Die Laune des Verliebten | Page 7

J.W. Goethe
dich; ihre Blicke
Verraten, dass die Lust nie ganz vollkommen sei, Wenn du, ihr
Liebling, du, ihr Einzger, nicht dabei - Wenn sie dir schwoert, ein Kuss
von dir sei mehr als Freuden Von tausend Festen - bist du da nicht zu
beneiden?
Eridon [geruehrt]. O Egle!

Egle. Fuerchte, dass der Goetter Zorn entbrennt, Da der Beglueckteste
sein Glueck so wenig kennt. Auf! Sei zufrieden, Freund! Sie raechen
sonst die Traenen Des Maedchens, das dich liebt.
Eridon. Koennt ich mich nur gewoehnen, Zu sehn, dass mancher ihr
beim Tanz die Haende drueckt, Der eine nach ihr sieht, sie nach dem
andern blickt. Denk ich nur dran, mein Herz moecht da vor Bosheit
reissen!
Egle. Eh! lass das immer sein! das will noch gar nichts heissen. Sogar
ein Kuss ist nichts!
Eridon. Was sagst du? Nichts - ein Kuss?
Egle. Ich glaube, dass man viel im Herzen fuehlen muss, Wenn er was
sagen soll - Doch! willst du ihr verzeihen? Denn wenn du boese tust, so
kann sie nichts erfreuen.
Eridon. Ach Freundin!
Egle [schmeichelnd]. Tu es nicht, mein Freund; du bist auch gut. Leb
wohl! [Sie fasst ihn bei der Hand.] Du bist erhitzt!
Eridon. Es schlaegt mein wallend Blut -
Egle. Noch von dem Zorn? Genug! Du hast es ihr vergeben. Ich eile
jetzt zu ihr. Sie fragt nach dir mit Beben; Ich sag ihr: er ist gut, und sie
beruhigt sich, Ihr Herz wallt zaertlicher, und heisser liebt sie dich. [Sie
sieht ihn mit Empfindung an.] Gib acht, sie sucht dich auf, sobald das
Fest vorueber, Und durch das Suchen selbst wirst du ihr immer lieber.
[Egle stellt sich immer zaertlicher, lehnt sich auf seine Schulter. Er
nimmt ihre Hand und kuesst sie.] Und endlich sieht sie dich! O welcher
Augenblick! Drueck sie an deine Brust, und fuehl dein ganzes Glueck!
Ein Maedchen wird beim Tanz verschoenert, rote Wangen, Ein Mund,
der laechelnd haucht, gesunkne Locken hangen Um die bewegte Brust,
ein sanfter Reiz umzieht Den Koerper tausendfach, wie er im Tanze
flieht, Die vollen Adern gluehn, und bei des Koerpers Schweben
Scheint jede Nerve sich lebendiger zu heben. [Sie affektiert eine
zaertliche Entzueckung und sinkt an seine Brust; er schlingt seinen
Arm um sie.] Die Wollust, dies zu sehn, was ueberwiegt wohl die? Du
gehst nicht mit zum Fest, und fuehlst die Ruehrung nie.
Eridon. Zu sehr, an deiner Brust, o Freundin, fuehl ich sie! [Er faellt
Eglen um den Hals und kuesst sie, sie laesst es geschehn. Dann tritt sie
einige Schritte zurueck und fragt mit einem leichtfertigen Tone.]
Egle. Liebst du Aminen?

Eridon. Sie, wie mich!
Egle. Und kannst mich kuessen? O warte nur, du sollst mir diese
Falschheit buessen! Du ungetreuer Mensch!
Eridon. Wie? glaubst du denn, dass ich -
Egle. Ich glaube, was ich kann. Mein Freund, du kuesstest mich Recht
zaertlich, das ist wahr. Ich bin damit zufrieden Schmeckt dir mein Kuss?
Ich denk's: die heissen Lippen gluehten Nach mehr. Du armes Kind!
Amine, waerst du hier!
Eridon. Waer sie's!
Egle. Nur noch getrutzt! Wie schlimm erging es dir!
Eridon. Ja, keifen wuerde sie. Du musst mich nicht verraten. Ich habe
dich gekuesst, jedoch was kann's ihr schaden, Und wenn Amine mich
auch noch so reizend kuesst, Darf ich nicht fuehlen, dass dein Kuss
auch reizend ist?
Egle. Da frag' sie selbst.

Letzter Auftritt
[Amine, Egle, Eridon.]
Eridon. Weh mir!
Amine. Ich muss, ich muss ihn sehen! Geliebter Eridon! es hiess mich
Egle gehen, Ich brach mein Wort, mich reut's; mein Freund, ich gehe
nicht!
Eridon [fuer sich]. Ich Falscher!
Amine. Zuernst du noch? du wendest dein Gesicht?
Eridon [fuer sich]. Was werd' ich sagen!
Amine. Ach! verdient sie diese Rache, So eine kleine Schuld? Du hast
gerechte Sache, Doch lass -
Egle. O lass ihn gehn! Er hat mich erst gekuesst; Das schmeckt ihm
noch.
Amine. Gekuesst!
Egle. Recht zaertlich!
Amine. Ah! das ist Zu viel fuer dieses Herz! So schnell kannst du mich
hassen? Ich Unglueckselige! Mein Freund hat mich verlassen! Wer
andre Maedchen kuesst, faengt seins zu fliehen an. Ach! seit ich dich
geliebt, hab ich so was getan? Kein Juengling durfte mehr nach meinen
Lippen streben; Kaum hab ich einen Kuss beim Pfaenderspiel gegeben.
Mir nagt die Eifersucht so gut das Herz wie dir; Und doch verzeih ich

dir's, nur wende dich zu mir! Doch, armes Herz, umsonst bist du so
sehr verteidigt! Er fuehlt nicht Liebe mehr, seitdem du ihn beleidigt.
Die maechtge Rednerin spricht nun umsonst fuer dich.
Eridon. O welche Zaertlichkeit! wie sehr beschaemt sie mich!
Amine. O Freundin, konntest du mir meinen Freund verfuehren!
Egle. Getrost, mein gutes Kind! du sollst ihn nicht verlieren. Ich kenn'
den Eridon und weiss, wie treu er ist.
Amine. Und hat -
Egle. Ja, das ist wahr, und hat mich doch gekuesst. Ich weiss, wie es
geschah, du kannst ihm
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