Die Last | Page 9

Georg Engel
wo er schon oft gen?chtigt hatte.
Und so gleichgültig und abgespannt fühlte er sich, da? er sich selbst gar nicht die Frage vorlegte, warum er dem M?dchen nachgegeben.
Oben in der kahlen, wei?getünchten Stube entkleidete er sich schnell, und bald lag er ausgestreckt in dem hohen Bett, ohne jedoch die ersehnte Ruhe finden zu k?nnen.
Die niedrige Decke drückte ihn beinahe auf den Kopf, und immer wieder hob er das Haupt und lauschte auf das ?chzen und Pfeifen des Windes, der klagend über das Dach strich.
Es klang ebenfalls wie das St?hnen eines gefolterten, riesenhaften Leibes.

VI.
Die zehnte Stunde des Vormittags war bereits angebrochen, als Hedwig in die Stube trat, die sie kurz vorher verlassen, ein modernes Hütchen auf dem braunen Haar, und über der Taille ein elegantes, offenes Jackett, das ihren vollendeten Wuchs erst recht hervorhob.
Sie streifte sich Handschuhe auf und sp?hte dabei aufmerksam zum Fenster hinaus, wie nach dem Stand des Wetters.
?Du willst fort?? forschte die Kranke mit leisem Vorwurf, w?hrend eine Wolke über ihre Stirn flog, denn die Bedauernswerte hatte bereits die feste überzeugung gewonnen, da? sie sich in Gegenwart ihrer Schwester wohler befinde.
?Ja,? versetzte die Jüngere aufatmend und ohne die verborgene Rüge sonderlich zu beachten: ?Es ist heute so frisch drau?en -- wirklich prachtvoll -- überall ziehen Sommerf?den -- sieh nur -- und hier drinnen --? sie vollendete nicht, sondern setzte rasch hinzu: ?Ich bin das Wachen doch wohl noch nicht so recht gewohnt -- und dir geht es ja heute besser -- da will ich einmal einen Gang durch eure Wirtschaft machen. In einer Stunde bin ich wieder zurück.?
?Aber Hedwig, wenn ich so allein --?
?Ich bringe dir auch was Sch?nes mit,? schnitt die andere l?chelnd ab und war im n?chsten Augenblick verschwunden.
Seufzend richtete sich die Verlassene auf und blickte sehnsüchtig durch die Fensterscheiben der schlanken M?dchengestalt nach, die drau?en bereits ohne sonderliche Eile mit leichten kr?ftigen Bewegungen über den Hof schritt.
?Wer doch auch so --,? flüsterte die Kranke endlich, ?einmal noch, nur einmal -- --? Krampfhaft faltete sie die H?nde, und ihre Seele hob sich wieder in jenem einen brünstigen Gebete zu Gott.
Unterdessen hatte Hedwig den Hof durchmessen. Wer sie so sah, mit dem eleganten, dünnen Sonnenschirm in der Hand, und ihrer modernen Kleidung, der h?tte kaum geglaubt, da? den braunen, blitzenden Augen dieser jungen Dame nicht der kleinste Schaden im Strohdach einer Scheune entging.
Sie bemerkte alles. Auch für das Geringfügigste in diesem schweigenden Geh?ft schien sie ein Interesse zu empfinden.
Vor dem offnen Kuhstall, aus dem ein warmer Dunst herausschlug, hockte auf einem Prellstein ein alter, verwitterter Mann, ein greises, dürres, zahnloses Menschenkind, das kopfwackelnd dasa? und sich zu sonnen schien. Neben ihm, auf dem Holzpantoffel des Alten stand ein zerzauster Rabe auf einem Bein und war gleichfalls in den allgemeinen bleiernen Schlaf versunken, der wie verwunschen die gesamte kleine Besitzung umfangen hielt.
?Alterchen,? rief Hedwig, als sie ihn erreicht hatte, und stampfte leicht mit ihrem Schirm auf den Boden: ?Warum sieht der Hof so schmutzig aus??
?He?? grunzte der Alte und hob nach Art der Schwerh?rigen das Ohr. Dabei blinzelten seine erloschenen, bl?den Augen in das frische, blühende M?dchengesicht empor, und der zahnlose Mund begann zu kauen.
Das junge, kr?ftige Leben da vor ihm gefiel ihm augenscheinlich nicht. Auch redete sie ihn mit zu wenig Hochachtung an, denn der alte Krischan a? schon seit Menschengedenken auf dem Hof das Gnadenbrot und stand au?erdem im Rufe dunkler lichtscheuer Künste. Der Rabe galt dabei als eine Art dienender b?ser Geist oder mindestens doch als Bundesgenosse zu allerlei schwarzen Taten.
?Schnell -- nehmt einen Besen und fegt einmal ordentlich aus,? rief pl?tzlich das sch?ne M?dchen dringend dazwischen. Ihr war es, als k?nnte man damit alles H??liche und Kranke, was sie hier vorgefunden, mit starker Hand hinauskehren.
Der Alte regte sich nicht.
Sie stie? ihn an.
Da zog ein leises Grinsen über das verrunzelte Gesicht, der Mund hob an zu schmunzeln, und ohne sich von der Stelle zu rühren, keuchte er heiser zur Antwort:
?Arbeiten? -- ne, v?rbi -- all lang v?rbi -- ne, ne, min D?chting, wenn Sei hier wat utkihren willen, denn m?tens sülwst dauhn.?
?Und Sie, was treiben Sie hier?? rief Hedwig scharf dagegen. Durch ihren K?rper zuckte es. Die schlaffe Faulheit des Alten emp?rte sie.
?Ick? -- ick t?w [Fu?note: warte] ups Starwen.?
?Aufs Sterben??
Unwillkürlich erbla?te die Angreiferin und trat zurück. Der Alte warf ihr einen schielenden b?sen Blick nach, und der Rabe erhob sich pl?tzlich und schlug kr?chzend und hackend mit den Flügeln nach ihr.
Es war, als ob sich die alte Zeit in diesem Geh?ft gegen sie wehren wollte.
Allein der neue Ank?mmling war nicht von der Art, sich von derlei unklaren Vorstellungen lange beeinflussen zu lassen.
Stolz hob sie das Haupt und lie? kühl die Worte fallen: ?Ich werde mit meinem Schwager über Sie sprechen.?
Im n?chsten Augenblick wandte sie sich und eilte gru?los auf die Landstra?e hinaus.
Wie frisch und hell war es hier drau?en. über ihr das unendliche, leuchtende Blau,
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