die Base, "da? Sie sich nicht verlieben!"--"Wieso?" sagte ich.--"Sie ist schon vergeben,"antwortete jene,"an einen sehr braven Mann, der weggereist ist, seine Sachen in Ordnung zu bringen, weil sein Vater gestorben ist, und sich um eine ansehnliche Versorgung zu bewerben".--Die Nachricht war mir ziemlich gleichg��ltig.
Die Sonne war noch eine Viertelstunde vom Gebirge, als wir vor dem Hoftore anfuhren. Es war sehr schw��l, und die Frauenzimmer ?u?erten ihre Besorgnis wegen eines Gewitters, das sich in wei?grauen, dumpfichten W?lkchen rings am Horizonte zusammenzuziehen schien. Ich t?uschte
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